Denn eigentlich hat der fünffache Familienvater schon im Frühjahr beabsichtigt, in die USA zu reisen, um die 1897 in Lancaster, Pennsylvania gegründete Zweigniederlassung der Firma Stehli & Co. in Augenschein zu nehmen. Da bei seiner Tochter aber die Maturaprüfung anstand, hat er seine Geschäftsreise kurzerhand auf den April verschoben. Nebst dem Besuch des Aussenstandorts, einer der zu jener Zeit grössten Seidenspinnerein der Welt, soll die 22-jährige Mädi darüber hinaus in New York ihren zukünftigen Ehemann Robert J. Schwarzenbach (damals 37, 1875–1929) kennenlernen, den Leiter der US-Niederlassung der Thalwiler Seidenproduktionsfirma Robert Schwarzenbach & Co., deren Teilhaber er seit 1899 ist.
Als Passagiere der 1. Klasse befindet sich die Familie Frölicher auf der Titanic in illustrer Gesellschaft. So etwa sind der Mitinhaber des New Yorker Kaufhauses Macy’s Isidor Straus (†67, 1845–1912) zusammen mit seiner Frau Ida (†63, 1849–1912) ebenso wie der US-Bergbaumogul Benjamin Guggenheim (†47, 1865–1912), dessen Familie ursprünglich aus der Schweiz stammt, mit an Bord. Nebst den Frölichers sind in Cherbourg unter anderem auch die US-Frauenrechtsaktivistin Margaret «Molly» Brown (damals 44, 1867–1932) und der in Genf geborene Tennisprofi Richard Norris Williams (damals 21, 1891–1968), der im Jahr zuvor die erste Schweizer Tennismeisterschaft gewonnen hatte, zugestiegen.
Anlässlich der Jungfernfahrt sind zudem Joseph Bruce Ismay (damals 49, 1862–1937), der Direktor der Titanic-Reederei White Star Line, und der Schiffskonstrukteur Thomas Andrews (†39, 1873–1912) mit an Bord. Für die Reichen und Einflussreichen ist die Passage an Bord der Titanic nicht zuletzt auch Prestigesache. Für die vielen Auswanderer an Bord hingegen bedeutet die Überfahrt in die USA vor allem die Chance auf ein besseres Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. So hofften auch einige Eidgenossen darauf, ihr Glück in der Ferne zu finden.
Das Schicksal der 27 Schweizer an Bord der Titanic wurde von zwei Autoren, dem Zürcher Titanic-Experten Günter Bäbler («Reise auf der Titanic», 1998) und dem Luzerner Stefan Ineichen («Endstation Eismeer», 2011), gründlich erforscht. Unter den 1309 Passagieren waren Schweizer aus allen sozialen Schichten – von der 1. bis zur 3. Klasse, vom Bankdirektor bis zum einfachen Arbeiter. Und auch die Crew mit ihren 899 Besatzungsmitgliedern zählte eine Handvoll Eidgenossen.
So etwa arbeitete in der Schiffsküche ein Walliser, der als stellvertretender Küchenchef für die 1. Klasse kochte. Im À-la-carte-Restaurant der 1. Klasse war ein Luzerner Patissier für das Speiseeis verantwortlich. Darüber hinaus waren auch Kellner aus Poschiavo, Brissago und dem Bleniotal in jenem Restaurant beschäftigt.
Zur Verköstigung der Passagiere während der sechstägigen Atlantik-Überfahrt hatte die Titanic unter anderem 40 Tonnen Kartoffeln, 37,5 Tonnen Fleisch und 5500 Kilo Fisch ebenso wie 63 Kisten Champagner, 20'000 Flaschen Bier und 1500 Flaschen Wein sowie 1100 Kilo Kaffee und 400 Kilo Tee geladen. Als royales Postschiff der britischen Krone transportierte die RMS Titanic auch Überseepost. So befanden sich im Laderaum auf insgesamt 3364 Säcke verteilt sieben Millionen Briefe. Darüber hinaus wurde mit einem Renault Type CB Coupé de Ville auch ein luxuriöses Auto verschifft.
