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Züriberg
28.06.2023
28.06.2023 13:26 Uhr

Sie organisieren einen Abend zum Verlieben

Stefanie Porš (l.) und Diana Trinkner: «Wir suchen noch Single-Männer, die Mut haben und spontan zum Dating in der Kirchenbank kommen.»
Stefanie Porš (l.) und Diana Trinkner: «Wir suchen noch Single-Männer, die Mut haben und spontan zum Dating in der Kirchenbank kommen.» Bild: zvg.
Ausgerechnet in einer Kirche wollen die Pfarrerinnen Stefanie Porš und Diana Trinkner Singles zusammenbringen. Doch die hohe Anzahl Anmeldungen scheint ihnen Recht zu geben. Es gibt sie also noch, die Menschen, die sich nicht auf Onlineportale wie Tinder verlassen wollen.

Am Sonntag, 2. Juli, öffnen die Pfarrerinnen Stefanie Porš und Diana Trinkner die Türen der Kreuzkirche zu einem Speeddating-Anlass. Damit bieten sie Singles eine unkonventionelle Möglichkeit, Gleichgesinnte kennen zu lernen. Eingeladen sind Menschen von 20 bis 65 Jahren. Speeddating in einer Kirche, darauf muss man auch erst mal kommen. Die beiden Pfarrerinnen hatten verschiedene Gründe dazu.
Diana Trinkner hat in ihrer ehemaligen Kirchgemeinde Stäfa schon mal erfolgreich Speeddatings organisiert. Das Echo war enorm gross. Der Ursprung der Idee war die Erkenntnis, dass immer weniger Menschen kirchlich heiraten. Dieser Entwicklung wollten sie und ihre Pfarrkollegin entgegensteuern.
Stefanie Porš war am Anfang im Pfarramt Single und vermisste eine kirchliche Single-Börse in der landeskirchlichen Offenheit. Sie dachte sich schon damals: Menschen, die sich nach Beziehung sehnen, können der Kirche doch nicht egal sein. Sie erfuhr von der Idee des Datings in der Kirchenbank in Stäfa und wusste, dass sie dies auch einmal in Zürich durchführen wollte.
Diana Trinkner wurde im letzten Sommer Pfarrerin in der Kirchgemeinde Zürich. Die beiden Pfarrerinnen taten sich zusammen. Zuerst wäre eine Party für Singles und Paare in einer Kirche geplant gewesen. Diese kam leider nicht zustande. Somit starten die beiden nun mit dem Dating in der Kirchenbank. Ein nächster Anlass könnte beispielsweise ein Guetzle im Advent sein.

