Robin Walz
Wie viele Stadtteile sind auch die Quartiere Enge und Wollishofen von Schleichverkehr betroffen. Dieser entsteht, wenn Autos von überlasteten Strassen, zum Beispiel der A3, auf die Quartierstrassen ausweichen. Aus diesem Grund haben die Grünen und die Alternative Liste 2020 ein Postulat im Gemeinderat eingereicht, das im Januar 2022 dem Stadtrat überwiesen wurde: Er soll prüfen, wie man im sogenannten Brunaugebiet den motorisierten Durchgangsverkehr von den Wohngebieten fernhalten kann. Das Brunaugebiet umfasst die Quartiere Enge und Wollishofen bis zur Stadtgrenze.
Kürzlich hat die Stadt nun den Beschluss eines neuen Verkehrskonzepts bekannt gegeben. Es sieht diverse Massnahmen zur gezielten Verkehrslenkung vor, beispielsweise Einbahnstrassen oder Absperrriegel, welche die Fahrt für Autos durch die Quartiere nicht verbieten, aber deutlich erschweren sollen.
Das Ziel laut Medienmitteilung: Den Schleichverkehr reduzieren, die Wohn- und Lebensqualität verbessern und die Fuss- und Veloverbindungen sowie den ÖV stärken. Zudem betont die Stadt, dass bei allen Massnahmen wichtig sei, die Zufahrt für die Quartierbevölkerung zu deren Liegenschaften aufrechtzuerhalten.
Quartierstrassen entlasten
Eines der Hauptprobleme ist die Brunaustrasse, auf welche viele Autofahrerinnen und Autofahrer ausweichen, wenn sich auf der A3 in Richtung Stadt Stau bildet. Aus diesem Grund wird nach Angaben des städtischen Tiefbauamts auf der Brunaustrasse bei der Kreuzung mit der Rieterstrasse eine Absperrung aufgestellt, um den Weg für den Schleichverkehr stadteinwärts zu verlängern. Generell soll gemäss dem Kurzbericht des Konzepts die Achse der Mutschellen-, Waffenplatz- und Rieterstrasse, die als Quartierstrassen eine dichte Wohnbesiedlung aufweisen, erheblich entlastet werden. Zu diesem Zweck wird die Durchfahrt sowohl auf der Waffenplatzstrasse als auch der Rieterstrasse auf der Höhe des Rieterplatzes für den motorisierten Individualverkehr gesperrt. Es werden nur noch Velos und öffentliche Verkehrsmittel durchfahren können.
Das Konzept wurde gemäss städtischer Medienmitteilung unter Einbezug der Quartierbevölkerung entwickelt. An den vier Workshops, die in den vergangenen zwei Jahren stattfanden, nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus den politischen Parteien, den Quartiervereinen und dem Gewerbe sowie weiteren Interessenorganisationen teil.
Autofahrer umerziehen
An den Workshops war auch die FDP Zürich 2 anwesend. Diese stellt sich dem Verkehrskonzept allerdings kritisch gegenüber. Das beschlossene Konzept sei hauptsächlich darauf ausgerichtet, «motorisierte Verkehrsteilnehmer zu bevormunden und zu verdrängen», heisst es in einer Mitteilung der Kreispartei.
Die FDP Zürich 2 spricht von einer «Umerziehung» der autofahrenden Quartierbevölkerung. Denn diese seien am meisten von den Massnahmen betroffen – sie müsse zukünftig grosse Umwege fahren, um nach Hause oder ins Geschäft zu gelangen oder um es zu verlassen. Die Partei beklagt in der Mitteilung zudem, dass die vier Workshops auf der Verdrängung des Autos beharrt hätten und dadurch die tatsächlichen Bedürfnisse der Quartierbewohnerinnen und -bewohner und Gewerbebetreibenden stark vernachlässigt worden seien.
Meinungen sind gespalten
Am 18. September wurde die Quartierbevölkerung im Rahmen eines Informationsanlasses von Stadträtin Simone Brander (SP) in das Verkehrskonzept eingeweiht. Auch Markus Gumpfer, Präsident des Quartiervereins Enge, war vor Ort. «Der Informationsanlass war optimal vorbereitet und höchst professionell. Man merkte, dass die Stadt den Leuten das Konzept schmackhaft machen wollte», sagt Gumpfer auf Anfrage. Er widerspricht allerdings dem angeblichen Konsens in der Entwicklung des Konzepts, auf welchem der Stadtrat beharrt.
«Die Quartierbevölkerung wurde tatsächlich eingebunden, aber am Ende war es eine Mehrheitsentscheidung, bei welchem die Anliegen der Minderheit fast nicht berücksichtigt wurden», so Quartiervereinspräsident Markus Gumpfer. Und deshalb bleibt die Meinung im Quartier gespalten: «Die Anwohner, die gerne Velo fahren, sind glücklich, doch die Autofahrenden stören sich am neuen Konzept.»
Ab 2024 sollen die involvierten Dienstabteilungen mit der schrittweisen Umsetzung der vom Stadtrat beschlossenen Massnahmen beginnen.