Die Ausstattung der Titanic liess keine Wünsche offen. Während es für die männlichen Passagiere der 1. und 2. Klasse je einen Barbier-Salon gibt, luden die Gesellschaftsräume wie das mit Pflanzen berankte, einem französischen Strassencafé nachempfundene Café Parisien auf dem B-Deck und das lichtdurchflutete, mit Palmen bestückte Verandah Café, von wo aus man direkten Zugang zum Promenadendeck hatte, zum Verweilen ein. Um sich die Zeit an Bord zu vertreiben, gab es in der 1. Klasse zudem ein beheiztes Schwimmbad sowie ein türkisches Bad, einen Squashcourt und einen mit Heimtrainern und Rudergeräten ausgestatteten Fitnessraum. Die ersten drei Tage der Überfahrt verliefen ohne nennenswerte Zwischenfälle – bis zu jenem Sonntagabend des 14. April 1912.
Die letzten Stunden der Titanic
Während die Heizer unter Deck in Vier-Stunden-Schichten in den Kesselräumen Schwerstarbeit verrichten, diniert das Ehepaar Frölicher zusammen mit dem befreundeten Basler Max Staehelin-Maeglin (damals 32, 1880–1968), dem Direktor des Schweizerischen Bankvereins, und dessen Begleiter Alfons Simonius (damals 56, 1855–1920), dem Verwaltungsratspräsidenten des Bankvereins, an jenem Sonntagabend im Speisesaal der Titanic. Für das 10-Gang-Menü werden weder Mühe noch Kostengescheut. Es gibt unter anderem Austern, Filet Mignon, pochierten Lachs, Gänseleber und Lamm mit Minzsauce sowie einen Punch Romaine, einen zu jener Zeit beliebten Champagner-Cocktail.
Nach dem Dinner kehrt Gritli Frölicher zu ihrer Tochter zurück, die ihr Abendessen wegen ihrer Seekrankheit auf der Kabine zu sich genommen hat. Max Frölicher verweilt zusammen mit Staehelin-Maeglin und Simonius noch im Raucherraum der 1. Klasse, wo sich die drei Männer unterhalten und Skat spielen. Erst gegen 23.30 Uhr kehrt Frölicher in seine Kabine zurück. Kurz darauf geht das Ehepaar zu Bett, ihre Tochter schläft nebenan bereits.
Die Nacht ist sternenklar, die See spiegelglatt. Mit gut 22 Knoten durchpflügt die 269 Meter lange Titanic unter Volldampf den Nordatlantik. Obschon Kapitän Smith mit 40 Jahren auf See als erfahren gilt und die Tücken der Treibeisfelder und Eisberge im Nordatlantik kennt, drosselt er das Tempo des 46'000 PS starken Ozeandampfers in jener Nacht nicht, sondern lässt die Kessel im Maschinenraum unaufhaltsam weiter befeuern. Und das, obwohl an jenem Tag mehrere Eiswarnungen das Schiff erreicht haben. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Titanic-Funker derart mit dem Versand von Urlaubsgrüssen der Passagiere beschäftigt waren, dass nicht alle Nachrichten die Brücke erreichten. Fatal, wie sich zeigen sollte.
Zwei Drittel der Strecke auf dem Weg nach New York hat die Titanic bereits zurückgelegt, als Ausguck Frederick Fleet (24, 1887–1965) um 23.39 Uhr im Krähennest keine zwei Schiffslängen entfernt die Silhouette eines Eisbergs erspäht. Sofort schlägt er Alarm: «Eisberg direkt voraus!» Auf der Brücke gibt der diensthabende Erste Offizier William M. Murdoch (†39) umgehend den Befehl «Ruder hart Steuerbord». Doch zu spät. Trotz des sofort eingeleiteten Ausweichmanövers rammt die Titanic um 23.40 Uhr Schiffszeit den Eisberg.
Durch den Zusammenstoss wird Mädi jäh aus dem Schlaf gerissen. «Ist das nicht komisch? Wir sind gelandet», sollen ihre ersten Gedanken gewesen sein. Inder Kabine ihrer Eltern nebenan ist ihr Vater derweil ausser sich, da er durch den heftigen Ruck infolge der Kollision aus dem Bett gefallen ist. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Auf der Suche nach dem Grund für die unsanfte nächtliche Störung geht Frölicher, begleitet von seiner Tochter, an Deck, wo sie – wie auch zahlreiche andere Passagiere, die es ihnen gleich tun – den riesigen Eisberg erblicken. Noch ahnt niemand etwas von der sich anbahnenden Tragödie. Doch das Schicksal der Titanic ist besiegelt. Das als unsinkbar geltende Schiff ist dem Untergang geweiht.
