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Renditerausch versus Grundrecht

Michael Schmid, Gemeinderat AL, Wahlkreis 1 und 2
Michael Schmid, Gemeinderat AL, Wahlkreis 1 und 2 Bild: zvg
Letztlich sind es Tropfen auf den heissen Beton der Zürcher Mietpreise.

Michael Schmid

Der bezahlbare Wohnraum verschwindet aus der Stadt. Die Bewohnenden müssen ihre Wohnungen und ihre während Jahrzehnten gewachsenen nachbarschaftlichen Netze aufgeben. Normalverdienende, die die Stadt am Laufen halten, etwa Krankenpfleger, Polizistinnen oder Sozialarbeiter, können es sich nicht leisten, in der Stadt zu wohnen, für die sie arbeiten. Dies, damit die Eigentümer mit einer Totalsanierung oder einem Neubau noch mehr Rendite herauspressen können.

Dabei wohnen in einem Ersatzneubau normalerweise nicht wesentlich mehr Personen – sie leben vor allem auf grösserer Fläche. Aus demselben Grund trägt auch die Zuwanderung wenig Schuld an der Wohnungskrise – heute wohnen gleich viele Menschen in Zürich wie in den 1960er-Jahren.

Und auch das Argument der Immobilienlobby, man müsse bloss deregulieren, damit mehr Wohnungen erstellt und die Mieten sinken würden, läuft ins Leere. In Zürich entstehen auf dem freien Markt hauptsächlich grosszügige, teure Wohnungen für Topverdienende und Vermögende, die nicht selten sogar nur als Zweitwohnsitz genutzt werden. Und immer wieder wird Wohn- in Hotelraum umgewandelt und als «Business-Apartment» oder Ferienwohnung angeboten. Die Umsetzung der AL-Motion aus dem Jahr 2009, die fordert, dass diese nicht dem Mindestwohnanteil nach Zonenplan zugerechnet werden dürfen, wurde erst jahrelang vom Stadtrat und nun durch Rekursverfahren verzögert.

Die momentan diskutierten Lösungsansätze, die dem gemeinnützigem Wohnungsbau verpflichteten Organisationen mittels Abschreibungsbeiträgen zu unterstützen (Wohnraumfonds), ein staatliches Vorkaufsrecht einzuführen oder beim Arealbonus gemeinnützige Wohnungen einzufordern, sind unterstützenswerte Vorhaben, ebenso die Petition, dass die Immobilien der Credit Suisse vergemeinschaftet werden sollen. Doch letztlich sind sie Tropfen auf den heissen Beton der Zürcher Mietpreise.

Die Mietpreise werden hauptsächlich durch die explodierenden Grundstückspreise angeheizt, ­welche in den kommenden Jahren noch viel weitgehender auf die Mieten durchschlagen werden. Die grosse Mietzinsexplosion steht uns also erst noch bevor. Neben Immobilienkonzernen sind es inzwischen auch Pensionskassen, die aufgrund der kapitalistischen Zwänge Rentnerinnen nach Jahrzehnten aus ihren Wohnungen vertreiben, um ihre Renditevorgaben einzulösen. Hier zeigt sich die Dysfunktionalität unseres auf Wirtschaftswachstum angewiesenen Altersvorsorgesystems auf besonders perfide Weise. Dass die beschränkte natürliche Ressource Boden überhaupt im Privateigentum sein darf, ist nebst dem kapitalistischen Wachstumszwang der Hauptgrund für die sich wiederholenden Wohnkrisen. Wie wäre es, wenn der Boden der Allgemeinheit gehörte, welche ihn in demokratischen Entscheidungsprozessen Privaten für 40 bis 80 Jahre zum Gebrauch leiht?

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Michael Schmid