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Stadt Zürich
29.04.2023
18.07.2023 08:31 Uhr

Von den Anfängen der Universität Zürich und ihren ersten beiden Medizinstudentinnen

Die Russin Nadeschda Suslowa (1843–1918) und die Schweizerin Marie Heim-Vögtlin (1845–1916) waren die ersten beiden Frauen, die an der Universität Zürich Medizin studierten.
Die Russin Nadeschda Suslowa (1843–1918) und die Schweizerin Marie Heim-Vögtlin (1845–1916) waren die ersten beiden Frauen, die an der Universität Zürich Medizin studierten. Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / gemeinfrei
ZEITREISE – 190 Jahre ist es her, dass in Zürich die Universitas Turicensis gegründet wurde. Gut ein Vierteljahrhundert später wurden dort erstmals auch Frauen zum Studium zugelassen. Das Erbe der ersten Schweizer Studentin, der Frauenärztin Marie Heim-Vögtlin, hat bis heute Bestand.

Dominique Rais

Mit über 28'000 Studenten und Studentinnen an 150 Instituten und sieben Fakultäten ist die Universität Zürich (UZH) heute die grösste der insgesamt zwölf Universitäten in der Schweiz. Der Grundstein für die UZH wurde vor 190 Jahren gelegt, als die bestehenden höheren Schulen für Theologie, Juris­prudenz und Medizin mit der damals neu gegründeten Philosophischen Fakultät zur Universitas Turicensis zusammengeschlossen wurden. Als ihr erster Rektor nahm Lorenz Oken anlässlich der offiziellen Eröffnungsfeier der Universität am 29. April 1833 die Stiftungs­urkunde entgegen.

Für das Sommersemester 1833 hatten sich damals 98 Mediziner, 26 Juristen, 21 Philosophen und 16 Theologen imma­trikuliert. Die insgesamt 161 Studenten wurden von 55 Dozenten – 26 Professoren und 29 Privatdozenten – betreut.

Pionierin des Frauenstudiums

Anders als andere Universitäten wurde die Universitas Turicensis nicht etwa von der Kirche oder einem Landesfürsten, sondern von einem demokratischen Staatswesen gegründet. Der zur Gründung der Universität im Jahr 1832 erfolgte Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich machte sie zur ersten «unabhängigen» und damit auch liberalsten Universität in ganz Europa.

  • Nadeschda Suslowa (1843–1918) war die erste Frau, die an der Universität Zürich studierte. Bild: gemeinfrei
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  • Am früheren Fröschengraben, wo heute die Bahnhofstrasse verläuft, befanden sich im «Hinteramt» einst die Räumlichkeiten der Universität Zürich, bevor diese 1864 ins Polytechnikum umzog. Bild: gemeinfrei
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  • Marie Heim-Vögtlin (1845–1916) liess sich als erste Schweizerin zur Ärztin ausbilden. Bild: gemeinfrei
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Bis heute hat die UZH insgesamt zwölf Nobelpreisträger – darunter Albert Einstein und Erwin Schrödinger – hervorgebracht. Während es zu Beginn ausschliesslich männlichen Studenten vorbehalten war, die Vorlesungen an der Universitas Turicensis zu besuchen, war es ab 1840 erstmals auch Frauen gestattet, als Gasthörerinnen an den Vorlesungen der Philosophischen Fakultät teilzunehmen. Damit nahm die Universität in Zürich eine Pionierrolle in Sachen Frauenstudium ein.

Doch es sollte noch über ein Vierteljahrhundert dauern, bis 1867 mit der Russin Nadeschda Suslowa (1843–1918), die bereits seit 1865 als Gasthörerin die Medizinischen Fakultät besuchte, offiziell als erste Studentin an der UniversitätZürich zugelassen wurde. «Ich bin die Erste, aber nicht die Letzte. Nach mir werden Tausende kommen», schrieb Suslowa, deren Antrag für die Doktor­prüfung im Jahr 1867 bewilligt wurde, in einem Brief an ihre Familie. Sie sollte recht behalten. Als erste Studentin der Schweiz gilt sie bis heute als Wegbereiterin des Frauen­studiums.

Das Erbe von Zürichs erster Ärztin

Nur zwei Jahre nach Suslowas erfolg­reicher Promotion zur ersten akademisch ausgebildeten Ärztin der UZH tat es ihr Marie Heim-Vögtlin (1845–1916), die Cousine von Suslowas Mann Friedrich Erismann, gleich.

Im Alter von 23 Jahren und mit der Einwilligung ihres Vaters nahm die Pfarrerstochter im Jahr 1869 als erste Schweizer Studentin ihr Medizinstudium an der Züricher Universität auf. Nachdem Heim-Vögtlin 1874 ihre Doktorprüfung erfolgreich bestanden hatte, eröffnete die auf Gynäkologie spezialisierte Ärztin in Zürich-Hottingen schliesslich ihre eigene Praxis. Sie genoss einen derart guten Ruf, dass schon bald auch Patientinnen von ausserhalb die Ärztin konsultierten.

Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1899 eröffnete Heim-Vögtlin zusammen mit der Ärztin Anna Heer und der Kranken­pflegerin Ida Schneider 1901 das erste Schweizer Frauenspital mit daran angeschlossener Pflegerinnenschule, gemeinhin «Pflegi» genannt.

Die bis 1997 unabhängige Institution am Zürichberg fusionierte 1998 mit der Stiftung Diakonie­werk Neumünster am Zollikerberg. Die dreifache Mutter und Ärztin Heim-Vögtlin war zeitlebens berufstätig, bis sie 1916, mit 71 Jahren, an den Folgen einer Lungentuberkulose starb.

Zeitreise: eine historische Serie

Die historische Serie «Zeitreise» taucht ein in Zürichs Vergangenheit und greift die Geschichten von Menschen und geschichtsträchtigen Ereignissen längst vergangener Tage auf.

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Dominique Rais