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Zürich Nord
10.11.2023
10.11.2023 17:03 Uhr

Neues Tram und Bach statt Autobahn

Der neu gestaltete Bach soll für Mensch und Tier zugänglich sein. Dank des Entlastungsstollens sind keine Ufermauern mehr nötig.
Der neu gestaltete Bach soll für Mensch und Tier zugänglich sein. Dank des Entlastungsstollens sind keine Ufermauern mehr nötig. Bild: Illustration VBG
Die Verlängerung der Glattalbahn wird teurer als bisher gedacht. Das zusätzlich benötigte Land kommt aber grösstenteils der Natur zugute. Einiges davon gehört bereits dem Kanton, der es seinerzeit für die Glattalautobahn reservierte. Neu soll dort der neue Bedenseebach fliessen.

Roger Suter

Seit 2008 endet die Glattalbahn am Flughafen, der Verkehrsdrehscheibe der Schweiz. Und nun soll sie verlängert werden, ins Gewerbegebiet Steinacker zwischen Kloten und Bassersdorf. Wozu?

Es sei das Entwicklungsgebiet Klotens, führte Stadtpräsident René Huber kürzlich an ­einer Medieninformation aus. Er denkt dabei vor allem an Wohnungen, welche die Stadt mit 40  000 Arbeitsplätzen, aber nur halb so vielen Einwohnern, dringend gebrauchen könnte. Die Planungen gehen von rund 7500 Menschen aus, die dereinst in den neu zu schaffenden Mischzonen wohnen könnten. Und dazu brauche es eine leistungsfähige ÖV-Erschliessung.

Und nicht nur das: Gerade Menschen, die am Flughafen arbeiten, müssten oft vor dem ersten Tram dort erscheinen. Unter anderem für sie ist das zweite Teilprojekt gedacht, welches im gleichen Zuge realisiert werden soll: eine Velo- und Fussgängerverbindung vom Steinacker zum Flughafen. Sie verläuft meist parallel zur Glattalbahn.

Trotz der engen Platzverhältnisse sei es möglich, zwei Tramgleise, den Altbach sowie Velo- und Fusswege durch Klotens Zentrum zu führen. Auch im Zentrum soll mindestens ein Tramgleis ein eigenes Trassee erhalten. «Wir fahren mit der Glattalbahn erstmals durch ein Zentrum», so Gesamtprojektleiter Guido Hirzel. «Wir planen also stellenweise von Fassade zu Fassade.» Nötig seien dafür rund 75 000 Quadratmeter zusätzlichen Landes, wobei rund 42 500 Quadratmeter für die Renaturierung gebraucht werde. Zudem könne im Steinackerquartier ein altes Industriegleis ersetzt werden, um mit der Glattalbahn vom Altbach an die Steinackerstrasse zu gelangen. Dort steht auch das einzige Gebäude, welches abgerissen werden muss – eine Autowaschanlage. Entsprechende Verhandlungen über ­einen Ersatz seien im Gang, so Gesamtprojektleiter Guido Hirzel.

Hochwasser soll in den Untergrund

Das dritte Teilprojekt hat mit der Glattalbahn direkt wenig zu tun, soll aber von Synergien profitieren: der Hochwasserschutz am Altbach. Dieses im Stil der 1960er-Jahre kanalisierte Gewässer durchs Zentrum Klotens und unter dem Flughafen hindurch birgt nach wie vor ein Gefahrenpotenzial. Geht man von ­einem Hochwasser aus, wie es statistisch alle 100 oder 300 Jahre vorkommen kann, würde das Stadtzentrum genauso wie der Flughafen unter Wasser gesetzt und es drohten Schäden und Betriebsausfälle von über 1 Milliarde Franken. Abhilfe schaffen soll ein Entlastungsstollen. Er soll Wassermengen über 10 Kubikmeter pro Sekunde – ein Vielfaches des normalen Durchflusses – in einem Überlauf im Oberfeld auffangen und 15 bis 25 Meter unter der Erde sicher zum Abfluss Richtung Rhein leiten.

Dadurch entsteht am bestehenden Altbach Platz für eine neue Gestaltung: mal naturnah, dann wieder als Erholungsraum für Menschen gedacht. Die Ufermauern sollen sanften Böschungen oder auch Stufen weichen, welche Tieren und Menschen den Zugang zum Wasser ermöglichen, der Bachlauf soll kurviger werden und mit Steinen und Totholz Lebens- und Wanderraum für Fische bieten. Ähnliches haben der Kanton und Opfikon mit der Glatt hinter dem dortigen Stadthaus gemacht.

Teuerung und ein neues Projekt

Natürlich müssten dafür auch in Kloten viele Bäume entlang des Baches gefällt werden. Doch übers Gesamtprojekt gesehen würden rund eineinhalb mal so viele Bäume neu gepflanzt. Und in einigen Fällen ziehe man auch in Betracht, Bäume zu verpflanzen, so Guido Hirzel.

Jüngst ist sogar noch ein weiteres Naturschutzprojekt hinzugekommen: die Verlegung des Bedenseebaches, der heute das Graswinkelquartier unterquert und ebenfalls eine Hochwassergefahr darstellt. Er soll stattdessen offen am Gwärfihölzli vorbei und durchs Steinackerquartier fliessen und dann oberhalb des Entlastungsstollens in den Altbach münden. Das Land gehört bereits grösstenteils dem Kanton – der es seinerzeit für die Glattalautobahn reservierte, die so nicht gebaut wird –, muss aber noch aus dem Strassenfonds umgezont werden.

Die Gesamtkosten betragen nach der jüngsten Schätzung rund 551 Millionen Franken – rund 110 Millionen mehr als bisher veranschlagt. «Der grösste Teil ist auf die Teuerung von rund 10 Prozent zurückzuführen», so Gesamtprojektleiter Hirzel. Hinzu kämen angepasste Landpreise, Mehrkosten beim Grundwasserschutz und natürlich die zusätzliche Umlegung des Bedenseebaches. Die Glattalbahn kostet voraussichtlich 305 Millionen Franken (56 Prozent der 551 Millionen), der Hochwasserschutz 145 Millionen (26 Prozent) und die Velohauptverbindung 101 Millionen (18 Prozent).

Planauflage im Februar

Die VBG rechnen mit rund fünf Jahren Bauzeit. Parallel zur Planauflage im Februar wird der Kanton die Finanzierung, an der sich auch der Bund im Rahmen des Agglomerationsprogramms beteiligt, beschliessen. Dann könnte ab 2026 mit dem Bau begonnen werden. «Ich denke, wir haben zusammen mit allen Beteiligten – Kanton, Stadt, Grundeigentümern, Verkehrs- und Umweltverbänden – ein insgesamt ausgewogenes Projekt», sagt Guido Hirzel. Nun hofft er,  mit den kommenden Veranstaltungen im Infocenter an der Petergasse 12 auch die Anwohner davon überzeugen zu können.

Roger Suter/Zürich24