Pia Meier
Hänsel und Gretel sind im Stück vom Theater NI&CO zwei Kinder, die unabhängig von ihren Eltern sein wollen. Sie warten nur darauf, bis sie ihr Vater im Wald alleine lässt, denn sie möchten in die Stadt gehen. Doch im dunklen Wald, wo sie ihrem Vater eigentlich helfen sollen, ist der Weg nicht so einfach zu finden. Vor allem nicht, wenn die extra ausgestreuten Brotstücke vom Eichhörnchen und vom Täuberich gefressen werden. So finden Hänsel und Gretel den Weg in die Stadt und auch den Weg nach Hause nicht mehr.
Als es langsam dunkel wird, fühlen sie sich nicht mehr wohl und bekommen Angst. Schliesslich stossen sie im Märliwald aufs wunderschöne Knusperhäuschen der Hexe. Hungrig und müde lassen sich die Kinder in ihr Haus bitten. Wird es ihnen gelingen, sie zu überlisten und den Weg aus dem Wald zurückzufinden?
Die unerwartete Erscheinung der Hexe fasziniert. Die im Publikum anwesenden Kinder werden in diesem witzigen Stück immer wieder involviert mit Fragen oder Aufforderungen. Besonders schön ist auch die Kulisse. Die Schiebetüre hinter der Bühne eröffnet den Blick in den Sihlwald. Auf der Bühne stehen Eliane Blumer, Beat Gärtner, Anina Himmelberger, Nico Jacomet, Roxane Kalt und Fredy Kuttipurathu. Regie führt Nico Jacomet.
Stück an heutige Zeit angepasst
Hänsel und Gretel der Brüder Grimm beginnt mit der bösen Stiefmutter, die die Kinder hungern lässt, und dem Vater, der die Kinder im Wald aussetzt. Davon ist in der Geschichte des Theaters NI&CO nichts mehr übrig geblieben. Die Kinder helfen im Wald ihrem Vater und verlaufen sich, weil sie nicht dort bleiben, wo er ihnen gesagt hat.
«‹Hänsel und Gretel› ist von verschiedenen Gesichtspunkten her ein herausforderndes Märchen», sagt Tanja Hoppler, Produktionsdramaturgin. «Einige Gegebenheiten im Original sind so nicht mehr zeitgemäss und müssen an unsere Zeit und Umstände angepasst und neu gedacht werden.» So etwa die herzlose Stiefmutter, die aufgrund der Armut die Kinder loswerden möchte, der hörige Vater, der die Kinder dann im Wald aussetzt, die böse Hexe, die früher grundsätzlich weiblich assoziiert war, und auch das Verbrennen der Hexe, des Bösen, am Ende des Stückes. Die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten habe Nico Jacomet interessiert und fasziniert. «Dies ermöglicht uns, längst fällige Fragen zu stellen und neue Antworten darauf zu finden», so der Regisseur. Zeitgemäss ist zum Beispiel, dass die Hexe ihr «Hotel» auf den gängigen Internetplattformen ausgeschrieben hat.
Vielleicht hätte man da noch weiter gehen und den Kindern ein Handy in die Hand drücken können. Aber dann hätten sie wahrscheinlich den Weg nach Hause problemlos gefunden.
«Ebenfalls soll das Böse nicht ausgeklammert werden», fährt Tanja Hoppler fort. «Die Beschäftigung mit dieser Thematik ist für Kinder richtig und wichtig.» Auch negativ assoziierte Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Wut brauchten einen Platz und müssten kennengelernt, geschult und gelebt werden. So würden auch die Themen Freundschaft, Vertrauen, neues Lernen, Zuversicht, Mut und Tradition, die zentral im Heranwachsen sind, in diesem Märchen nicht zu kurz kommen. «So bietet sich eine vielfältige Palette, aus der geschöpft und geschaffen werden kann. Ein Märchen, das Klein und Gross viel zu bieten hat, zum Nachdenken anregt, mit Humor und Ironie gespickt ist und ein Happy End für alle bereithält.»
Es ist bereits die fünfte Produktion
«Hänsel und Gretel» ist die fünfte Produktion in der Reihe «Theater im Märliwald». «Wir dürfen also zum wiederholten Mal in der wunderschönen Kulisse des malerischen und idyllischen Sihlwalds spielen, was uns sehr freut», sagt Hoppler. «Welcher Ort würde sich besser eignen für einen Märliwald?» Die Natur, die als Kulisse immer zentral in ihren Märchen etabliert und miteinbezogen sei, sei das Schöne an diesem Ort. Der Spielpavillon schaffe die Möglichkeit, mit den Toren immer wieder neue Räume zu schaffen, den Wald und die Sihl wieder anders in Szene zu setzen und so auch eine Projektionsfläche für das Publikum zu schaffen.