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Eine Flut an neuen Vorstössen im Gemeinderat

Florine Angele, Gemeinderätin GLP Wahlkreis 6
Florine Angele, Gemeinderätin GLP Wahlkreis 6 Bild: zvg
Die Liste an neu eingereichten Vorstössen im Gemeinderat ist lang. Die Mehrheit davon sind Postulate, welche den Stadtrat auffordern zu prüfen, ob und wie ein bestimmtes Anliegen umgesetzt werden kann. Insgesamt wurden dieses Jahr bereits 258  Postulate eingereicht. Das sind rund 50% mehr als letztes Jahr, 130% mehr als vor fünf Jahren und viermal so viele wie im Jahr 2015.

Florine Angele

Ich frage mich, worauf diese starke Zunahme an Vorstössen zurückzuführen ist. Kurzfristig sehe ich folgende Erklärungen: Erstens stecken wir mitten im Kantonsratswahlkampf und viele meiner Ratskolleginnen und -kollegen liebäugeln mit dem Sprung ins kantonale Parlament. Mit einer grossen Zahl an eigenen Vorstössen untermauert man das politische Engagement und schärft das eigene Profil. Zweitens sind viele Mitglieder des Gemeinderats, dazu gehöre auch ich, erst seit dieser Legislatur dabei. Mit viel Energie und Motivation wollen sie alle Mängel in unserer Stadt beheben. Das ist sicherlich gut gemeint, aber nicht zwingend auch gut gemacht.

Politische Vorstösse sind ein wichtiges Instrument des Gemeinderats und ein zentrales Element des Ratsgeschäfts. Trotzdem würde ich mir mehr Fokus und weniger Doppelspurigkeit wünschen. Mit jedem Vorstoss übergibt der Rat der Verwaltung einen Auftrag. Das hat seinen Preis und bindet Ressourcen. Es scheint, als wären sich nur die wenigsten dieser Kosten bewusst.

Das gilt für beide politischen Lager. Zwar habe ich im Vorfeld erwartet, dass sich die linke Ratsseite nicht mit Vorstössen zurückhält. Dass aber vor allem auch von der vermeintlich kostenbewussten SVP wöchentlich neue Vorstösse kommen, erstaunte mich doch sehr.

Ich selbst habe bis jetzt nur einen eigenen Vorstoss eingereicht. Ich halte mich bewusst zurück und zeitlich liegt kaum mehr drin. Verheiratet, Mutter eines Babys und ein 80%-Pensum in der Privatwirtschaft: Ich bin eine klassische Milizparlamentarierin – so wie es das Schweizer System bis zur Bundesebene vorsieht. Dieses Milizsystem gerät bei einer solchen Flut an Vorstössen aber an seine Grenzen. Die Ratssitzungen am Mittwoch dauern nur noch selten regulär bis 20 Uhr, sondern oft bis 22 Uhr und ab und zu bis Mitternacht. Nebenbei tagen auch fast alle Kommissionen wöchentlich. Das ist kräftezehrend, vor allem mit kleinen Kindern und einem vollen Arbeitsalltag.

Es ist eine Art Teufelskreis: Aufgrund der Flut an Vorstössen sehen sich viele Rätinnen und Räte gezwungen, ihr Arbeitspensum zu reduzieren, um mehr Zeit in ihr politisches Amt investieren zu können. Diese zusätzliche Zeit führt dann wiederum zu mehr Vorstössen.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Florine Angele