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Lifestyle
26.07.2023
24.07.2023 13:50 Uhr

Pinke Flamingos-Kolonie bekommt weissen Nachwuchs

Die speziellen Nester bauen sich die Flamingos im Zoo Zürich selber.
Die speziellen Nester bauen sich die Flamingos im Zoo Zürich selber. Bild: Nicolas Heneghan
Bisher geplagt von einer Bande hinterlistiger, eierfressender Krähen, können sich die Flamingos im Zoo nun entspannter der Brutpflege widmen. Das Tierpflegepersonal weiss sich mit einem Trick zu helfen: mit Lock-Eiern aus Gips!

Nicolas Heneghan

Durch und durch scheint dies ein wahrhaftig pinker Sommer zu sein. Der Barbie-Film versetzt landesweit und international die Herzen der Menschen in einen pinken Wahn, schreibt etwa die NZZ. Der US-amerikanische Künstler Lil Uzi Vert erreichte mit seinem Album «Pink Tape» auf den Billboard Hot 200 Charts Platz eins und ist das erste Rap-Album, dass dies 2023 erreicht hat. Die Flamingos des Zoo Zürich leisten ebenfalls einen bedeutenden Beitrag zu einem rosaroten Sommer – sie durften bereits zwei neu geschlüpfte Küken willkommen heissen. Gespannt warten die Mama- und Papa-Vögel nun darauf, weitere grau-weisse Schlüpflinge zu begrüssen und aufzuziehen.

Krähen hinters Licht geführt

Die Brutphase der Küken ist nahezu vollendet. Da dieses Jahr mehrere der Flamingos Eier legten und man auf einen guten Wurf hofft, lud der Zoo Zürich die Medien kürzlich zu einem weiteren Zoo-Apéro ein. Der Direktor des Zoo Zürich, Severin Dressen, stellte als Erstes die kleine Flamingo-Kolonie vor. Mit 63 Tieren lassen sie es sich in ihrem Lebensraum, dem Pantanal, spürbar gut gehen. Südamerikanische Entenarten leisten den eleganten Tieren Gesellschaft. Jedoch sieht das Leben meist schöner aus, als es in Wirklichkeit ist.

Die Flamingos werden seit einiger Zeit von einer Bande Unheil stiftender Krähen in Hysterie versetzt. Die Krähen haben sich nämlich darauf spezialisiert, die Eier in den Nisthügeln anzupicken, kaputtzumachen und aufzufressen. Um dafür zu sorgen, dass sich die Flamingos fortpflanzen können, setzt das Tierpflegeteam eine Art Lockvogel, oder besser gesagt ein «Lock-Ei» aus Gips, ein. Die sogenannten Gipseier tauschen sie während der Brutzeit für die echten Eier aus, welche sie in einem Brutkasten ausbrüten lassen.

Wenn die Küken beginnen, in ihrem Ei zu zetern und sich unruhig zu bewegen, tauschen die Tierpfleger behutsam das Gipsei wieder mit dem echten Ei aus. Die Eier werden vom Tierpflegeteam beschriftet, sodass die Flamingoeltern mit ihrem Ei wiedervereint werden und das Küken auf natürliche Weise im Pantanal schlüpfen kann. Bereits zwei Schlüpflinge konnten dadurch mit dem Wunder des Lebens beglückt werden. Wer ganz genau hinschaut, sieht die Küken versteckt hinter den erwachsenen Flamingos.

Mittlerweile sind schon weitere Tiere am Brüten. Zum Schutz vor den bekanntlich intelligenten Krähen sitzen die Flamingos sicher und beschützend auf ihren Nestern. So können die Eier bei den Eltern gelassen werden, damit die Küken direkt vor Ort schlüpfen können.

So sieht ein Original-Ei aus. Bild: Zoo Zürich

Alt, aber zuverlässig

Anschliessend durften die Journalisten mit Basil von Ah, dem Kurator der Abteilung Vögel, den Brutkasten anschauen. In dem kleinen Zimmer zeigte er den «alten, aber zuverlässigen» Inkubator, in dem sich die Flamingoküken zurzeit auf den Schlupf vorbereiten. Die Eier werden dort bei konstanter Temperatur und gelegentlicher Wendung während der Brutzeit inkubiert. Die Bedingungen des Brutkastens sollen die der Wildnis nachstellen. Im Brutschrank befanden sich zur Zeit des Zoo-Apéros vier Eier.

