Lorenz Steinmann
«Es ist immer etwa gleich viel Publikum bei Podien dabei», waren sich die beiden Regierungsratskandidatinnen Carmen Walker Späh (FDP, bisher) und Anne-Claude Hensch (AL) vergangene Woche einig. Walker Späh hielt heute Abend ab 18 Uhr und vor etwa 35 Leuten einen kleinen Vortrag als amtierende Regierungsrätin, Hensch nahm am Podium mit sieben weiteren Kantonsratskandidatinnen und Kandidaten (bisher und neu) in der Giesserei Oerlikon teil.
So viel vorweg: Dank Dominique Zygmont (FDP) entwickelten sich durchaus spannende Rededuelle. So ist es eigentlich schade, dass die gut 100-minütige Veranstaltung eine Premiere war im Stadtzürcher Wahlkampf. Nie kreuzten alle Regierungsratsanwärter gemeinsam die Klingen, ebenso nicht Kantonsratsvertreter aller Parteien. Dies ist umso bedauerlicher, als die amtierenden Regierungsräte sich nicht einmal beteiligen wollten an der Smartvote-Online-Umfrage.
Damit können sich Wählende informieren, wie Kandidierende zu diversen Politthemen stehen. Diese Haltung bezeichnen nicht wenige Politexperten als Verweigerung. Ob sie zur steigenden Politverdrossenheit beiträgt, ist offen. Löblich ist also, dass die Gewerbevereinigung «Wirtschaftsraum Zürich-Nord» unter Präsident Christian Huser den Anlass auf die Beine gestellt hat, inkl. Apéro riche am Ende.
Gejammer auf hohem Niveau
Und inhaltlich, was bleibt fürs Stimmvolk? Auffällig ist, dass SVP, FDP, Die Mitte und auch die EVP die kantonale Politik als durchaus gut beurteilen und für ein Weiterfahren wie bisher plädieren. «Liberale Politik» ist gut, ist man sich einig. «Auf die Frage, wie es Zürich gehe», fallen Stichwörter wie «hervorragend», «glänzend», «wenn, dann Gejammer auf hohem Niveau». Kantonsrat Beat Habegger (FDP) warnte aber davor, dass «wir behäbig werden. Vorsicht vor dem Mittelmass», so der Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Kantonsrates. Ins gleiche Horn blies Peter Schick, SVP-Kantonsrat. Man dürfe nicht stehen bleiben. Als grösste Herausforderung sieht er die «masslose Zuwanderung», wie er sagte.
Zudem will er – als Bauleiter – die Berufslehre stärken. «Spengler und Gipser verdienen einfach zu wenig», so der gelernte Maurer. Die Bürgerlichen auf dem Podium inkl. EVP (Ernst Danner) warnten davor, den Individualverkehr zu stark einzuschränken. Als lokales Beispiel wurde die Zufahrt zur Oerliker Metzgerei Ziegler per Auto genannt, die bald nicht mehr möglich sei.
Kritik am Sparkurs
Dezidiert anders sah die politische Verfassung Zürichs, zumindest des Kantons, die Vertretung von links-grün auf dem Podium. Monika Wicki, SP-Kantonsrätin und Quartiervereinspräsidentin von Oerlikon, kritisierte das Sparen der Kantonsregierung bei der Bildung. So würden zum Beispiel Kindergärtnerinnen zu wenig unterstützt. Julia Hofstetter erinnerte an die Wohnungsnot für Wenigverdienende und dass es mit dem überbordenden Autoverkehr nicht so weitergehen könne wie bisher.
AL-Kantonsrätin Anne-Claude Hensch wies auf das Rentenproblem für Frauen hin, wenn sie wegen der Kinder oder Teilzeit weniger in die zweite Säule einzahlen könnten. Zudem sollten Flüchtlinge arbeiten dürfen. «Das erschwert ihnen sonst den Eintritt in die Arbeitswelt.»
Monika Sanesi, als amtierende GLP-Kantonsrätin so etwas wie das Zünglein an der politischen Waage, wies auf viele aus der Zeit gefallenen Arbeitsvorschriften hin. So dürften 55-Jährige nicht mehr einfach ausrangiert werden, weil sie zu hohe Sozialleistungen verursachen. Sie sprach sich auch gegen eine Alterslimite bei Ausbildungen aus. Da hörte Regierungsrätin Carmen Walker Späh genauer hin. Sie wurde am Sonntag 65 Jahre alt.