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Zürich West
27.07.2023
01.08.2023 09:10 Uhr

Rekurse erzwingen Marschhalt

Die Wiederherstellung der historischen Lichtstrasse, die heute (von der Hardbrücke her kommend), im Hallenkomplex versackt, ist in den Sonderbauvorschriften von 2004 festgeschrieben.
Die Wiederherstellung der historischen Lichtstrasse, die heute (von der Hardbrücke her kommend), im Hallenkomplex versackt, ist in den Sonderbauvorschriften von 2004 festgeschrieben. Bild: Lisa Maire
Die Maag-Hallen hinter dem Bahnhof Hardbrücke sollen den Überbauungsplänen der Grundeigentümerin Swiss Prime Site weichen. Doch nun blockieren Rekurse gegen den Bauentscheid das Grossprojekt.

Lisa Maire

Die Maag-Hallen, Zeugen des einstigen Industriequartiers und zugleich Kultur­hotspot hinter dem Bahnhof Hardbrücke, sollen der Überbauung Maaglive der Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site – kurz SPS – Platz machen. Dabei sind im Dreieck zwischen Zahnrad-, Naphta- und Maschinenstrasse zwei Neubauten aus der Feder des Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton geplant: ein 14-geschossiger Wohnturm sowie ein viergeschossiger Kulturpavillon mit Flächen für Kultur, Events und Kreativwirtschaft.

Das künftig denkmalgeschützte Gebäude K an der Zahnradstrasse, seit den 60er-Jahren mit dem Hallenkomplex verbunden, soll freigestellt und sanft renoviert werden. Hier sind unter anderem Gastronomie, Co-Working-Spaces und Ateliers geplant. Zur Aussenraumgestaltung gehören ein baumbestandener Quartierplatz sowie neue Fuss- und Velowege. Seit Mitte Juni liegt die Baubewilligung für das Grossprojekt vor.

Sonderbauvorschriften im Visier

Die Baubewilligung der Stadt Zürich ermögliche es, die Projektierung plangemäss voranzutreiben, freute sich die SPS in einer Mitteilung. Sie rechnet nach wie vor mit Bezug der Bauten bis Ende 2027. Doch nun ist erst mal ein Marschhalt ­angesagt: Die Hamasil Stiftung und der Zürcher Heimatschutz gaben kürzlich bekannt, dass sie gegen den Bauentscheid rekurrieren. Die Rekurse haben aufschiebende Wirkung. Damit habe die Stadt die Chance, «die überfällige Überarbeitung der Sonderbauvorschriften an die Hand zu nehmen und so den Weg frei zu machen für ein Alternativprojekt», schreibt die Hamasil Stiftung, Initiantin der benachbarten Überbauung Kulturpark. Für die Stiftung widerspricht ein Abriss «diametral den heutigen Prinzipien im Städtebau, bestehende Strukturen zu erhalten und neu zu nutzen». Auch aus Klimasicht sei es unsinnig, gut erhaltene Gebäude zu zerstören und neu zu bauen.

Der Zürcher Heimatschutz, der unter Führung des Stadtzürcher Heimatschutzes gegen den Bauentscheid rekurriert, führt als gewichtigstes Argument an: Die Maag-Hallen liegen in einem Stadtareal, das im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung gelistet ist. Bei den drei Hallen handle es sich um ein bauhistorisch bedeutendes Ensemble der industriellen Vergangenheit des Quartiers. Auch der Heimatschutz wirft der Stadt vor, es nicht für nötig gehalten zu haben, «über Sonderbauvorschriften den Erhalt der Maag-Hallen zu sichern und ein den Bestand wahrendes Weiterbauprojekt zu befördern».

Von Anfang an breite Kritik

Gegen die Pläne der SPS wurde gleich nach Bekanntwerden vor gut zwei Jahren breite Kritik laut: aus Architektur- und Kulturkreisen, der Event- und Kreativwirtschaft, dem Gewerbe, der Bevölkerung, der Politik. Der Verein «Retten wir die Maag-Hallen» lancierte eine – mittlerweile von über 10 000 Personen unterzeichnete – Petition, mit der die SPS zum Umschwenken auf das Alternativprojekt des Pariser Architekturbüros Lacaton & Vassal bewegt werden sollte. Dieses Projekt, das eigentlich von der Jury des SPS-Architekturwettbewerbs zum Sieger erkoren worden war, lässt die Hallen stehen und ordnet die neuen Wohnungen auf einer darüberliegenden «Scheibe» an. Das Problem dabei: Die Hallen liegen zum Teil ausserhalb der 2004 festgeschriebenen Baulinien. Bei der SPS fand das Projekt deshalb keine Gnade. Sie befürchtete beträchtliche Verzögerungen des Bewilligungsprozesses aufgrund der erforderlichen baurechtlichen Anpassungen.

Mehrere Vorstösse im Gemeinderat fordern seither eine Anpassung der Sonderbauvorschriften von 2004. Die anhaltende Diskussion zeige, «dass die Sonderbauvorschriften der von der Öffentlichkeit und teilweise auch der Grundeigentümerschaft gewünschten Entwicklung im Weg stehen», halten Markus Knauss (Grüne) und Sven Sobernheim (GLP) in einer Motion von Ende Mai 2023 fest.

Gleiches gelte auch für das benachbarte Welti-Furrer-Areal, wo «ein Parkhaus ­abgebrochen werden soll, um 100 Meter weiter ein neues, den Sonderbauvorschriften entsprechendes Parkhaus zu ­erstellen». Der Stadtrat solle deshalb die Sonderbauvorschriften «Maag-Areal Plus» einer Teilrevision unterziehen, die den ­Erhalt der Maag-Hallen und des Parkhauses erlauben würde.

Maag-Areal seit 30 Jahren im Wandel

Die Transformation des Industriestandorts hinter dem Bahnhof Hardbrücke begann in den 90er-Jahren: Als die Zahnradfabrik Maag nach 80 Jahren die Produktion einstellte, wurden nicht mehr genutzte Büros und Werkhallen an andere Unternehmen vermietet. Um die Jahrtausendwende erarbeitete dann eine Planungsgemeinschaft mit den Grundeigentümern Maag, Coop, Welti-Furrer und der Stadt ein Entwicklungskonzept für das Gebiet. So entstanden die Sonderbauvorschriften «Maag-Areal Plus» als Grundlage für eine städtebaulich und wirtschaftlich tragfähige Umstrukturierung in ein Quartier für Arbeit, Kultur und Wohnen. Die Sonderbauvorschriften wurden 2004 vom Gemeinderat genehmigt. Ab 2008 erstellte die SPS, die den Maag-Anteil übernommen hatte, auf dem Areal den Prime Tower und weitere grosse Geschäftsbauten. (mai.)

Lisa Maire