Pia Meier
Wer die Bilder von der Einweihung der verbreiterten Wipkingerbrücke im Jahr 1901 und dieselbe Ansicht im Jahr 2022 im Buch «Damals» anschaut, ist unweigerlich schockiert, vielleicht sogar fassungslos. Der Betrachter fragt sich, was haben Architekten, Verkehrsingenieure und Städteplaner hier errichtet? Gleich zwei Bilder der Wipkingerbrücke als Gegenüberstellung von damals und heute sind im Buch zu sehen. Zudem widmen die Autoren Martin Bürlimann (Text) und Kurt Gammeter (Bild) ein ganzes Kapitel der Frage, warum die Wipkingerbrücke nicht Aussersihlbrücke heisst? «Bei der Eingemeindung von Aussersihl und Wipkingen im Jahr 1893 erhielt die Brücke offiziell den Namen «Wipkingerbrücke». Einige prominente Wipkinger hatten dies diskret, aber wirksam beim Zürcher Grossen Rat bewirkt.» Dies sind aber nicht die einzigen Bilder, die die eindrücklichen Veränderungen im wachsenden Wipkingen zeigen. Auch das Bild vom Dorfbrunnen an der Ecke Dorfstrasse-Rosengartenstrasse mit dem alten Gemeindehaus um 1931 und die heutige Situation ohne Brunnen aber mit Lärmschutzwand zeigen Veränderungen vom Dorf zum Stadtquartier auf.
SBB legte sich quer
Selbstverständlich wird im Buch auch der Bahnhof Letten thematisiert. «Die Konsternation war gross. Einmal mehr brüskierte die SBB das Quartier. Bei einer Volksabstimmung im Jahr 1989 hatte sich eine grosse Mehrheit für die Freihaltezone am Letten ausgesprochen. Die SBB legte Rekurs ein.» Danach stand das Leben am Letten jahrelang still und die Drogenszene etablierte sich dort.
Zudem wird der Schule Waidhalde, dem modernsten Schulhaus der Schweiz, ein Kapitel gewidmet. Dieses Schulhaus war eines der ersten, die nach reformerischen Gesichtspunkten geplant wurden. Es ist ein Zeugnis der damaligen Denkweise und ist im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung aufgeführt.
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Planerträumen. 1906 planten Financier Jul. Escher und die Architekten A. Welti-Herzog und Sohn zum Beispiel ein Kurhaus auf der Waid. Doch das Waidgut stand leer. Paul Wunderli und seine Frau Maria waren 1885 gestorben. Es gab viele Pläne und Träume, aber niemand konnte das grosse Landgut übernehmen. Angedacht waren Hotel, Tennisplatz, 50 Meter hoher Aussichtsturm mit Elevator. Später wären dann noch bis zu 50 Chalets dazugekommen. Aus dem Projekt wurde nichts. Die Stadt Zürich kaufte 1907 das Waidgut und plante den Bau eines Spitals, Waidspital und Krankenheim Käferberg. Auf dem Platz des geplanten Kurhauses steht heute das Restaurant «Die Waid».