Karin Steiner
«Die meisten Menschen befassen sich erst mit den Abläufen in einem Krematorium, wenn sie selber durch einen Todesfall betroffen sind», sagt Annina Sonnenwald, Leiterin und Initiantin des Vereins Ausbruch. «Wir wollen mit unseren inszenierten Führungen die Abläufe in einem neutralen Kontext aufzeigen und auch zu einem Austausch anregen.»
Die Führungen «Gestorben wird immer» finden zwischen 26. Januar und 10. Februar sechsmal statt. «Die angemeldeten Besucherinnen und Besucher werden in Gruppen aufgeteilt und durchlaufen vier verschiedene Posten», erklärt Produktionsleiterin Lea Schwab. Ein Besichtigungsposten sind die idyllisch am Waldrand gelegenen Urnenblöcke, in denen die Asche Verstorbener aufbewahrt wird. «Dort begegnen wir auch einer sprechenden Urne – mehr will ich nicht verraten», so Lea Schwab.
Fragen stellen ist erwünscht
Ein weiterer Posten befindet sich in der grösseren der beiden Abdankungshallen, die bis 450 Personen Platz bietet. «Hier wird die Bestuhlung entfernt, und dafür stehen Särge bereit, in denen man Probe liegen kann, wenn man möchte, und sich dem Klang japanischer Trommeln hingeben kann, die in ihrem Ursprungsland Totenrituale begleiten.»
Weiter geht es in das Untergeschoss des weitläufigen Gebäudes – dort, wo die Verstorbenen für die Aufbahrung vorbereitet werden und in Aufbahrungsräumen von ihren Angehörigen verabschiedet werden können. Während ein Schauspieler als Leiche im Sarg liegt, erzählen Bestatterinnen und Bestatter von ihrer Arbeit und der wichtigen Aufgabe, die sie erfüllen.
Bei den inszenierten Führungen stets mit dabei ist auch Rolf Steinmann, Leiter Bestattungs- und Friedhofsamt der Stadt Zürich, der mit verschiedenen kulturellen Anlässen und Führungen das Krematorium Nordheim immer wieder für Interessierte öffnet und gerne alle Fragen beantwortet, um den Schrecken vor dem Tod der Menschen zu lindern.
Der vierte Posten ist die Ofenhalle mit den sieben Verbrennungsöfen. Auch hier berichten Mitarbeitende von ihrer Arbeit und zeigen, wie ein (leerer) Sarg kremiert wird. Selbstverständlich sind die anderen fünf Öfen während der Führungen nicht in Betrieb. In der Ofenhalle gibt es auch eine kleine Ausstellung von verschiedenen Urnen zu besichtigen sowie von nicht brennbaren Gegenständen wie künstlichen Gelenken, Herzschrittmachern und Scheren (!), die in der Asche kremierter Menschen gefunden wurden. Den Abschluss der Führung bildet ein gemeinsamer Apéro, bei dem man sich über das Erlebte austauschen und weitere Fragen stellen kann.
Krematorium statt Gefängnis
Der Verein Ausbruch führt seit zehn Jahren regelmässig Theaterinszenierungen in Gefängnissen mit Insassen als Schauspieler durch. Zweimal haben Annina Sonnenwald und Lea Schwab bereits inszenierte Führungen in Krematorien durchgeführt, das letzte Mal in Baden. «Die Anlässe stiessen auf grosses Interesse, sodass wir uns an Rolf Steinmann wandten. Dieser fand die Idee gut, auf diese Art und Weise das Publikum einen Blick hinter die Kulissen des Krematoriums Nordheim werfen zu lassen.»