Zu wenige Rettungsboote an Bord
Der Eisberg hat den Schiffsrumpf schwer beschädigt. Entlang des Steuerbordbugs, rund sieben Meter unter der Meeresoberfläche, klafft ein etwa 90 Meter langes Leck. Die Sicherheitsschotten werden heruntergelassen. Das Wasser aber dringt weiter in den Rumpf ein. Um 23.58 Uhr wird der erste Notruf abgesetzt. Kurz darauf gibt Kapitän Smith den Befehl zum Klarmachen der Rettungsboote. Brisant: Für den Tag des Unglücks war ursprünglich eine Rettungsübung angesetzt. Doch der Kapitän hatte sie kurzerhand abgesagt. «Obschon es seitens der Reederei Regeln gab, lag die Durchführung des sogenannten Boat Drills im Ermessen des Kapitäns, der die Übung an Sonntagen wohl regelmässig ausfallen liess», sagt der Titanic-Historiker Günter Bäbler, Präsident des Schweizer Titanic-Vereins, auf Anfrage von Lokalinfo.
Eine Bootsübung auf See war damals eher theoretischer Natur. «Weder wurden Boote beladen noch zu Wasser gelassen, auch waren anders als heute in die Übung keine Passagiere involviert», erklärt Bäbler. Die letzte derartige Übung hatte knapp fünf Tage zuvor am Tag des Auslaufens aus Southampton stattgefunden. Der Titanic-Experte ist überzeugt: «Auch eine Auffrischung der Bootsübung kurz vor dem Unglück hätte wohl nicht mehr Überlebende bedeutet.»
Die Zeit drängt. Die Titanic ist für eine derartige Katastrophe nicht gewappnet. Denn würden auch sämtliche der 20 vorhandenen Rettungsboote bis auf den letzten Platz gefüllt, so hätten sie dennoch nur Platz für 1178 der insgesamt 2208 Personen an Bord geboten. Im 1955 erschienenen Buch «A Night to Remember» von Walter Lord zeichnet der US-amerikanische Sachbuchautor die Ereignisse jener Nacht nach. Seine Schilderungen beruhen dabei auf den Befragungen von 63 Überlebenden der Titanic-Katastrophe und sind darüber hinaus auf Bücher und Memoiren von Überlebenden sowie Artikel, die im Nachgang der Katastrophe erschienen sind, gestützt.
Immer mehr Menschen drängen sich auf dem Promenadendeck, dort, wo sich die Rettungsboote befinden – unter ihnen auch die Frölichers. Sie gehen zur Steuerbordseite, wo schon die ersten Passagiere die Rettungsboote besteigen. Viele aber zögern noch. Denn kaum jemand glaubt zu diesem Zeitpunkt daran, dass der Ozeandampfer tatsächlich sinken wird. Und so sind im Rettungsboot Nr. 7, das um 0.45 Uhr, eine gute Stunde nach der Kollision mit dem Eisberg, als Erstes zu Wasser gelassen wird, gerade mal 25 der 65 Plätze besetzt – 40 bleiben frei.
Auf Geheiss des Ersten Offiziers Murdoch springt nebenan der Dritte Offizier Herbert John Pitman (34, 1877–1961) ins Rettungsboot Nr. 5. «Kommen Sie, meine Damen!», ruft er und fordert die Passagierinnen auf, es ihm gleichzutun und das sinkende Schiff zu verlassen. Getreu dem Schifffahrtskodex «Frauen und Kinder zuerst» leisten gut ein Dutzend Frauen seiner Aufforderung Folge – unter ihnen auch Mädi Frölicher und ihre Mutter. Als keine der anwesenden Frauen mehralleine das Rettungsboot besteigen will, wird es auch ganzen Familien, Paaren und allein reisenden Männern gestattet, an Bord des Rettungsboots Nr. 5 zu gehen. So gelingt es letztlich auch Max Frölicher, sich Frau und Kind anzuschliessen.
Obwohl das Boot nur zu zwei Dritteln besetzt ist und noch Platz für gut zwei Dutzend weitere Personen gehabt hätte, wird das Rettungsboot um 0.55 Uhr gefiert. Um eine drohende Panik an Bord abzuwenden, haben die acht Musiker des Titanic-Orchesters, bestehend aus einem Quintett und einem Trio, einem heroischen Akt gleich, derweil zu ihren Instrumenten gegriffen.