Mit einem Gerät können die Tierpfleger und Tierpflegerinnen den Herzschlag der Küken überwachen und auf Rufe und Geräusche der heranwachsenden Vögel achten. So können sie entscheiden, ob man die Eier zurücklegen soll oder man noch abwarten muss.

Basil von Ah erzählte, wie die Flamingoküken erstaunlich schnell heranwachsen. Bis sie ungefähr gleich gross sind wie ein ausgewachsenes Tier, geht es etwa sechs Monate. Völlig ausgewachsen sind die Flamingos jedoch erst nach rund ein bis zwei Jahren. Bis dann haben sie auch schon ihre pinke Farbe – ein Nebenprodukt ihrer Ernährung (mehr dazu später).

Bedrohter Lebensraum

Die Chileflamingos oder Phoenicopterus chilensis stammen ursprünglich aus Südamerika. Die Tiere fühlen sich überraschend wohl in kalten Temperaturen – in der Wildnis leben sie schliesslich in den Hochanden, wo Temperaturen in der Nacht auf bis zu minus 20 Grad Celsius fallen. Im Zoo Zürich können die Flamingos also problemlos das ganze Jahr über draussen gehalten werden. Die majestätischen Tiere können bis zu 140 Zentimeter gross werden, wobei die Weibchen ein wenig kleiner sind als ihre männlichen Artgenossen. An der Brut beteiligen sich beide Geschlechter. Sie wechseln sich bei Schutz und Pflege der Eier regelmässig ab. Obschon die Vögel in Kolonien von Tausenden Tieren leben und sich fortbewegen, bleiben sie «seriell monogam». Für jede Fortpflanzungsperiode suchen sie sich also jeweils einen neuen Partner aus.

Die Flamingos ernähren sich hauptsächlich von dem, was sie mit ihren gebogenen Schnäbeln und beneidenswerten Zungenkünsten aus dem Wasser filtern können. Darunter fallen zum Beispiel Insekten, Schnecken oder kleine Krebse. Letztere beinhalten den Farbstoff Karotinoid, welcher in den Körpern der Flamingos umgewandelt wird und sich schlussendlich in ihren Flügeln und Federn ablagern. So erhalten die eigentlich weissen Tiere ihre typische und auffallende Kolorierung – meist pink, sie tendieren jedoch teilweise auch dazu, orange auszusehen. Hier im Zoo wird dem Futter zum gleichen Zweck Karotin beigemischt.

Teil eines Zuchtprogramms

Die Flamingos des Zoo Zürich sind Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes (EEP). Sie stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Der Lebensraum der Flamingos ist gefährdet, vor allem weil die Rohstoffgewinnung in den Anden die Gewässer verschmutzt und ihre Nahrungsquelle zerstört. Zudem lassen sich die Vögel während der Brutzeit leicht ablenken, was dazu führt, dass sie ihre Eier oder Jungtiere vernachlässigen oder gar verlassen.

Fast wie in Südamerika

Der jetzige Lebensraum der Flamingos im Zoo Zürich ist ihrem Zuhause in Südamerika nachgeahmt. Mit sumpfigem, nährstoffreichem Wasser und Lehm, um ihre Brutnester aufzubauen, fühlen sich die Flamingos wie zu Hause.

Nun planen die Zooverantwortlichen, einen geteilten Lebensraum zu bauen. In der noch nicht realisierten Pantanal-Voliere werden bedrohte Flamingos, Papageien, Krallenaffenarten und Tapire ein neues, sicheres Zuhause vorfinden. Die Pantanal-Voliere wird unter einem etwa 35 Meter hohen Netz vor Störenfrieden, wie den Krähen, geschützt sein. Wegen Rekursen aus der Nachbarschaft kann das Projekt jedoch noch nicht in Angriff genommen werden. In ihrem neuen Lebensraum können sich die Flamingos dann nach Lust und Laune austoben und fortpflanzen.

Wegen der zumindest gegenüber den Flamingos blutrünstigen Krähen werden sich die Langbeiner also keine Sorgen mehr machen müssen.

Nicolas Heneghan