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Züriberg
15.11.2023
15.11.2023 16:23 Uhr

Fast wie Profis: So gut spielen Gymischüler Theater

Das junge Ensemble gibt alles.
Das junge Ensemble gibt alles. Bild: zvg.
Die Theaterwerkstatt, ein Leuchtturm in der Züricher Laientheaterszene, beendet ihre 25-jährige Erfolgsgeschichte mit einem wahren Meisterwerk: Peter Turrinis Adaption von Carlo Goldonis Klassiker «Der Diener zweier Herren». Diese letzte Produktion ist nicht nur ein Abschiedsgeschenk an das Publikum, sondern auch eine Hommage an zwei bedeutende Theaterpersönlichkeiten.

Carlo Goldoni, venezianischer Dramatiker des 18. Jahrhunderts, revolutionierte die traditionelle italienische Commedia dell'arte, indem er ihre improvisierten und oft überzeichneten Elemente durch fest geschriebene Texte und realistische Charaktere ersetzte. Sein «Diener zweier Herren» ist ein Paradebeispiel für sein Können: eine rasante Verwechslungskomödie, die die Geschichte von Truffaldino erzählt, einem Diener, der heimlich für zwei Herren gleichzeitig arbeitet und dabei in zahlreiche komische Situationen gerät.

Peter Turrini – Ein moderner Interpret

Der österreichische Dramatiker Peter Turrini, bekannt für seine gesellschaftskritischen Werke, hat Goldonis Klassiker in einem neuen Licht präsentiert. Während er den ursprünglichen Witz und Charme des Stücks bewahrt, fügt Turrini eine moderne Tiefe hinzu, die aktuelle Themen wie Identitätskrise, Loyalitätskonflikte und die Dualität des modernen Lebens beleuchtet. Turrinis Adaption ist nicht nur eine einfache Neuinterpretation, sondern auch eine Reflexion über die zeitlosen Herausforderungen, die das Leben stellt, und die Kunst, sie mit Humor und Anmut zu bewältigen.

(v.l.): Elia Guyer als Arlecchino, Elena Eicher als Smeraldina, Karl Gysin als Pantalone, Fadrains Felix als Fiona, Victor Raskin als Silvio, Greta Karsupke als Clara, liegend: Dion Fazliu als Brighella Bild: zvg.

Das Ensemble der Theaterwerkstatt, zu dem 36 Schülerinnen und Schüler gehören, hat sich unter der Leitung von Alfred Bosshardt, intensiv mit beiden Versionen auseinandergesetzt, um eine Darbietung zu schaffen, die die Brillanz von Goldonis Original und die Frische von Turrinis moderner Perspektive einfängt. Dabei wird die Bühne zum Schauplatz eines Spektakels, das sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt.

Neben dem Schauspiel

Die Bühnengestaltung, Ton- und Lichttechnik, Kostüm und Maske werden von einem erfahrenen Team betreut, das die Schülerinnen und Schüler anleitet und in die Geheimnisse der Theaterproduktion einweiht. So ist es wieder gelungen, die Aula des Freien Gymnasiums in einen hochwertigen Theatersaal umzugestalten, der die Zuschauer an den Schauplatz Venedig entführt und sie mitten in die Handlung versetzt.

Schlüssel zur ganzheitlichen Entwicklung

In der heutigen schnelllebigen und digital dominierten Welt kann das Theaterspielen ein wesentlicher positiver Bestandteil der Jugendentwicklung sein. Es bietet eine Plattform für emotionales Wachstum, kreativen Ausdruck und soziale Interaktion, die junge Menschen auf die Herausforderungen und Chancen des Lebens vorbereitet. Das Theaterspielen bietet weit mehr als nur Unterhaltung; es ist eine umfassende Bildungserfahrung.

Selbstentdeckung und Aufbau sozialer Kompetenz

Auf der Bühne erfahren Jugendliche eine besondere Form der Selbstentdeckung und des Selbstausdrucks. Sie schlüpfen in verschiedene Rollen, was ihnen hilft, verschiedene Perspektiven zu verstehen und ihre eigenen Gefühle und Gedanken besser auszudrücken. Dies fördert nicht nur ihre Empathiefähigkeit, sondern auch ihr Selbstvertrauen, indem sie lernen, sich vor einem Publikum zu präsentieren und mit Lampenfieber umzugehen.

Zudem ist Theaterspielen eine soziale Aktivität, die Teamarbeit und Kommunikationsfähigkeiten schärft. Jugendliche lernen, in Gruppen zu interagieren und gemeinsame kreative Lösungen zu entwickeln. Sie erfahren, dass das ganze Gebilde nur funktioniert, wenn sich alle aufeinander verlassen können und jeder sein Optimum gibt. Diese sozialen Fähigkeiten sind in vielen Lebensbereichen von Bedeutung und helfen den jungen Persönlichkeiten, starke interpersonelle Beziehungen aufzubauen.

  • Diese Schülerinnen und Schüler machen mit. Bild: zvg.
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  • Der alte und und der junge Arlecchino: Elia Gujer und Marc Boillat. Bild: zvg.
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Wirkung auf Schulleistungen und Stärkung der Resilienz

Darüber hinaus verbessert Theaterspielen die Sprach- und Ausdrucksfähigkeit. Die Jugendlichen lernen, klar und deutlich zu sprechen und ihre Körpersprache effektiv einzusetzen, was die allgemeine Kommunikationsfähigkeit stärkt. Gleichzeitig erweitert das Theaterspielen die Allgemeinbildung und das kulturelle Bewusstsein, indem es die Jugendlichen mit verschiedenen historischen, literarischen und gesellschaftlichen Themen konfrontiert. Oftmals zeigen sich auch in der Schule positive Effekte, da Theater zudem Disziplin, Konzentration und Gedächtnis fördert, was zu verbesserten schulischen Leistungen führen kann. Theater bietet Jugendlichen ein Ventil für Stress und Emotionen. Sie haben die Möglichkeit, ihre Gefühle in einer sicheren und unterstützenden Umgebung zu erkunden und auszudrücken. Dies wird auch immer wieder von vielen Ehemaligen der Theaterwerkstatt bestätigt.

Theater mit Tradition und Anspruch

Jedes Jahr aufs Neue ist es der Anspruch der Theaterwerkstatt, das Beste aus den teilnehmenden Schülerinnen und Schülern herauszuholen, ihre Leidenschaft für das Theaterspiel zu wecken, um sich über diese Erfahrung in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Insbesondere in Zeiten, in denen es Kindern und Jugendlichen an Orientierung fehlt, ist die Arbeit der Theaterwerkstatt besonders wertvoll und sinnspendend. Gleichzeitig ist die Erfüllung des künstlerischen Anspruchs seit Beginn hoch gesteckt und wird von Theaterliebenden auch über die Schulgrenzen hinaus mit meist ausverkauften Rängen gewürdigt.

Der Besuch von «Der Diener zweier Herren» ist nicht nur eine Gelegenheit, ein grossartiges Stück zu erleben, sondern auch, Zeuge des Abschieds einer Theaterinstitution zu werden, die die Züricher Schul- und Laientheaterszene über ein Vierteljahrhundert geprägt hat.

Tickets sind über den Vorverkauf unter www.theaterwerkstatt-freigymi.ch

Alfred Bosshardt, der langjährige Leiter der Theaterwerkstatt Freigymi. Bild: zvg.
pd./red./zürich24