Pia Meier
«‹Steig ein – komm weiter› heisst es vielversprechend auf Ihren Bussen. Für Fahrgäste der Linie 66 sind die Gelegenheiten zum Einsteigen allerdings rar geworden, seit Sie sich entschieden haben, das Angebot auf den 15-Minuten-Takt zu reduzieren», schrieb Franziska Greuter kürzlich dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV).
«Wenn der Bus dann noch 10 Minuten zu spät kommt wie heute Abend oder ganz ausfällt wie vor einer Woche, steht man auch mal 20 Minuten oder länger beim Morgental im Wind, bevor man einsteigen und weiterkommen kann», fährt die Wollishoferin fort. Nicht nachvollziehbar sei für die ÖV-Nutzerin, dass die Linie 66 weiterhin bis zum Bahnhof Enge fahre, wo sie die Verspätung einfahre und wo man mit den Linien 7 und 72 durchaus Alternativen hätte. «Ins Neubühl gibt es keine Alternativen», hält die Dame fest.
Aus der Sicht der Kundin wäre es deutlich sinnvoller, die Linie vorübergehend auf die Strecke Morgental–Neubühl beziehungsweise Kilchberg zu verkürzen, diese jedoch mindestens im 10-Minuten- oder im 7½-Minuten-Takt anzubieten, und somit einigermassen pünktlich.
Kilchberger profitieren
Die Wollishoferin Ana Mazuranic sieht das Problem wiederum nicht in der Enge, sondern in Kilchberg. Sie vertritt die Meinung, dass die Massnahme die Kilchberger Pendlerinnen und Pendler gegenüber den Wollishofer Pendlerinnen und Pendlern bevorzugt. «Im Rahmen des Fahrplanwechsels im Dezember 2022 hat der ZVV die Linie 66 nach Kilchberg verlängert. Jetzt fahren die Busse zwischen Morgental und Neubühl nur noch viermal pro Stunde», sagt Mazuranic. Diese Entwicklung – Kilchberg profitiere, Wollishofen verliere – stosse auf Unverständnis.
Auf Nachfrage habe der ZVV mitgeteilt, dass die Linie nicht viel benutzt werde und nun effizienter sei. «Diese Aussage stimmt meiner und der Meinung vieler anderer Einwohner nach nicht», erklärt Mazuranic. In der Wohnsiedlung Neubühl würden sehr viele Menschen wohnen, die grosse Schule Neubühl befinde sich dort sowie mehrere Altersheime. Viele ältere Personen würden mit dem Bus 66 regelmässig einkaufen gehen. Sie würden sich beschweren über die langen Wartezeiten und die vollen Busse. Für das Schulpersonal und die Schüler sei der Schulweg umständlicher und komplizierter geworden.
Zu den langen Reisezeiten komme noch, dass zu Stosszeiten die Busse so voll seien, dass neulich ein Vater mit dem Kinderwagen auf der Haltestelle bleiben musste, weil es im Bus keinen Platz mehr hatte. «Während sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Kilchberg über die neue Linie und die Verbindungsmöglichkeiten freuen dürfen, bekommen die Wollishoferinnen und Wollishofer längere Wartezeiten und vollere Busse», sagt die verärgerte Kundin.
VBZ haben zu wenig Personal
Grund für die momentane Ausdünnung des Takts auf 15 Minuten zwischen Morgental und Neubühl ist der Personalmangel bei den Verkehrsbetrieben Zürich, kurz VBZ, unter anderem wegen krankheitsbedingter Ausfälle und des allgemeinen Fachkräftemangels. «Von 9. Januar bis voraussichtlich Frühling 2023 ist der Takt der Buslinie 66 zwischen Morgental und Neubühl von Montag bis Samstag tagsüber reduziert.» Dies steht auf Aushängen, die an den Bushaltestellen zwischen Morgental und Neubühl zu finden sind.
«Wir bedauern jede Einschränkung, die wir unseren Fahrgästen momentan aufgrund der angespannten Personalsituation zumuten müssen», schreiben die VBZ auf Anfrage dieser Zeitung. Reduktionsmassnahmen würden dort umgesetzt, wo die Fahrgäste möglichst wenig tangiert würden. «Die temporäre Einstellung der Verstärkerkurse auf der Linie 66 ist hierfür ein Beispiel.» Die Teilstrecke Morgental bis Neubühl sei gewählt worden, weil hier mehr Alternativen zur Verfügung ständen als in Kilchberg. Gemeint sind die Tramlinie 7 sowie die Buslinien 184/185. «Eine Reduktion auf einen 15-Minuten-Takt hat geringere Auswirkungen als eine Reduktion auf einen 30-Minuten-Takt in Kilchberg», so die VBZ. Auch eine Analyse der Fahrgastzahlen sei in den Entscheid eingeflossen.
«Die VBZ zielen nach wie vor darauf ab, die Angebotsreduktion im Frühling 2023 aufzuheben», teilen die VBZ weiter mit. Die Personal- und Absenzensituation werde dabei laufend beobachtet, um entsprechend mit der notwendigen Vorlaufzeit reagieren zu können. «Für die VBZ hat es Priorität, den Kundinnen und Kunden ein zuverlässiges Angebot zu präsentieren.»