Waren es die glänzenden Augen seines Vaters, als Renzo Spotti mit ihm zusammen die LP «Basie Zott» kaufte? Oder doch das Solo eines Schlagzeugers, der während eines Konzertes sein Instrument verliess und alles, was ihm in den Weg kam, bespielte? Oder die eigenen Rhythmus-Sessions im elterlichen Wohnzimmer mit den Stricknadeln der Mutter? Es sind zahlreiche Momente wie diese, die Renzo Spotti rückblickend schon in früher Kindheit wegweisend für seine Karriere als Musiker erschienen.
Von 10 bis 20 gehörte sein Herz der Klarinette. Er war bereits am Konservatorium Zürich zum Klarinettenstudium bei Elisabeth Gantner angemeldet gewesen, als das Schicksal in Form des alten Saxofons von Bruno Spoerri dazwischenkam. Das Instrument stand zum Verkauf – ausgerechnet jenes Instrument, dem Spottis Vater in den 60ern im «Africana» lauschte.
Studium an der Musikhochschule Basel
Und so kam es, dass der junge Spotti schliesslich an der Musikhochschule in Basel bei Domenic Landolf und Dani Blanc Tenorsaxofon studierte. Er besuchte die Meisterklasse von Barry Harris, der zu sagen pflegte: «Listen to Renzo, thatʼs how a Tenor ʼsposed to sound like!» Und was bedeutet das Saxofon Spotti heute? «Es ist der einzige Gegenstand, zu welchem ich eine tiefe emotionale Beziehung habe.»
«Compassion» – wie programmatisch der Name der Band ist, wird deutlich, wenn man einem spielfreudigen leidenschaftlich swingenden Trio lauscht, bei dem der Solosound des Einzelnen den Klang der Band nicht übertüncht. «Compassion» steht dann für die Empathie der Musiker untereinander. In diesem Sinne möchte der Bandleader seine Truppe als utopisches Gesellschaftsmodell verstanden wissen.
Basisdemokratie im Jazz
«Würden die Menschen einander nur mit dem Bruchteil des Mitgefühls begegnen, mit dem wir miteinander musizieren, lebten wir in einer ganz anderen Welt», erklärt Renzo Spotti. Zudem gebe es kaum etwas Basisdemokratischeres als eine Jazzband, wie sie es seien: «Welches Lied wie genau gespielt wird, besprechen wir miteinander, bis alle einverstanden sind – dafür brauchen wir kein System, sondern Achtung voreinander», sagt Spotti.
Fridolin Blumer am Bass ist ein Virtuose der Improvisation und es scheint, als spreche der Bass direkt zum Publikum. Elmar Frey an den Drums wirkt solide und vermittelt einen entspannten Groove. Spotti spielt mit Haut und Haar, nicht nur ein bisschen und ganz und gar nicht wohlgefällig. Er zelebriert die Unbedingtheit.
Zuverlässig in allen Bereichen
Die chemische Reaktion, die im Trio entsteht, stiftet eine solide Symbiose. «Alle drei sind zuverlässig in allen nur denkbaren Bereichen des Lebens und des gemeinsamen Musizierens, bewandert und sattelfest und höchst virtuos auf ihren jeweiligen Instrumenten, ohne der Geschwätzigkeit zu verfallen», weiss Spotti.
Die Basis dieses Verbundes bildet das Great American Songbook, um sich von dort auf verwegene Pfade der Improvisation zu begeben. Und was kann da dienlicher sein als jede Menge «Compassion»?