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Zürich Nord
13.01.2023
13.01.2023 08:58 Uhr

Einblick in die Arbeit mit dem Tod

Vor der Ofenhalle stehen die Särge für die Einäscherung bereit. Wie sie in die Öfen geschoben werden, wird an den Führungen mit einem leeren Sarg demonstriert. Rund 7000 Kremationen finden im Nordheim jährlich statt.
Vor der Ofenhalle stehen die Särge für die Einäscherung bereit. Wie sie in die Öfen geschoben werden, wird an den Führungen mit einem leeren Sarg demonstriert. Rund 7000 Kremationen finden im Nordheim jährlich statt. Bild: Karin Steiner
Was passiert mit dem Körper nach dem Tod? Mit inszenierten Führungen durch das Krematorium Nordheim bringt der Verein Ausbruch dem Publikum ab Ende Januar die Arbeit der Mitarbeitenden näher. Auch Probe liegen in einem Sarg und Fragen stellen gehört zum Programm.

Karin Steiner

«Die meisten Menschen befassen sich erst mit den Abläufen in einem Krematorium, wenn sie selber durch einen Todesfall betroffen sind», sagt Annina Sonnenwald, Leiterin und Initiantin des Vereins Ausbruch. «Wir wollen mit unseren inszenierten Führungen die Abläufe in einem neutralen Kontext aufzeigen und auch zu einem Austausch anregen.»

Die Führungen «Gestorben wird immer» finden zwischen 26. Januar und 10. Februar sechsmal statt. «Die ange­meldeten Besucherinnen und Besucher werden in Gruppen aufgeteilt und durchlaufen vier verschiedene Posten», erklärt Produktionsleiterin Lea Schwab. Ein Besichtigungsposten sind die idyllisch am Waldrand gelegenen Urnenblöcke, in denen die Asche Verstorbener aufbewahrt wird. «Dort begegnen wir auch einer sprechenden Urne – mehr will ich nicht verraten», so Lea Schwab.

Fragen stellen ist erwünscht

Ein weiterer Posten befindet sich in der grösseren der beiden Abdankungshallen, die bis 450 Personen Platz bietet. «Hier wird die Bestuhlung entfernt, und dafür stehen Särge bereit, in denen man Probe liegen kann, wenn man möchte, und sich dem Klang japanischer Trommeln hingeben kann, die in ihrem Ursprungsland Totenrituale begleiten.»

Weiter geht es in das Untergeschoss des weitläufigen Gebäudes – dort, wo die Verstorbenen für die Aufbahrung vorbereitet werden und in Aufbahrungsräumen von ihren Angehörigen verabschiedet werden können. Während ein Schauspieler als Leiche im Sarg liegt, erzählen Bestatterinnen und Bestatter von ihrer Arbeit und der wichtigen Aufgabe, die sie erfüllen.

Bei den inszenierten Führungen stets mit dabei ist auch Rolf Steinmann, Leiter Bestattungs- und Friedhofsamt der Stadt Zürich, der mit verschiedenen kulturellen Anlässen und Führungen das Krematorium Nordheim immer wieder für Interessierte öffnet und gerne alle Fragen beantwortet, um den Schrecken vor dem Tod der Menschen zu lindern.

Der vierte Posten ist die Ofenhalle mit den sieben Verbrennungsöfen. Auch hier berichten Mitarbeitende von ihrer Arbeit und zeigen, wie ein (leerer) Sarg kremiert wird. Selbstverständlich sind die anderen fünf Öfen während der Führungen nicht in Betrieb. In der Ofenhalle gibt es auch eine kleine Ausstellung von verschiedenen Urnen zu besichtigen sowie von nicht brennbaren Gegenständen wie künstlichen Gelenken, Herzschrittmachern und Scheren (!), die in der Asche kremierter Menschen gefunden wurden. Den Abschluss der Führung bildet ein gemeinsamer Apéro, bei dem man sich über das Erlebte austauschen und weitere Fragen stellen kann.

Krematorium statt Gefängnis

Der Verein Ausbruch führt seit zehn Jahren regelmässig Theaterinszenierungen in Gefängnissen mit Insassen als Schauspieler durch. Zweimal haben Annina Sonnenwald und Lea Schwab bereits inszenierte Führungen in Krematorien durchgeführt, das letzte Mal in Baden. «Die Anlässe stiessen auf grosses Interesse, sodass wir uns an Rolf Steinmann wandten. Dieser fand die Idee gut, auf diese Art und Weise das Publikum einen Blick hinter die Kulissen des Krematoriums Nordheim werfen zu lassen.»

Das Krematorium Nordheim

Das Krematorium Nordheim ist das grösste Krematorium der Schweiz und war zeitweise sogar das grösste in Europa. Rund 7000 Kremationen von Zürcherinnen und Zürchern sowie Bewohnenden anderer Gemeinden finden hier jährlich statt, Tendenz steigend, wie Rolf Steinmann erklärt. Im Kanton Zürich gibt es neben dem Nordheim noch zwei weitere kleinere Krematorien in Rüti und Winterthur. Das Nordheim wurde zwischen 1963 und 1967 vom damaligen Zürcher Stadtbaumeister Albert Heinrich Steiner, der auch für den Bau der ETH Hönggerberg verantwortlich zeichnete, im sachlichen Stil der 1960er-Jahre gebaut und 1980 nach Plänen Steiners erweitert.

In der Ofenhalle: Lea Schwab und Annina Sonnenwald besprechen mit Rolf Steinmann den Ablauf der Führungen. Bild: Karin Steiner

«Gestorben wird immer» im Krematorium Nordheim, Käferholzstrasse 101. Die Führungen finden zwischen 26. Januar und 10. Februar sechsmal jeweils um 19.15 Uhr statt. Tickets: www.ausbruch.ch.

Karin Steiner