Pia Meier
Das rund 55 000 Quadratmeter grosse Areal, das der Baugenossenschaft BEP, der Stadt Zürich und den SBB gehört, hat gemäss allen Beteiligten grosses Potenzial. So könnte zum Beispiel der Wohnraum auf die doppelte Anzahl Bewohnerinnen und Bewohner verdichtet werden. Die drei Eigentümerinnen wollen das Lettenquartier in den nächsten Jahren gemeinsam weiterentwickeln. Dabei soll bestehender Wohnraum saniert, neuer Wohnraum erstellt, eine Schule gebaut, der Bahnhof erneuert und ein Grundstück entlang der Bahnlinie entwickelt werden. Weiter soll der Zugang zum Bahnhof verbessert werden und die Lettenwiese erhalten bleiben.
Für eine sorgfältige Untersuchung des Entwicklungspotenzials wurde 2021 eine Testplanung durchgeführt. Dabei ging es gemäss BEP um eine ganzheitliche Betrachtung: Wie kann die BEP ihre Liegenschaften erneuern und zusätzlichen günstigen Wohnraum schaffen? Welche baulichen Varianten sind für das Quartier überhaupt möglich, verträglich und auch umsetzbar? Wie lässt sich das mit den Plänen der Stadt Zürich verbinden, den Schulraum im Quartier zu erweitern? Welches Potenzial hat das an die Bahnanlagen angrenzende SBB-Grundstück? Wie lassen sich Freiräume erhalten und aufwerten, und wo könnten sie angesiedelt werden? Die Gesamtbetrachtung soll eine langfristige, sozial verträgliche und koordinierte Planung ermöglichen.
Mehr günstigen Wohnraum
Die heutigen Wohnungen der BEP sind überwiegend klein, nicht barrierefrei und entsprechen zum Teil nicht den heutigen Anforderungen. «Wir möchten die Potenziale des Lettenquartiers nutzen und eine gute Mischung an Wohnungen für alle Lebensphasen anbieten», hält die BEP fest. Zum Beispiel grössere und familienfreundliche Wohnungen oder Wohnungen, die älteren Menschen ermöglichen, bis ins hohe Alter zu Hause zu leben.
Die BEP will dadurch bei einer Veränderung der Lebenssituation auch einen Umzug innerhalb des Quartiers ermöglichen. «Wir möchten deutlich mehr gemeinnützigen Wohnraum anbieten, und das städtebaulich verträglich in einer ausgewogenen Dichte, bestehende Bauten erhalten oder in angemessenen Etappen ersetzen, so wie wir dies politisch, sozial und ökonomisch vertreten können, eine gute Mischung an günstigen Wohnungen schaffen – in bestehenden Gebäuden und in Neubauten.» Die Verdichtung soll gemäss Marc Bänziger von der BEP vor allem in die Höhe erfolgen, damit die Freiräume erhalten bleiben. Grundsätzlich könnten auf dem Lettenareal dank des Arealbonus siebenstöckige Gebäude gebaut werden. Aber das ist nicht das Ziel. Die Siedlungen Letten 1 bis 4 bleiben unverändert bestehen. Sie sind formell geschützte Objekte (Schutzvertrag), die alle im Laufe der letzten zehn Jahre komplett erneuert wurden.
Lettenwiese bleibt erhalten
Auf Basis der Testplanungsergebnisse wurden in diesem Jahr zwei Mitwirkungsverfahren mit rund 100 Teilnehmenden durchgeführt. Weitere sind im nächsten Jahr geplant. Siedlungsbewohnerinnen und -bewohner, Genossenschaftsmitglieder und Quartiervertreterinnen und -vertreter diskutierten und vertieften die Grundlagen für die künftige Nachbarschaft und das Zusammenleben und einen zentralen Freiraum. Die Erkenntnisse des Mitwirkungsprozesses werden zurzeit konsolidiert und fliessen anschliessend in die weiteren Arbeits- und Konkretisierungsschritte ein.
Waren Stadt, BEP und SBB nach den beiden Mitwirkungsprozessen mit der Testplanung auf dem richtigen Weg? Das Testplanungsprogramm enthielt unter anderem von der BEP formulierte Leitsätze. Zudem wurden bezüglich Klima und Nachhaltigkeit Rahmenbedingungen definiert. Die «Lärmthematik» wurde in der ganze Testplanungsphase aktiv begleitet.
«Auch wenn die Erkenntnisse aus der Testplanung geprägt sind von stadtplanerischen Aspekten, decken sich die Bedürfnisse aus den Mitwirkungsanlässen, die durch BEP- und Quartierbewohnende und Projektinteressierte formuliert wurden, sehr stark», bekräftigt Bänziger. So sei auch bei den Siedlungsbewohnenden der Wunsch nach mehr Vielfalt an Wohnmöglichkeiten geäussert worden. Eine wichtige Erkenntnis der Mitwirkungsprozesse sei weiter der Erhalt der Lettenwiese. Die neue Schule soll nicht dort erstellt werden. Dies der Wunsch der Siedlungsbewohnenden. Die genaue Nutzung dieses Freiraums wird in den weiteren Planungsschritten definiert.
Die Vorstellungen der Bewohnerschaft sind gemäss Bänziger sehr unterschiedlich. «Für das Quartier entsteht eine grosse Qualität, dass neuer Schulraum realisiert werden kann, dass die Lettenwiese frei bleibt und nicht bebaut wird, dass entlang den Gleisen Freiraum gesichert werden kann und dass der politische Auftrag einer inneren Verdichtung im Wohnen erreicht, sozial verträglich und massvoll auf lange Zeit hinaus geplant und umgesetzt werden könnte», sind die SBB überzeugt. Die neue Schulanlage ist gemäss Stadt für 15 Schulklassen und 5 Kindergartenklassen vorgesehen und umfasst Sporthallen und ein Schwimmbad.
Bis voraussichtlich Ende 2022 liegt der Schlussbericht vor. Die Weiterentwicklung des Lettenquartiers wird über Jahrzehnte erfolgen. Die Erkenntnisse aus Testplanung und Mitwirkung bilden die Grundlage für vertiefende Studien und die weitere Konkretisierung der Bauprojekte. Sobald das Planungsteam für das erste Entwicklungsfeld ausgewählt ist, startet die Projektierung. Es wird in sozial verträglichen Etappen gebaut, frühestens ab 2030. Der Bezug der neuen Wohnungen erfolgt ebenfalls in Etappen.
Gute Zusammenarbeit
«Die Zusammenarbeit unter den drei Bauträgern wird in gutem Einvernehmen gepflegt», betont Bänziger. «In der Phase der Testplanung wurde intensiv um Konsens gerungen innerhalb verschiedener Themengebiete. Was sich abzeichnet, ist, dass sich das gemeinsame Entwickeln dieses Quartierteils gelohnt hat.»
Auch die SBB sind zufrieden. «Die partnerschaftliche Planung mit Städten, Gemeinden und Quartierbewohnerinnen und Quartierbewohnern ist für die SBB ein zentrales Anliegen», hält das Unternehmen auf Anfrage fest. «Deshalb engagieren sich die SBB im Mitwirkungsprozess, in dem die Grundlagen für die künftige Nachbarschaft und das Zusammenleben im Lettenquartier erarbeitet und diskutiert werden.»