Gesa Schneider, nach zehn Jahren hört Ihre Leitung des Literaturhauses auf. Wie schwer fällt es Ihnen, dieses geschichtsträchtige Gebäude am Limmatquai (Sitz der Museumsgesellschaft seit 1834) zu verlassen?
Natürlich fällt es mir nicht leicht, das waren wunderbare 10 Jahre voller grossartiger Begegnungen, mit Autorinnen, Moderatoren, Schauspielerinnen. Aber auch den Austausch mit dem Publikum werde ich vermissen. Und das Team natürlich! Ausserdem ist die Mischung aus Veranstaltungen am Abend und dem Betrieb im Haus tagsüber im Lesesaal etwas ganz Besonderes. Auf der anderen Seite freue ich mich auf neue Entdeckungen und ein Leben, an dem ich abends ins Theater gehen kann oder einfach mit Freunden essen.
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Literaturhauschefin?
Für mich war das tollste die «Literaturapotheke», 2020. Wie wir aus dem Nichts nach dem ersten Lockdown innerhalb kürzester Zeit einen Ort für Experimente schaffen konnten und gemerkt haben: Die Menschen brauchen Literatur, Kultur, und den damit verbundenen Austausch. Und der Abend mit dem Nobelpreisträger J. M. Coetzee bleibt für mich unvergesslich in seiner Intensität.
Und welches war der unmöglichste Abend?
Es waren ja über 1300 Abende, die meisten anregend, unterhaltsam, so dass man hinterher häufig das Gefühl hatte, über das Leben neu nachdenken zu können. Am Uneimlichsten waren die Abende während des zweiten Lockdowns im Winter und Frühling 2021, wir hatten die Autorinnen und die Autoren auf der Bühne, der Abend wurde gestreamt, der Saal war leer. Wir waren froh, diese Abende anbieten zu können, dennoch war allen bewusst, wie eigenartig das war, aus einem Literaturhaus auf einmal zu einem Literaturstudio zu werden.
Was werden Sie am Quartierleben vermissen?
Ganz viel! Den Kaffee und die Gipfeli morgens im «Saftladen» oder im Café Grande zu holen, das Mittagessen im «Schlauch», abends sind wir mit den Autorinnen und Autoren immer ins Santa Lucia Niederdorf gegangen, überhaupt dieses Zusammensein aus Menschen aus dem Quartier und Touristen gefällt mir sehr.
Was bleibt Ihnen in Erinnerung an lokaler Literatur, die im Literaturhaus stattgefunden hat?
Wir haben viele Abende mit Zürcher Autorinnen im Programm, in besonderer Erinnerung bleibt mir der Abend mit der kürzlich verstorbenen Ruth Schweikert, wo sie aus ihrem letzten Buch gelesen hat. Die Literaturwelt wird sie schmerzlich vermissen.
Das Hotel/ Restaurant Kindli hängte sein Engagement fürs Literaturhaus (Essen und Übernachtungen für die Künstlerinnen und Künstler) nie an die grosse Glocke. Werden Sie den Kontakt zu dorthin aufrecht erhalten?
Auf jeden Fall. Das Kindli und das Engagement von Gisela Lacher sind unendlich wichtig für uns, die Autorinnen schwärmen immer von ihrer Zeit dort!
Wissen Sie schon, was Sie nun anpacken? Ein Job bei SRF - der ehemaligen Arbeitgeberin Ihrer Nachfolgerin Nicola Steiner - wird es wohl nicht sein, oder?
Ich mache erst einmal eine kleine Pause. Nach einer so intensiven Zeit werde ich die Gelegenheit ergreifen, neue Ideen zu sammeln und neue Projekte auszuhecken. Darauf freue ich mich schon sehr.