Karin Steiner
Der Weihnachtmarkt in der Enge ist vor vielen Jahren aus der Bevölkerung heraus entstanden. Über zehn Jahre lang fand er auf dem Platz vor der reformierten Kirche mit gemieteten Ständen statt. Als man die Stände und die Zelte nicht mehr mieten konnte, drohte ihm das Aus. Aber eine Gruppe engagierter Quartierbewohnerinnen und -bewohner wollten die Tradition nicht aufgeben, weil sie es wichtig fanden, dass man in der düsteren Jahreszeit, in der sonst nichts läuft, zusammenkommt und sich austauscht.
Im Quartiertreff Enge fanden die Initianten einen idealen Ort, um den Weihnachtsmarkt wieder aufleben zu lassen. Es wurde ein neuer Trägerverein gegründet, dem der Quartierverein, der Quartiertreff und die Kirchen angehören. Alle machten begeistert mit, und vor vier Jahren fand der Weihnachtsmarkt zum ersten Mal statt. Vom Quartierverein über Kirchen, Schulen, Pfadi bis zu den Vereinen und Nachbarn trugen alle dazu bei, einen lebendigen Anlass zu gestalten.
Ein Anlass für das ganze Quartier
«Der Weihnachtsmarkt hat sich stetig entwickelt», sagt Moritz Strub, der den Quartiertreff gemeinsam mit Flutra Iseini leitet. «Im ersten Jahr fand er im Haus statt, aber das war sehr eng. So wurden die Stände im zweiten Jahr während der Coronapandemie im Freien aufgestellt. Aber für gewisse Waren wie Kleider oder Postkarten war das auch nicht ideal. Seitdem sind die Stände je nach Angebot im Garten und im Haus aufgestellt.»
Der Weihnachtmarkt im Treff startet traditionell mit einem ökumenischen Gottesdienst in der reformierten Kirche. Von 11.30 bis 17 Uhr herrscht fröhliches Markttreiben. An den Ständen gibt es ein Gastro-Angebot, Geschenke, Kleider, Handwerkskunst und vieles mehr. Auch kann man Adventskränze selber machen.
«Der Erlös geht in die Vereinskasse für den nächsten Weihnachtsmarkt», so Moritz Strub. Dazwischen gibt es Tanzmusik, Klezmer, Balkan und Gipsy vom Trio Clé, und um 17 Uhr begeben sich alle in die katholische Kirche Dreikönigen zum gemeinsamen offenen Singen.
Das ganze Jahr hindurch ist der Quartiertreff Enge eine Villa Kunterbunt. Das in einem ruhigen, sicheren Quartier gelegene Haus mit dem grossen Garten ist nicht einfach ein Café mit Spielplatz, sondern ein Ort der Kreativität, der von den Quartierbewohnerinnen und -bewohnern mitgestaltet wird. «Wir haben zum Beispiel eine Partizipationskabine, in der die Leute ihre Ideen einbringen können», erzählt Flutra Iseini, die seit zehn Jahren im Treff arbeitet und letztes Jahr die Co-Leitung übernommen hat. «Darunter sind zum Beispiel Auftritte aller Art oder kleine Konzerte.»
Daneben gibt es unzählige Angebote für Kinder und Erwachsene jeden Alters. Das Spektrum reicht vom Mädchen- und Bubentreff über die Mütter- und Väterberatung, Singen, Theaterspielen, Schreibkurse bis zu IT-Beratung, Halloween und Kids-Disco. «Wir haben 1450 Angebote pro Jahr», sagt Co-Leiter Moritz Strub. «Das ist nur möglich dank den Helfern, die 3800 Stunden Freiwilligenarbeit leisten.» Das Kernteam besteht aus vier soziokulturell ausgebildeten Mitarbeitenden und zwei Leuten in Ausbildung.
Von Verein getragen
Obwohl der Quartiertreff Enge in einer städtischen Liegenschaft eingemietet ist und von der Stadt einen Beitrag erhält, ist er selbstständig und wird von einem Verein getragen. «Das bedeutet, dass wir auf Vereinsmitglieder angewiesen sind und auch selber Einnahmen generieren müssen.»
Dies geschieht nicht nur durch den Erlös, den das Café bringt, welches 4500 Stunden pro Jahr geöffnet ist, wie Moritz Strub schmunzelnd betont, sondern vor allem auch durch die Vermietung der Räume. «Letztes Jahr hatten wir 320 Vermietungen mit 5100 Mietenden. Das ist eine wichtige Einnahme für uns.» Der Quartiertreff ist aber auch ein Arbeitsintegrationsprojekt.
«Wir müssen von der Stadt aus 10 Prozent Projektarbeit machen», sagt Flutra Iseini. «Bei uns arbeiten Leute, die aus irgendeinem Grund den Einstieg in die Berufswelt nicht mehr schaffen. Es ist ein niederschwelliges Programm, das in der Regel drei Jahre dauert. Wichtig ist, dass wir die Leute unterstützen und das an ihnen schätzen, was sie können, und nicht das kritisieren, was sie nicht können. Wir helfen ihnen auch beim Ausfüllen von Formularen, bei der Wohnungssuche oder der Stellensuche.»
Aus diesem Grund stand auch lange Zeit ein Pizzaofen im Garten des Quartiertreffs. Er wurde von einem Pizzaiolo betrieben. Dank diesem Projekt ist dem Mann der Einstieg in die Arbeitswelt wieder gelungen.