Die Art und Weise, wie Friedhöfe genutzt werden, ändert sich stetig. So gewinnen sie heute als Parkanlagen und Erholungsraum immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig sind es Orte, wo prominenter Verstorbener gedacht wird – etwa des Zürcher alt Regierungsrats Alfred Gilgen auf dem Friedhof Affoltern oder der Schriftstellerin Johanna Spyri auf dem Friedhof Sihlfeld. Und um die wichtigste Funktion nicht zu vergessen: Friedhöfe sind der Platz, wo Bestattungen stattfinden.
Alle diese Funktionen wurden nun in einem Pilotprojekt auf dem Friedhof Sihlfeld den blinden und sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht, wie der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) mitteilt. Das Pilotprojekt setzt auf die Navigationsapp «MyWay Pro» für iPhones, die vom Verband selbst entwickelt worden ist.
«Es ist ein Digitalprojekt, das weit über den Pilotversuch hinaus strahlen soll», schreibt der SBV. Darin seien sich alle Beteiligten von der städtischen Dienstabteilung Grün Stadt Zürich, dem für das neue Orientierungsdesign zuständige Büro (das m-d-buero) und dem SBV einig.
Das Projekt soll die Orientierung von Menschen mit einer Sehbehinderung im öffentlichen Raum grundlegend verändern: Falls der Versuch erfolgreich ist, soll der ganze Friedhof mit der Technologie ausgerüstet werden – und auch die Anwendung auf den weiteren Friedhöfen oder Parkanlagen der Stadt wäre möglich.
App kam beim Test gut an
Kürzlich testete eine Gruppe von rund 20 Interessierten – darunter rund ein Dutzend Menschen mit einer Sehbehinderung – zum ersten Mal die App «MyWay Pro» auf dem Friedhof Sihlfeld. Die Testenden empfanden die App gemäss Mitteilung des SBV als echte Bereicherung, da sie damit mehr als die gewöhnliche Navigation erleben konnten. Denn: Am Friedhof Sihlfeld wurden zusätzliche kulturelle Informationen, die sonst nur für sehende Personen an den Informationstafeln zugänglich sind, eingesprochen und mit der App akustisch hörbar gemacht.
Die positiven Rückmeldungen nach dem Test zeigen gemäss dem SBV: «Eine mit zusätzlichen Routen und weiteren Ortsinformationen erweiterte App ist eine grosse Bereicherung für Menschen mit Sehbeeinträchtigung.» Damit könnten sie selbstständiger agieren und aktiv am kulturellen Leben teilhaben.
Auch für Museen geeignet
Alle Beteiligten sind sich deshalb einig: Dieses Digitalprojekt sollte weit über den Pilotversuch hinaus strahlen und die App nach und nach mit weiteren Orten und Plätzen erweitert werden. Zusätzlich wollen die Stadt Zürich und der SBV prüfen, ob die neue Funktion in der Navigationsapp «MyWay Pro» auch in anderen Lebensbereichen umgesetzt werden kann, zum Beispiel bei Ausstellungen in Museen oder ganz einfach in der Altstadt.
«MyWay Pro» kann zwar kostenlos im App-Store heruntergeladen werden. Wer die App nutzen will, muss aber ein Abo abschliessen. Der erste Monat ist gratis, danach fallen Kosten an. Ein Monat kostet 1 Franken, ein Jahr 10 Franken. Regelmässige Nutzerinnen und Nutzer können «MyWay Pro» für einmalig 30 Franken auf Lebenszeit freischalten.
Mithilfe der App werden blinde und sehbehinderte Personen gemäss Mitteilung sicher in ihrem Alltag geführt. Für das Projekt «Sihlfeld» seien bei wichtigen Wegmarken unter anderem Audiodateien hinterlegt worden, die von professionellen Sprecherinnen und Sprechern eingesprochen seien. So könnten sich die Besucherinnen und Besucher zu berühmten Persönlichkeiten oder zur Flora und Fauna informieren. Zusätzlich können sie mit der App dank der eingesetzten Beacon-Technologie (siehe Kasten) auch tagesaktuelle Informationen wie Bestattungen oder Führungen abrufen.