Unter Jazz-Kennern ist man sich einig: Er hat das Spektrum der Jazzgitarre erweitert und somit Geschichte geschrieben. Hegte Christy Doran seit jeher eine Faszination für das experimentelle Spiel eines Jimi Hendrix und wurde beflügelt von der Free Jazz-Bewegung, verbindet er ab den 1970er-Jahren Stilelemente des Rock und der freien Improvisation. So war Doran einer der ersten europäischen Gitarristen, die diverse Effekt-Geräte zur Manipulation und Erweiterung des Sounds verwendet haben. Das Ergebnis kann sich hören lassen: Es ist die Eröffnung neuer sphärischer Klangwelten, die auch Raum schaffen für die sogenannte Noise-Musik. Die Electricjazz-Gruppe «OM» oder das Trio «Red Twist and Tuned Arrow» um Christy Doran zählen zu den charakteristischsten Formationen der Schweizer Jazz-Szene und haben diese massgeblich geprägt. «Das Rebellische der Musik aus den 1960er Jahren hat mich das ganze Leben über begleitet. Ich verstehe mich als Forschender auf der Gitarre und meine Musik ist stets komplex und intensiv. Formen, Klänge und das Unerwartete sind, was mich interessiert und umtreibt», erklärt der 72-jährige Grandseigneur, der in seinen Gesichtszügen eine gewisse Ähnlichkeit mit Keith Richards aufweist. Wenn er berichtet, merkt man schnell – es ist die ganz grosse Liebe: «Ich spiele nur Gitarre, deshalb spielt sie immer die Hauptrolle. Ich liebe das Instrument, weil es ein enormes Spektrum bietet, von eher braven akustischen Klängen bis hin zum Ausdruck apokalyptischer Energie.»
Christy Doran wurde in Dublin geboren und lebt seit seiner Kindheit in der Schweiz. Doran hat 1972 die heutige Musikschule Luzern mitbegründet, wo er 45 Jahre lang Gitarre, Jazz und freie Improvisation unterrichtete. Fragt man Doran nach dem Schönsten und Aufregendsten in seiner Karriere antwortet er solide: Das Schönste sei mit Freunden zu musizieren. Das Band-Gefühl bedeute ihm viel und sei vergleichbar mit Magie. «Das Ganze ist immer mehr als die Summe seiner Teile», sagt Doran, der ein international renommierter Solist und Ensemblemusiker ist. Die Stationen seiner Gigs, die dieses Jahr noch anstehen, lesen sich wie eine Europa-Tournee: Paris, London, Wien, Berlin und Köln. Seine Formationen bestechen durch Vielfalt. Mit dem Trio «Christy Doran's Sound Fountain» oder dem aus 20 E-Gitarren, vier E-Bässen und einem Schlagzeug bestehenden Orchesterprojekt «144 Strings for a broken Chord» geht er auch unkonventionelle Wege. Lauscht man den Klängen dieser spannenden Experimente, kommt man mit Musik in Berührung, die direkt von einem anderen Gitarrenstern zu stammen scheinen.
Die aktuelle September-Auflage von «Jazz im Seefeld» kommt als Doppelkonzert daher. Neben Christy Doran wird die Sängerin und Stimmkünstlerin Saadet Türköz zusammen mit Julian Sartorius am Schlagzeug auf der Bühne stehen. In ihrer Duo-Arbeit präsentieren beide Weltenbummler die Klangwelt von Morgen- und Abendland, wobei die Improvisation, analog und somit im Dialog zu Christy Doran, im Vordergrund steht.
28.09.2022 - 19:30 Uhr Doppelkonzert: «Christy Doran»: Christy Doran - Guitars & Loops, «Grassblues» Saadet Türköz - Voice, Lyrics, Julian Sartorius - Schlagzeug, Eintritt 10 Franken & Kollekte. GZ Riesbach, Seefeldstrasse 93, 8008 Zürich, www.jazzimseefeld.ch