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Zürich West
31.01.2023
31.01.2023 16:09 Uhr

Orte der Ruhe können vieles sein

Kaum war die Ausstellung im GZ- Garten aufgebaut, blieben trotz Schneegestöber die ersten Interessierten vor den Tafeln stehen.
Kaum war die Ausstellung im GZ- Garten aufgebaut, blieben trotz Schneegestöber die ersten Interessierten vor den Tafeln stehen. Bild: Petra Hodgson
Studierende der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben in der Stadt nach «Orten der Ruhe» gesucht und einige gefunden. Jetzt laden sie – mit Bild, Text, Film – zu einer Ausstellung im Gemeinschaftszentrum Heuried ein.

Lisa Maire

Das Projekt «Orte der Ruhe» steht seit 2018 im Rahmen des Moduls «Grünraum und Stadtleben» auf dem Lehrplan der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Unter der Leitung von Dozentin Petra Hagen Hodgson wollen angehende Umweltingenieurinnen und -ingenieure herausfinden, wo und wie öffentliche Freiräume von Menschen genutzt werden, um der Hektik des Alltags zu entfliehen. Dazu erkunden sie in Gruppen verschiedenartige städtische Freiräume – ob Plätze, Pärke, Höfe, Strassen, Wege – und fragen dort Passanten und Anwohnende, wie sie den Ort erleben. Dieses partizipative Element ist das Spezielle an dem Hochschulprojekt: Es kommen darin Quartierbewohnerinnen und -bewohner zu Wort. Zudem bleiben die Ergebnisse der Untersuchungen nicht im akademischen Elfenbeinturm liegen, sondern werden jeweils mit Ausstellungen wieder in die Quartiere zurückgetragen. 

Thema bewegt viele

Mit dem Bevölkerungswachstum, der zunehmenden Verdichtung von städtischem Raum und der steten Beschleunigung in verschiedensten Lebensbereichen ist auch das Bedürfnis der Menschen nach alltäglichen Orten der Ruhe gewachsen. In den letzten Jahren habe sich denn auch der öffentliche Diskurs über die Notwendigkeit solcher Freiräume zum Innehalten, Auftanken, Entschleunigen verstärkt, sagt Petra Hagen Hodgson. In diesem Sinne könnten die Ergebnisse der ZHAW-Arbeiten auch als Beitrag zur städtebaulichen Weiterentwicklung verstanden werden. Das Thema bewege viele Menschen in der Stadt. Das zeige nicht zuletzt das grosse Interesse, auf das die jährlichen Ausstellungen jeweils stossen, so die Projektleiterin.

Ruheempfinden individuell

Die aktuelle Ausstellung, die im idyllischen Garten des GZ Heuried zu sehen ist, stellt unterschiedliche Aussenräume in den Kreisen 1, 4 und 5 vor, an denen Menschen zur Ruhe kommen. Das Empfinden von Ruhe ist allerdings sehr subjektiv. Zwar gilt einerseits: Je sinnlicher, grüner der Charakter eines Orts, desto eher wird er als entspannend wahrgenommen. Monoton gestaltete Aufenthaltsflächen wie der grosse Platz vor dem neuen Polizei- und Justizzentrum Zürich an der Hohlstrasse verlocken kaum jemanden zum Innehalten, wie die Projektbeteiligten bei ihren Besuchen vor Ort feststellten. 

Orte der Ruhe sind vieles, aber nicht zwingend still. An einer lärmigen Strasse kann schon eine Bank neben einem plätschernden Brunnen als Oase empfunden werden. So erscheint denn auch das Mini-Pärkchen beim ehemaligen Gemeindehaus Aussersihl an der Badenerstrasse als «Bijou mit eigenem Charme», wie ein Nutzer zu Protokoll gibt. Und in der Pestalozzi-Anlage an der Bahnhofstrasse urteilt ein junger Mann, der dort Mittagspause macht: «Schöner grüner Fleck auf einem grauen Platz.»

Vernissage im Scheinwerferlicht: Studierende präsentieren ihre Arbeiten. Bild: Lisa Maire

Abschalten in der «Parallelwelt»

Grössere Grünanlagen und Plätze wie Bäckeranlage, Münsterhof, Idaplatz oder Kasernenareal werden von Besucherinnen und Besuchern auch dann als Ort der Ruhe wahrgenommen, wenn sie stark frequentiert sind. Ob zum Kopf lüften, Zeitung lesen, Beobachten, Picknicken, Spazieren, Joggen, Freunde treffen. Sie finde das Kasernenareal «grossartig», wird eine junge Frau zitiert. «Man muss den Eingang suchen. Dann gehst du rein und bist in einer Parallelwelt.»

Als besonders entspannend werden Orte am Wasser erlebt. So auch die Promenade entlang des Seeabflusses Schanzengraben, die hinter dem Bürkliplatz beginnt. Er fühle sich wie in einem Park, gibt dort ein Passant zu Protokoll. Ebenso wird der «Kleine Platzspitz» bei der Gessnerbrücke, wo der Schanzengraben in die Sihl mündet, heiss geliebt. Und zwar weil der Ort «weit» sei und man die «Fische im Fluss sehen kann», wie ein Interviewter schwärmt. Für ihn ist dieser Ort der «vielleicht ruhigste im Stadtzentrum».

Beruhigende Stimmenkulisse 

Manche Zürcherinnen und Zürcher brauchen Geräusche mensch­lichen Lebens, um abzuschalten. So empfindet eine junge Besucherin des Umnutzungsprojekts Auerhof am Sihlquai den belebten öffentlichen Aussenraum mit Café als sehr beruhigend. Und im grossen grünen Hof der städtischen Siedlung Erismannhof im Kreis 4 hält ein älterer Bewohner fest: Ein Gemisch von Kinder-, Männer- und Frauenstimmen sei wichtig, damit eine Umgebung nicht als unangenehme Ruhe empfunden werde. Diese Stimmenkulisse könne «einschläfernd und beruhigend wirken, wenn man im Bett liegt». Wahrscheinlich sei sie sogar «einschläfernder als absolute Stille».

GZ Heuried, Döltschiweg 130, 8055 Zürich. Ausstellung im Garten bis 14. Februar, von 9 bis 18 Uhr zugänglich; Film (ohne Ton) und Präsentation im Café: täglich 14.30-18 Uhr.

Lisa Maire