Vom letzten Lied der Bordkapelle
Es ist 2.05 Uhr als Kapitän Smith die beiden diensthabenden Titanic-Funker Jack Phillips (†25) und Harold Bride (damals 22, 1890–1956) von ihren Pflichten entbindet. 70 Minuten nachdem die Familie Frölicher von Bord gegangen war, wird schliesslich das letzte Rettungsboot gefiert. Mittlerweile hat sich der Schiffsbug so weit gesenkt, dass das Meerwasser die Kommandobrücke erreicht hat, wo der Kapitän, getreu dem Ehrenkodex der Schifffahrt, bis zum Schluss die Stellung hält.
Zeitgleich stimmt das Titanic-Orchester – allen voran der Bordkapellmeister und Violinist Wallace Hartley (†33) – sein letztes Lied an. Der Legende nach soll es sich dabei um den Choral «Nearer My God to Thee» («Näher, mein Gott, zu Dir») gehandelt haben. Überlebende der Titanic-Katastrophe wollen die Musik durch das Maschinengetöse und die Schreie der im eiskalten Wasser ums Überleben Kämpfenden gehört haben.
Der vermeintlich letzte Funkspruch, der um 2.17 Uhr von Titanic-Funker Phillips abgesetzt wurde, wird nur noch verzerrt übermittelt und endet dann abrupt. Eine Minute später gehen auf der Titanic die Lichter aus. Während der Bug mit Wasser gefüllt ist, ragt das Heck mit seinen drei Schiffsschrauben fast senkrecht in die Luft. Kurz darauf bricht das Schiff unter der Last auseinander. Binnen Sekunden geht der Bug unter, wenig später dann auch das Heck. Die Überlebenden auf dem Rettungsboot Nr. 5 müssen dabei zusehen, wie die Titanic in den Tiefen des Ozeans für immer verschwindet.
«Es ist 2.20 Uhr», verkündet Steuermann Pitman mit Blick auf seine Uhr und hält damit den genauen Zeitpunkt des Untergangs der Titanic, 2 Stunden und 40 Minuten nach der Kollision mit dem Eisberg, fest. Sogleich will Pitman zurückrudern, um nach im Wasser treibenden Überlebenden zu suchen. Sein Vorhaben stösst jedoch auf Widerstand. Zu gross ist die Angst, dass das Boot kentern könnte. Auch auf den anderen Rettungsbooten, die im Umkreis von fünf Meilen auf dem Meer treiben, spielen sich ähnliche Szenen ab.
Trotz Hunderter freier Plätze in den Rettungsbooten werden nur wenige Überlebende aus dem minus 2 Grad kalten Wasser gerettet. «Die Schreie von den Hunderten Ertrinkenden waren herzzerreissend», schildert Pitman später die Ereignisse. Gegen 3 Uhr verstummen die letzten Hilfeschreie. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sterben in jener Nacht viele an Unterkühlung.
Um 4.10 Uhr erreicht das britische Handelsschiff RMS Carpathia schliesslich die Unglücksstelle und nimmt die Überlebenden, welche die vergangenen Stunden in den Rettungsbooten ausgeharrt hatten, auf. Kaum an Bord, verfasst Max Frölicher umgehend ein Telegramm an seine Schwiegereltern inZürich, um sie darüber zu informieren, dass alle drei in Sicherheit sind. Weil die Funker der RMS Carpathia aber heillos überlastet sind, wird die Nachricht von der Rettung der Familie Frölicher erst kurz vor ihrer Ankunft in New York übermittelt.
Schiffsunglück hält die Welt in Atem
Insgesamt 1496 Menschen verloren beim Untergang der Titanic ihr Leben. Unter den Toten waren auch 15 Schweizer – acht von ihnen Besatzungsmitglieder. Während von den Schweizer Passagieren der 1. Klasse nur einer starb, verloren in der 3. Klasse sechs der neun Schweizer ihr Leben. Die Tragödie sorgte auf beiden Seiten des Atlantiks für Bestürzung – auch in der Schweiz.
So titelte die NZZ in ihrer Ausgabe vom 16. April 1912 auf ihrer Zeitungsfront: «Untergang des grössten Dampfers der Welt. Angeblich über 1500 Personen ertrunken.» Dazu druckte die Zeitung die im Zusammenhang mit dem Titanic-Untergang erhaltenen Depeschen seit Bekanntwerden des Unglücks ab: Von den Funk-Hilferufen der Titanic, der geschätzten Zahl der Opfer des Schiffsunglücks bis hin zur Meldung über die Rettung von Überlebenden. Indes trafen in der Villa Riesmatt Dutzende Telegramme und Briefe ein, von Glückwünschen bis Trauerbekundungen jener, welche die Frölichers als vermisst glaubten.
