Daniel J. Schüz
Das Staatsoberhaupt und die Lebensberaterin auf dem Talk-Podium in der Quartier-Beiz: Geht gar nicht, möchte man auf den ersten Blick meinen. Bei näherer Betrachtung allerdings werden zwischen den ungleichen Gesprächspartnern bemerkenswerte Parallelen erkennbar: Bundespräsident Alain Berset (SP) und Instagram-Star Kafi Freitag – das sei kein Pseudonym, beteuert die 48-jährige Podcasterin, sondern ihr richtiger Name – erweisen sich auf dem diplomatischen Parkett wie im digitalen Netz als schillernde Paradiesvögel, denen keine Extravaganz abhold ist.
Der Landesvater mischt sich gern an der Street Parade mit einer knallroten Federboa unter die Raver, während die Menschenfreundin vor der Live-Kamera am Steuer erklärt, warum sie so gerne Auto fährt. Via Podcast und auf Instagram räsoniert sie in ihrer «Frag Frau Freitag»-Kolumne über Sex, Kids und Tipps für alle Lebenslagen.
Als Andrea Sprecher, SP-Generalsekretärin für Stadt und Kanton Zürich, vor zwei Wochen erfuhr, dass Alain Berset zur Eröffnung des Filmfestivals nach Zürich kommen und sich auch für die Genossinnen und Genossen Zeit nehmen würde, war schnell klar, «dass wir ihn ins Café Boy einladen, in die genossenschaftliche Hochburg unserer Partei – und dass die Moderation dieses Anlasses eine Frau übernehmen soll, die nicht die üblichen Journalistenfragen stellt. Kafi Freitag ist weniger aufs politische Alltagsgeschäft fixiert, dafür nah am Puls der Menschen. Sie ist genau die richtige!»
«Man bucht Kafi Freitag, weil man Kafi Freitag will», kommentiert die Zürcherin das ungewöhnliche Angebot. «Und dann bekommt man auch Kafi Freitag!» Und da sitzen sie nun – die Gastgeberin, ausgestattet mit einem diskreten Headset, und der Bundesrat, der sich an seinem Handmikrophon festhalten muss. Er habe das nicht anders gewollt, wird Kafi Freitag später erklären.