Stefanie Porš und Diana Trinkner, Sie nehmen mit dem geplanten Event spürbar neue Zielgruppen ins Visier.
Zentral für die Idee ist unsere Wahrnehmung, dass wir als Kirchgemeinde Mitglieder insbesondere dann persönlich anschreiben, wenn sie Kinder haben, ­Jugendliche sind oder wenn sie ins Pensionsalter kommen. Nie aber als Menschen, die allein sind und sich nach Beziehung wie Gemeinschaft sehnen. Das wollten wir ändern und schrieben deshalb explizit «potenzielle Singles» an. In der Kirchgemeinde Zürich wären das rund 30 000 Adressaten im Alter von 20 bis 65 Jahren gewesen, also eine grosse Anzahl. Wir wählten dann diejenigen Kirchenkreise aus, in denen wir als Pfarrerinnen arbeiten.
Beschränkt sich das Angebot auf Reformierte oder wer kann teilnehmen?
Das Dating in der Kirchenbank richtet sich an alle Singles zwischen 20 und 65, die Liebe und Gemeinschaft suchen. Die Zugehörigkeit zur Reformierten Kirche ist keine Bedingung für die Teilnahme.
Haben Sie selber (wann auch immer) auch schon an so was teilgenommen?
Stefanie Porš: Für mich ist das Thema Glaube ein wichtiger Bestandteil einer Paarbeziehung. Die Reformierte Kirche hat das Daten den Freikirchen über­lassen. Einen Anlass wie das Dating in der Kirchenbank habe ich als junge Pfarrerin und damals Single vermisst. Will man heute jemanden kennen lernen, ist man oft auf kostspielige Online-Single-Börsen angewiesen, die einen nach Körpergrösse, Haarfarbe und Gehalt einteilen. Wäre ich heute Single, würde ich sofort an einem kirchlichen Speeddating teilnehmen.
Wie genau haben Sie die 6000 Adressen der Singles in Ihrer Kirchgemeinde selektioniert?
Diana Trinkner arbeitet als Pfarrerin im Kirchenkreis zehn, Stefanie Porš als Pfarrerin im Kirchenkreis sieben und acht. Wir haben alle potenziellen Singles in diesen beiden Kirchenkreisen angeschrieben. Unsere Mitgliederdatei sagt nichts über den Beziehungsstatus aus. Daher haben wir alle Leute in diesen beiden Kirchenkreisen zwischen 20 und 65 angeschrieben, die in der Mitglieder­datei nicht mit Zivilstand «verheiratet» oder «eingetragene Partnerschaft» versehen waren. Dabei war uns bewusst, dass wir auch Leute anschrieben, die sich in einer festen Beziehung befanden. Darauf sind wir im ersten Abschnitt im Brief eingegangen. Darin heisst es: «Ja, Sie haben richtig gelesen: Wir wollen Sie zu einem Dating in der Kirchenbank einladen! Es sei denn, Sie sind bereits in einer Beziehung oder glücklich und zufrieden mit Ihrem Single-Dasein, dann freut uns das sehr und Sie dürfen diesen Brief getrost ins Altpapier werfen.»
Wie viele Anmeldungen haben Sie schon?
Am Dienstag waren es 112 Anmeldungen. Die Jüngste ist 23 und der Jüngste 25 Jahre alt. Es haben sich Singles in jedem Alter angemeldet. Die Frauen waren mutiger und bilden die Mehrheit. Wir brauchen noch mutige Single-Männer, die sich zum Dating in der Kirchenbank anmelden.
Zumindest früher war die Kirchgemeinde ein wichtiger Heiratsmarkt. Wie sehen Sie die Lage heute?
Die Kirchgemeinde ist heute kein Heiratsmarkt mehr und spielt in der Partnersuche keine Rolle. In Zürich wollen auch nicht alle Menschen in einer Beziehung heiraten, sondern manche leben im Konkubinat. Dass kaum junge Erwachsene innerhalb der Kirche zueinander finden, hat auch damit zu tun, dass sie seltener an Veranstaltungen der Reformierten Kirche teilnehmen.
Das 6. Gebot lautet «Du sollst nicht ehebrechen». Ist der Dating-Abend diesbezüglich nicht ein bisschen heikel?
Wir wenden uns explizit an Singles. Also an Menschen, die nicht in einer festen Beziehung leben. Wir wollen bestimmt nicht zum Fremdgehen animieren. Darum haben wir im Brief an die Kirch­gemeindemitglieder geschrieben, dass Leute in einer Beziehung oder solche, die mit ihrem Single-Dasein zufrieden sind, den Brief ins Altpapier werfen können.
Hand aufs Herz: Heute datet man doch online auf Tinder etc. Glauben Sie trotzdem an den Erfolg?
Warum sollte es nicht gerade auch in der Kirche möglich sein, sich zu verlieben oder einen interessanten Menschen kennen zu lernen? Der Vorteil ist bestimmt, dass man die Leute vor sich hat und direkt spürt, ob die Chemie stimmt. Auch richten wir den Fokus nicht auf Äus­serlichkeiten, sondern auf echte Begegnung. Uns geht es nicht hauptsächlich darum, Menschen zu verkuppeln. Wir wollen Singles als Menschen wahrnehmen, die sich nach Beziehung und Gemeinschaft sehnen. Entstehen beim ­Dating in der Kirchenbank neue Bekanntschaften oder Freundschaften, ist das genauso ein Erfolg wie das Entstehen einer Paarbeziehung. Sollte sich nichts davon ereignen, war es am Ende zumindest ein reizvoller Abend in angenehmer, schöner Atmosphäre mit interessanten Begegnungen. Wer teilnimmt, kann nur gewinnen.
Haben Sie sonst noch ein Anliegen?
Wir suchen noch Single-Männer, die Mut haben und spontan zum Dating in der Kirchenbank kommen. Und etwas Zweites noch: Es haben uns auch Singles über 65 Jahre gefragt, ob sie teilnehmen können. Das ist sicher möglich, auch wenn es weniger Leute in diesem Alter sein werden. Wir haben die Altersbegrenzung bewusst darum kommuniziert, weil sich sonst jüngere Erwachsene weniger getraut hätten, sich zum Kirchen-Dating anzumelden. 

​Sonntag, 2. Juli, 19 Uhr, Kreuzkirche, Dolderstrasse 60, 8032 Zürich. Kurzentschlossene melden sich telefonisch unter 044 380 03 04 für das Speeddating an. Oder online hier. Anmeldeschluss: 1. Juli.

Lorenz Steinmann