Andreas Russenberger hat zwar seinen Ostschweizer Dialekt nicht abgelegt, aber er wohnte seit Studienbeginn mit 20 Jahren zuerst in Schwamendingen dann zeitweise auch an der Susenbergstrasse, bevor er sich vor 18 Jahren ein Haus in Erlenbach kaufte. Wir treffen uns in der Le Raymond Bar am Schanzengraben, keinen Steinwurf weg vom Paradeplatz. Russenberger hatte sein Büro aber im Sihlcity, weil der persönliche Kundenkontakt bei ihm nicht zentral war.
Andreas Russenberger, was war bei Ihnen grösser: Das innerliche Jubeln, einen hochaktuellen Krimi über die Macht und die Gier geschrieben zu haben oder die Trauer, dass die einst hochangesehene CS krachend eingegangen ist.
Ich habe das Buch im vergangenen Jahr geschrieben. Als die CS selbst Geschichte wurde, lag der Krimi schon beim Verlag. Für eine so traditionsreiche Firma und vor allem die aktive Belegschaft tut es mir schon leid.
In der Volksmeinung haben Banker, vor allem jene der ehemaligen CS, eine hohe kriminelle Energie. Sehen Sie das auch so?
Der Untergang der CS ist vor allem Inkompetenz auf höchster Ebene geschuldet, wobei die ganz grosse Mehrheit der Mitarbeitenden (bei allen Banken) einfach eine gute Arbeit machen will und dies auch tut. Kriminelle Energien kann es überall geben, wo Menschen sind. Die Nähe zu Geld macht aber bei Banken eine spezielle Sorgfalt nötig.
Viele CS-Banker haben Mühe, bei der UBS unterzukommen. Hängt das mit der unterschiedlichen Ethikhaltung CS/ UBS zusammen oder woran liegt das?
Wir müssen abwarten, wie das alles ausgeht. Es gibt auf vielen Positionen nun halt personelle Überschneidungen. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von Effizienzsteigerung. Man darf aber nie vergessen, dass es sich dabei um Menschen handelt.
Sie leiteten bis 2015 die globale Vermögensverwaltung der CS. Die Frage also an den Profi: Wie realistisch ist Ihr neuster Bankenkrimi?
Der Krimi ist natürlich Fiktion. Das übergeordnete Thema ist «Gier». Gier nach Geld, Macht und Anerkennung – aber auch der starke Wunsch nach Gerechtigkeit und Liebe. Die Geschichte passt sehr gut ins Bankenmilieu, würde aber auch in anderen Bereichen funktionieren.
Haben Sie Beispiele, was vermögende Leute so wünschten in Sachen steueroptimierter Vermögensverwaltung?
Die Klassiker im Bankgeschäft ist die Hypothek oder Einzahlung in die überobligatorische Vorsorge. In der Vermögensverwaltung gibt es beispielweise die Möglichkeit in Aktien zu investieren. Der Gewinn ist steuerfrei.
Hand aufs Herz: Hatten Sie einfach genug Geld auf die hohe Kante gelegt, als Sie dem Bankenbusiness den Rücken kehrten – oder rochen Sie den Braten mit dem späteren Niedergang der CS?
Nein, als ich aufgehört habe, konnte man das unrühmliche Ende der CS noch nicht absehen. Ich habe aus Passion mit dem Schreiben angefangen, weil ich Literatur und Geschichten schon immer geschätzt habe. Darum habe ich wahrscheinlich auch Geschichte studiert.
Beim Thema «Geschäftsleitung», dem Titel Ihres neusten Kriminalromans, kommt einem die Serie «Businessclass» von Martin Suter in den Sinn. Haben Sie jene Kolumnen früher gelesen und dachten sich, so aber bin ich wirklich nicht oder waren Sie halt doch ein Teil des Systems?
Ja, ich habe die Kolumnen von Martin Suter gerne gelesen. Ich habe mich aber nie darin gesehen. Für mich waren die Text reine Unterhaltung. Als Führungsperson in einem Unternehmen ist man aber natürlich immer Teil des Systems, ob man will oder nicht.
Was war Ihr speziellstes Erlebnis als Teil einer GL?
Vielleicht mein erstes Abendessen mit Oswald Grübel. Ich habe mir den Termin falsch eingeschrieben und bin eine halbe Stunde zu spät gekommen …
Oje. Haben Sie noch Kontakt zu Bankern oder doch mehr zu Schriftstellern?
Ich habe nach wie vor guten Kontakt zu ehemaligen Kollegen und Kolleginnen, nun aber als Autor und Vorstandsmitglied des Schweizer Autor*innen Verbandes natürlich auch mit vielen Schriftsteller und Schriftstellerinnen.
Wer zum Beispiel?
Eben hatte ich wegen Verbandsfragen ein längeres Treffen mit Autorin Petra Ivanov.
Was lesen Sie privat am liebsten?
Krimis, Zeitungen und Speisekarten.
Und konkreter?
Bei den Zeitungen und Zeitschriften lese ich mich quer durchs Angebot von der «WoZ» bis zur Weltwoche. Als Papierversion habe ich aber nur noch «Die Zeit» abonniert.
Sie sind jetzt 55-jährig und machen Triathlon. Wie weh tut es, nicht mehr mit den Schnellsten mithalten zu können?
Ihre Behauptung stimmt leider (lacht) – aber nur zur Hälfte. Man startet als Amateur bei Ironman-Wettkämpfen mit den Profis. Das ist eine andere Liga! Aber jeder macht dann sein Rennen für sich. Für mich stand immer ein schöner Wettkampf mit Zielankunft im Zentrum. Ich bin sehr glücklich, das immer geschafft zu haben.
Irgendwie sind Sie ja doch ein Aussteiger. Was raten Sie einem Leser, einer Leserin, die von ähnlichem träumt?
Ich bin niemand, der anderen Ratschläge zu erteilen hat. Ich habe lediglich immer versucht, das zu machen, was mir wirklich Freude bereitet. Was das ist, muss jeder für sich selber herausfinden. Manchmal braucht es ein wenig Mut, es lohnt sich aber.
Nächsten Mittwoch erscheint Ihr neustes Buch «Geschäftsleitung». Worauf freuen Sie sich am Meisten bei der kommenden Promotionsarbeit?
Ganz klar auf den Austausch mit meinen Leserinnen und Leser. Wenn ich ihnen eine Freude machen kann, bin ich glücklich!