Jeannette Gerber
Nach dem Aufstieg über die glitschige Treppe von der Kalchbühlstrasse her zur Kirche auf der Egg empfing einen am Wollishofer Weihnachtsmarkt der weihnächtliche, intensive Duft von Zimt, Nelken, Orangen und Ingwer – eindeutig Glühwein. Wie jedes Jahr war am Glühwein- beziehungsweise Punsch-Stand ein grosser Andrang. Hier bediente unter anderen die Verantwortliche für die Standvergabe, Corinne Haller, die einiges über die Neuzugänge zu berichten wusste.
Ihre Tochter Livia besucht die zweite Klasse der Schule Im Lee an der Kilchbergstrasse. Diese hat neu einen Stand am Weihnachtsmarkt übernommen. Die Kids verkauften selbst gebastelte Glückwunsch und Weihnachtskarten, Schlüsselanhänger, Baumschmuck und selbst eingefärbte Kerzen. Zu sehr moderaten Preisen, was die Kasse klingeln liess. Beim Besuch des Kinderstandes war gerade der Samichlaus zugegen, um Mandarinen, aber keine Schelte zu verteilen.
Vor Ort Kunstwerke gedrechselt
Der Drechsler Silvan Schneeberger war bei der Arbeit unter freiem Himmel ein richtiger Eyecatcher, denn in der heutigen digitalen Welt ist ein echtes Handwerk fast eine Sensation. Schneeberger drechselte seine Holzkunstwerke vor Ort, von Hand und ganz ohne Maschine. Und diese Frischlinge konnten gleich am Stand Atcha Woods nebenan erworben werden.
Schon mal etwas von Apfelleder gehört? Im Vegan-Zeitalter sollte man sich auf viele neue Erfindungen einstellen. Eine Gruppe von sechs Schülern der fünften Klasse der Kantonsschule Zürich Nord hat sich zur Aufgabe gemacht, unter dem Label Interhold ein Lederimitat, Apfelleder, zu entwickeln. Dieses wird aus Apfelresten, Schale, Stängel und Kerngehäuse, also genauer gesagt aus Trester, der bei der Apfelsaftherstellung anfällt, hergestellt. Dieser wird dann getrocknet und pulverisiert und anschliessend auf Canvas-Stoffe aufgetragen. Eine Prägung sorgt dann für die Lederoptik. Das Resultat ist ein Kreditkarten-Etui, das verblüffend nach Leder aussieht. Doch an etwas kann man den Unterschied sofort erkennen. Man muss nur daran riechen: Leder hat diesen rauchigen, verführerischen Moschus-Duft, Apfelleder riecht leider nicht nach Äpfeln, sondern irgendwie nach frisch gedruckten Buchseiten – auch nicht unangenehm.
Hier geht es nicht um Kommerz
Eine zweite Gruppe aus sieben Schülerinnen und Schülern derselben Kantonsschule hat sich ebenso zu einem Start-up zusammengetan und unter dem Namen Labios eine Lippenpomade nicht wie üblich mit Zugabe von Wasser und Erdöl, sondern auf Shea-Butter-Basis, somit mit absolut grünem Fussabdruck, hergestellt. Der Stand mit Adventskränzen, Gestecken und Türschmuck verkaufte wie jedes Jahr von Freiwilligen verarbeitete Erzeugnisse für einen guten Zweck – heuer für die gemeinnützige Schweizer Tafel. Zum Aufwärmen lud das Essenszelt ein, wo ab 17 Uhr die Ländlerkapelle «Echo vom Lochergut» lüpfige Musik zum Besten gab, und ab 19.30 Uhr sangen die St. Franziskus Stars in der Kirche Weihnachtslieder unter der Leitung von Gregory Arcement.
Insgesamt ein uriger und doch urbaner Markt, wo Swissness grossgeschrieben wird. Ein Weihnachtsmarkt, der sich von den vielen in der Stadt wohltuend unterscheidet, da es hier nicht nur um schnöden Kommerz, sondern ums Herz geht.