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Zürich West
09.11.2023
20.11.2023 10:43 Uhr

U-Haft-Teil des Gefängnisses Zürich West endlich in Betrieb

Das Gefängnis Zürich West im Polizei- und Justizzentrum (PJZ) sorgte für negative Schlagzeilen.  Unser Archivbild zeigt Leiter Marc Eiermann  bei einem Inforundgang  2021.
Das Gefängnis Zürich West im Polizei- und Justizzentrum (PJZ) sorgte für negative Schlagzeilen. Unser Archivbild zeigt Leiter Marc Eiermann bei einem Inforundgang 2021. Bild: ls.
Exklusiv: Auf Anfrage bestätigt der Kanton, dass seit Oktober das ganze Gefängnis Zürich West in Betrieb ist. Wegen personellen Planungsfehlern erfolgte die Eröffnung des U-Haft-Teils mit grosser Verspätung. Die Mehrkosten betragen gut 10 Millionen Franken pro Jahr.

Auf Anfrage von Zürich24 bestätigt Sprecherin Victoria Sutter von der zuständigen Amtsstelle Justizvollzug und Wiedereingliederung, dass der Bereich der Untersuchungshaft im Gefängnis Zürich West per Oktober eröffnet wurde. «Die ersten vom Regierungsrat bewilligten Stellen konnten per September 2023 besetzt werden». Dadurch sei es möglich gewesen, neben dem bereits laufenden Betrieb der vorläufigen Festnahme nun auch den  Bereich Untersuchungshaft im Gefängnis Zürich West zu eröffnen.

Das ist darum pikant, weil diese massiven Verzögerungen nach der offiziellen Eröffnung des Polizei- und Justizzentrum vor gut 18 Monaten schweizweit Schlagzeilen machten. 

Stark kritisierter Planungsfehler

Es war ein Planungsfehler erster Klasse, wie die NZZ diesen Frühling herausfand. Nach nur einem Jahr Gefängnisbetrieb im PJZ Zürich-Aussersihl, in dem erst die vorläufige Festnahme lief, hatte sich herausgestellt, dass man sich beim Personalbedarf des Gefängnisses Zürich-West verrechnet hatte. So sei man bei der ursprünglichen Planung gemäss NZZ fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ein 24-Stunden-Betrieb dreimal mehr Personal brauche als ein Einschichtbetrieb. Im April 2023 zeigte sich laut dem Regierungsrat dann, dass dieser sogar fünfmal mehr Personal braucht. Immerhin: Rasch sprach der Regierungsrat 82 neue feste sowie 23 befristete Stellen. Die Regierung rechnet mit Mehrkosten von 9,5 Millionen Franken im Jahr 2024 und mit 10,8 Millionen Franken Mehrkosten im Jahr 2025, wie er in seiner Mitteilung schrieb.

74 Mitarbeitende eingestellt

Nun endlich konnten die Stellen grösstenteils besetzt werden, wie es auf Anfrage weiter heisst. «Bis heute wurden im Gefängnis Zürich West insgesamt 74 neue Mitarbeitende eingestellt. Diese werden in den Bereichen Betreuung/Aufsicht, Infrastruktur und im Gesundheitsdienst beschäftigt», so Sprecherin Victoria Sutter.

Das Problem mit den fehlenden Mitarbeitenden konnte also gelöst werden. «Für die Betreuungs- und Aufsichtsstellen erhalten wir ausreichend Bewerbungen, auch von Personen, die neu in dieses Berufsfeld einsteigen möchten. Aus dieser Auswahl können wir sorgfältig geeignete Kandidaten und Kandidatinnen aussuchen.» Aber: Da im Bereich der Gesundheit bekanntermassen ein Fachkräftemangel herrsche, gestalte sich die Suche nach geeignetem Personal hier etwas anspruchsvoller, so Sutter weiter.

Damit ist das Gefängnis endlich im Vollbetrieb. Es gehört zur Direktion der Justiz und des Innern von Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP).

U-Haft menschlicher machen

Mit dem neuen Gefängnis will die Justizdirektion das Image der umstrittenen Untersuchungshaft weiter aufmöbeln. Immerhin ist es in sämtlichen Zürcher Untersuchungsgefängnissen seit Jahren nicht mehr so, dass die inhaftierten Personen 23 Stunden in der Zelle verbringen*. Sie können sich bis zu acht Stunden ausserhalb der Zelle bewegen. Denn Menschen in Untersuchungshaft gelten ­juristisch als unschuldig. 
Insbesondere der Kanton Zürich wurde wegen seines strengen Haft­regimes jahrelang kritisiert. Kritik gab es etwa von der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter – wegen der langen Einschlusszeiten. Oder auch von Anwaltsverbänden – wegen der restriktiven Kontaktmöglichkeiten nach aussen. 

*) in einer ersten Version schrieben wir, dass dank dem neuen Gefängnis Zürich West «die Häftlinge nicht mehr 23 Stunden täglich allein oder zu zweit eingeschlossen sein sollen». Das war eine Falschinformation. Dafür entschuldigen wir uns. 

Lorenz Steinmann