Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland
Zürich 2
04.08.2023
02.08.2023 10:57 Uhr

Die Farbe Blau als Stoff

Christian Scholz (l.) und Ursina Stoffel stellen zum ersten Mal gemeinsam aus.
Christian Scholz (l.) und Ursina Stoffel stellen zum ersten Mal gemeinsam aus. Bild: Jeannette Gerber
Blau steht bei dieser Schau im Mittelpunkt: Bei Ursina Stoffel in ihren Textilarbeiten, in denen sie alte Jeans verwendet, und in den Fotografien von Christian Scholz. Das Zürcher Ehepaar stellt in der Galerie Alex Schlesinger aus.

Jeannette Gerber

Es war eine echte Bereicherung, dem Künstlerehepaar Ursina Stoffel und Christian Scholz zu begegnen. Die beiden sind momentan mit dem Vorbereiten ihrer gemeinsamen Ausstellung «Blue Jeans» in der Galerie Alex Schlesinger beschäftigt. Für Ursina Stoffel ist es die erste Ausstellung mit einem Teil ihres Werkes. Christian Scholz hingegen hat seit Jahren ein vielschichtiges fotografisches Werk geschaffen und dieses in vielen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert.

Ursina Stoffel, geboren 1961 in Chur, ist Textilkünstlerin und diplomierte Tanz- und Bewegungspädagogin. Während des Corona-Lockdowns begann sie, sich intensiv künstlerisch zu betätigen. Als ihr Sohn Sebastian auszog und sie beim Aussortieren seiner Kleider half, hatte sie die Idee, aus Gebrauchtem Neues zu gestalten. «Die Farbnuancen in seinen Jeans inspirierten mich, dem Alten neues Leben einzuhauchen», erzählte sie. Ein Künstlername war schnell gefunden. Ihre Tochter Ladina fand, «El Stoff» – das Anagramm von Stoffel – eigne sich vorzüglich.

Alte Jeans treffen auf alte Jeans

Seit 2020 sind bereits 60 textile Werke entstanden. «Mein erstes Bild ‹NY› stellt gleichzeitig die amerikanische Flagge sowie die Skyline von New York dar. Gefertigt aus Teilen von uralten, kaputten und geflickten Jeans», erklärte Stoffel. «Dieses und das Bild ‹Nice› sind zwei meiner neun Bilder, die ich in der Galerie zeigen werde. Im Zusammenhang mit Nizza stellt man sich unmittelbar Wasser und Wellen vor. Um die Wellenbewegungen zu zeigen, sind die Farbabstufungen der Blue Jeans prädestiniert», führte sie weiter aus.

In den 80er-Jahren waren diese Hosen noch steif und wurden erst durch Tragen anschmiegsamer. Stoffel kann sogar an den Abnützungsstellen ein Bewegungsmuster der Trägerin oder des Trägers erkennen. Die für ihre Kunst benötigten Kleidungsstücke seien ihr vom Freundes- und Bekanntenkreis zur Verfügung gestellt worden. Weitere fand sie in der Brockenhalle Tigel und in diversen Vin­tage-Läden. Das Schöne an den verschiedenen Denim-Tönen sei, dass damit ein aquarell­ähnliches Bild erzielt werde. «Die Idee hinter dem Blue-Jeans-Projekt ist, dass alte, ausgediente Jeans auf andere treffen und so eine ganz neue Geschichte entsteht», erklärte sie. Ein drittes Werk von El Stoff heisst «Fische». Einer der dort ­verwendeten Stoffreste stammt aus dem St. Galler Modehaus Akris. Die Assistentin von Albert Kriemler hatte ihr diese Textilien zur Verfügung gestellt. Christian Scholz wiederum kennt den bekannten Modedesigner dank seiner Schwarz-Weiss-Porträts von ihm. Der Fotokünstler ergänzte bei dieser Gelegenheit schmunzelnd: «Seit 2020 weiss ich nun immer, was ich meiner Frau anstelle von Juwelen oder Blumen schenken und ihr damit trotzdem eine grosse Freude bereiten kann. Ich verpacke ein paar alte Jeans in ein grosses Paket und versehe es mit Geschenkpapier und einer Schleife.»

Die Farbe Blau fesselte ihn

Galerist Alex Schlesinger, dem das fotografisch Werk von Christian Scholz ein ­Begriff war, schlug dem Ehepaar eine gemeinsame Ausstellung vor. Scholz, 1951 in Stockholm geboren und seit 2014 Schweizer Bürger, war schon immer von der Schwarz-Weiss-Fotografie fasziniert. Doch bereits in den 90er-Jahren fesselte ihn speziell die Farbe Blau. Das wird in dieser Ausstellung ersichtlich sein. Seine Arbeiten sind längst in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten: unter anderen im Photo Elysée Lausanne, im Kunsthaus Zürich, im Centre Pompidou Paris und in der National Portrait Gallery London. Neben seinem Porträtwerk Schweiz (1990 bis 2020) und nach dem aufwendigen Körperprojekt (2002–2011), dem Lichtprojekt (2014–2016) oder «Fünf sichtbare Jahre» (2013–2017) arbeitet er aktuell am Projekt «In den Highlands» aus Schottland und dem Engadin.

Auf die Farbe Blau in seinen Werken angesprochen, erzählte Scholz: «Es hat sehr viel zu tun mit dem Kodak-Diafarbfilm EPR64 – Ektachrom professional. Dieser Film ist mir sehr früh aufgefallen, da er die Blautöne mit einer unglaublichen Intensität wiedergibt», erzählte er. Der Film habe dazu beigetragen, dass sein Auge für Blau geschult worden sei. Die chemische Filmentwicklung habe ihm dieses Blau geschenkt. Der entwickelte Film muss nur noch gescannt werden, danach ist dieser Scan die Grundlage für den Inkjet-Druck auf Aquarellpapier. «Ein Thema zwischen meiner Ehefrau und mir war dadurch immer wieder das Blau», so Scholz. Die beiden sind übrigens seit bald 40 Jahren verheiratet. Doch was verbindet seine Fotokunst mit den Textilwerken seiner Frau? «Ich bin fasziniert vom Stofflichen, denn da ist Haptik und Materie. Es ist da, bevor es zu einem Kunstwerk wird, und das ist völlig gegensätzlich zu meinem Metier. Das Papier wird ja nur sichtbar durch Belichtung oder Print. Erst mit dem Motiv beginnt die Geschichte», so Scholz. Die Ausstellung wird neben dem Zusammenspiel auch Gegensätze sichtbar machen.

Die Ausstellung «Blue Jeans» zeigt Alex Schlesinger vom 25. August bis zum 2. September anlässlich des 20-jährigen Bestehens seiner Galerie (wir berichteten). Der Zufall will es, dass Levy Strauss genau vor 150 Jahren sein Patent für die nietenbeschlagene Arbeiterhose für Goldgräber in San Francisco einreichte. So ist es auch ein Jubiläum für Jeans.

24. August, 18 Uhr: Vernissage «Blue Jeans», Galerie Alex Schlesinger, Tödistrasse 48. Infos: www.alexschlesinger.ch, www.el-stoff.ch oder www.christianscholz.ch.

Jeannette Gerber