Traumatisiert und erschöpft treffen die 712 Überlebenden der Titanic-Katastrophe am Abend des 18. April 1912 in New York ein. Trotz strömenden Regens stehen Tausende Schaulustige entlang des Hudson River, als die Carpathia an jenem Donnerstagabend in den Hafen von New York einläuft und am Pier 54 anlegt. Von Gritlis Bruder Emil und ihrem Sohn Max bereits sehnsüchtig erwartet, wird die Familie Frölicher in Empfang genommen. Im Hotel Majestic an der Upper West Side von Manhattan bezieht die Familie ihr vorläufiges Quartier, bevor Gritli und ihre Tochter für die restliche Zeit ihres Aufenthalts bei Emil unterkommen.
Derweil hat sich Gritlis Bruder zusammen mit ihrem Mann Max schon auf Geschäftsreise begeben. Obschon die Frölichers das Schiffsunglück wohlbehalten überlebt haben, wird Mädi noch lange Zeit von Albträumen geplagt. Während sie in den USA bleibt, kehren ihre Eltern Ende Mai 1912 an Bord des Passagierschiffs Kronprinz Wilhelm nach Europa zurück. Aus Dankbarkeit für ihre Rettung erhalten die Angestellten der Stehli-Fabriken zum Jahreswechsel 1912/1913 von der Familie Frölicher eine Gratifikation über 20 Franken.
Vom Leben nach der Katastrophe
Ein Dreivierteljahr nach dem Untergang der Titanic heiratet Mädi Frölicher in ihrer neuen Heimat den Textilindustriellen und späteren Schweizer Generalkonsul in New York, Robert J. Schwarzenbach. Zusammen bekommen sie drei Kinder. Ihren Grossvater Max Frölicher lernen sie allerdings nicht mehr kennen, denn er stirbt bereits im November 1913 an den Folgen eines Herzinfarkts.
Gut 15 Jahre nach dem Tod ihres Vaters verliert Mädi 1929 überraschend ihren Mann. 1931 zieht die alleinerziehende Mutter sodann von New York nach Connecticut, bevor sie schliesslich in ihre alte Heimat nach Zürich zurückkehrt, wo sie 1972 im Alter von 82 Jahren stirbt. Ihre Mutter Gritli war bereits im Jahr 1955 gestorben. Nach ihrem Tod fand sie im Familiengrab auf dem Stadtzürcher Friedhof Enzenbühl schliesslich an der Seite ihres Ehemanns Max ihre letzte Ruhe.
Über zwei Generationen hinweg war der genaue Verbleib der Titanic ungewiss, bis Unterwasserarchäologe Robert D. Ballard und Ozeanograf Jean-Louis Michel in den frühen Morgenstunden des 1. September 1985 die Titanic auf dem Grund des Atlantiks in einer Tiefe von 3800 Metern, rund 370 Seemeilen südöstlich von Neufundland entfernt, wiederentdeckten. Unzählige Dokumentationen wurden dem während mehr als 70 Jahren verschollen geglaubten Passagierschiff seither gewidmet und immer neue Expeditionen zum Grund des Ozeans unternommen, wo sich das Trümmerfeld der Titanic über einen Bereich von fast 40 Quadratkilometern erstreckt, was flächenmässig knapp der Hälfte der Stadt Zürich entspricht.
Bei ihrer Entdeckung einst in bemerkenswert gutem Zustand, zeigen aktuelle Aufnahmen des Schiffswracks den unaufhaltsam fortschreitenden Zerfall der Titanic. Das Promenadendeck am Heck, wo sich die Passagiere beim Untergang drängten, ist längst in sich zusammengestürzt, ebenso wie der 30 Meter hohe Mast mit dem Krähennest, von wo aus der Ausguck den Eisberg, welcher der Titanic zum Verhängnis wurde, erspähte.
Damit sich ein Schicksal, wie es die Titanic am 15. April 1912 ereilte, nicht wiederholt, wurde bereits 1914 die International Ice Patrol ins Leben gerufen. Von der United States Coast Guard betrieben, ist sie seither für die Überwachung der Eisberge im Nordatlantik verantwortlich. Bis heute markiert das Schiffsunglück von 1912 eines der tragischsten Kapitel der modernen Seefahrtsgeschichte und hält so den Mythos, der die Titanic umgibt, auch 111 Jahre nach ihrem Untergang am Leben.