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Zürich 2
10.10.2022

Sogar mit 100 fröhlich gefeiert

Für die Wollishofer Quartierbevölkerung wurde ein beheiztes Zelt aufgestellt.
Für die Wollishofer Quartierbevölkerung wurde ein beheiztes Zelt aufgestellt. Bild: Jeannette Gerber
Trotz des Schmuddelwetters kam am Tag der offenen Tür im Alterswohnheim Studacker lebendige Fröhlichkeit auf.

Jeannette Gerber

Den Auftakt um 11 Uhr bildeten die heimeligen Klänge des Alphornduos Alvetern, verstärkt durch die Tösstaler Alphornbläser. Sie riefen die Wollishofer Quartierbevölkerung sowie Heimbewohnerinnen und -bewohner zur Teilnahme auf. Familienmitglieder, Kinder, Enkel und Urenkelinnen sowie Freundinnen und Freunde kamen in Scharen, um mit den älteren Leuten ein paar schöne Stunden zu verbringen.

Gefeiert wurde im Hof des Alterswohnheims, wo ein beheiztes Zelt aufgestellt war. Dank des Heimbewohners Johannes Müller wurde die Cariba Steelband zur Unterhaltung engagiert. Müller ist immer noch aktives Mitglied der Band aus Remetswil AG. Wer kann bei diesen eindringlichen, karibischen Klängen noch still sitzen bleiben? Selbst die 91-jährige Klara Kägi liess sich von der Aktivierungsspezialistin Barbara Güttinger zu einem Tänzchen animieren. Ihr strahlendes Lächeln zeigte, wie sehr sie sich amüsierte. Alle Teilnehmenden schienen von diesen nicht alltäglichen Klängen begeistert und von den Rhythmen angesteckt zu sein. Es war, als schiene die karibische Sonne ins Zelt und somit ins Leben der alten wie auch jungen Menschen.

1922 in Wollishofen geboren

Nach dem Anlass für dieses Fest gefragt, antwortete der seit 1. August amtierende Heimleiter Torsten Petzke: «Das Fehlen jeglicher Kontakte zu Familie und Quartier während der Pandemie war für viele ein grosser Verlust. Den wollte man damit wenigstens zum Teil ausgleichen.»

Auf Wunsch stellte Petzke der Autorin den ältesten Heimbewohner vor, den 100-jährigen Arnold Bietenholz. Auf die Frage, wie und wo er sein langes Leben verbrachte, fing er zu erzählen an. Wach und klar berichtete er: «Ich bin am 17. September 1922 in Wollishofen zur Welt gekommen und habe mein ganzes Leben hier verbracht.» Auf die Frage, ob er den grossen Geburtstag gebührend gefeiert habe, bejahte er schmunzelnd: «Sogar die Vertreterin von Corine Mauch hat mir mit einem Blumenstrauss und dem üblichen Couvert gratuliert.» Schon sein Grossvater und später mein Vater arbeiteten als Maschinisten in der Roten Fabrik, die damals der Seidenweberei Stünzi Söhne gehörte. Auch seine Tante arbeitete als Weberin in der Fabrik. Während dreier Jahre sei der Familie sogar eine Dreizimmerwohnung auf dem Gelände der Fabrik zur Verfügung gestellt worden.

Vom Ausläufer zum Bürochef

Arnold Bietenholz ging im Hans Asper Schulhaus zur Schule, genauso wie sein Bruder. Er begann seine Laufbahn als Ausläufer beim Telegrafenamt der Fraumünsterpost. Dort arbeitete er drei Jahre lang und wurde dann auf die Sihlpost versetzt, wo er im Expressdienst mit dem Zustellen der Briefe in der ganzen Stadt betraut wurde.

Arnold Bietenholz: «Ich habe mein ganzes Leben in Wollishofen verbracht.» Bild: Jeannette Gerber

«Immer wieder wurde ich als Ablösung in diverse Filialen geschickt, unter anderem in die Post Wollishofen als Briefträger. Später wurde ich ins dortige Büro versetzt, wo sechs Mann in der Zustellung tätig waren, die die Post 20 Briefträgern zum Verteilen übergaben.» Die Filiale sei bereits um 4.30 Uhr von der Sihlpost beliefert worden.« Schliesslich übernahm ich das Büro in Wollishofen mit allen Aufgaben und wurde 1987 pensioniert.»

1947 haben er und seine Frau geheiratet. Sie haben eine Tochter, einen Sohn, viele Enkelkinder und wiederum viele Urenkelkinder. Am Schluss wohnte das Ehepaar hier im Alterswohnheim in einem Doppelzimmer. «Da ist meine liebe Frau dann 2017 verstorben. Wir hatten 70 Jahre lang ein glückliches Leben in jeder Beziehung,» beendete er seine Lebensbeichte mit einem Tränchen im Auge.

Nach der Gesundheit gefragt, gestand er: «Bis vor kurzem ging es mir ausserordentlich gut.» Doch er sei gefallen und habe sich das Schultergelenk gebrochen. Ob er ein künstliches Gelenk erhalten habe, beantwortete er pragmatisch, ganz ohne Zynismus: «In meinem Alter lohnt sich eine OP nicht mehr.»

Sicher hat jeder Mensch im Alterswohnheim eine Geschichte zu erzählen, die absolut lesenswert wäre, doch sich mit 100 Jahren so lebhaft, sogar an Jahreszahlen, zu erinnern, ist ein Geschenk.

Jeannette Gerber