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Stadt Zürich
21.12.2023
22.12.2023 12:04 Uhr

Als der Globus keine Freude am Singing Christmas Tree hatte

Das Christbaumpodest auf dem Werdmühleplatz erklimmen Schülerinnen und Schüler aus der Stadt und aus der Region. Hier stehen Kinder aus der Lakeside School Küsnacht zum Singen bereit.
Das Christbaumpodest auf dem Werdmühleplatz erklimmen Schülerinnen und Schüler aus der Stadt und aus der Region. Hier stehen Kinder aus der Lakeside School Küsnacht zum Singen bereit. Bild: zvg.
Der Brauch des Singing Christmas Tree auf dem Werdmühleplatz lockt jeweils viele tausend Besucherinnen und Besucher an und gehört zu den Fixpunkten im Zürcher Advent. Mitgründer André Kofmehl erzählt vom Ursprung und von der Geschichte des Anlasses, der sein 25-Jahr-Jubiläum feiert.

Die nordamerikanische Weihnachtskultur mit ihren weltberühmten Liedern wie «Jingle Bells» oder «White Christmas», Hollywoodfilmen und üppigen ­Dekorationen beeinflusst seit Jahrzehnten auch Weihnachten in Europa. So kommt denn auch die Idee für den Singing Christmas Tree aus den USA. André Kofmehl und Beat Seeberger (1948–2017) brachten die Tradition in die Schweiz. Ihre Idee war es, das in Vergessenheit geratene Weihnachtssingen wiederzubeleben, insbesondere unter Kindern. Eingeweiht wurde der Zürcher Singende Weihnachtsbaum am 29. November 1998 auf der Pestalozziwiese beim Globus.

Financiers waren die umliegenden Warenhäuser Globus, Jelmoli und Manor sowie die ­City-Vereinigung und die Vereinigung Bahnhofstrasse. Durch den Auftritt an der «teuersten Wiese der Schweiz» erhofften sie sich mehr Kundschaft. Diese Rechnung ging jedoch nicht auf. Denn während gesungen wurde, gingen weniger Kunden shoppen. Aber auch für die Sängerinnen und Sänger war die Pestalozziwiese nicht ganz ideal: Der Strassen- und der Einkaufslärm störten den Auftritt zu sehr. 2006 hatte Pestalozzi keine Geduld mehr mit den Kindern, sie wurden verscheucht und fanden am Werdmühleplatz eine neue Bleibe. Dort ist es ruhiger, und doch ist man nur wenige Schritte von der Bahnhofstrasse entfernt.

Technische Herausforderungen

Bei einer solchen Veranstaltung gehören technische Schwierigkeiten dazu. Über die Jahre hinweg haben die Veranstalter sie zu lösen vermocht. Das als Baum verkleidete Podest, auf dem die Kinder singen, ist für den Chorgesang nur bedingt geeignet. André Kofmehl, Jurist, Unternehmer und Leiter des Büros für Kulturpromotion, erklärt gegenüber Lokalinfo: «Es gab Chöre, die nicht von sieben Metern Höhe herab singen wollten. Das Gerüst ist nicht gerade chorkonform.»

Die Organisatoren mussten auch viel in die Tontechnik investieren, damit sie so reibungslos funktionierte wie heute. Doch auch die Lieder, die gesungen werden, hätten sich über die Jahre stark verändert, meint Kofmehl. Früher seien die Kinder vor allem mit «Stille Nacht» und anderen deutschen Liedern aufgetreten. Heute jedoch stünden ihnen englische Lieder näher. Doch es kämen, wie Kofmehl sagt, wieder vermehrt Schweizer Lieder ins Repertoire. Dazu trägt wohl Andrew Bond bei, der dieses Jahr ebenfalls ein 25-Jahr-Jubiläum feiert: 1998 erschien seine erste CD «Zimetschtern han i gern».

Tief- und Höhepunkte

Als Tiefpunkt der 25 Jahre beschreibt Kofmehl die «Verjagung» von der Pestalozziwiese. Dazumal gehörte der Singing Christmas Tree zum Weihnachtsmarkt vor dem Globus. Zwar war der Anlass bei den Besuchern beliebt, doch der Globus merkte, dass der singende Baum die Leute vom Shoppen abhielt. «Wir bekamen danach grosse Unterstützung von der Stadt Zürich», betont Kofmehl. Sie bot den Organisatoren den Werdmühleplatz an. Die Schwierigkeit hier war, dass zusätzlich zum Singing Christmas Tree auch ein Weihnachtsmarkt aufgebaut werden musste.

Berühmte Gäste

Als allgemeinen Höhepunkt bezeichnet Kofmehl die «weltweite Anerkennung» für den Event. Bei den Auftritten ist es für ihn der Auftritt der Vokalgruppe The Ten Tenors (oder kurz: TTT) vor etwa fünf Jahren. Dass sie die Weihnachtsstadt Zürich beglückten, war eine sehr spontane Sache: Kofmehl bekam um elf Uhr abends einen Anruf vom Manager der TTT, dass sie vorbeikommen würden. «Sie haben von sich aus bei uns gesungen, bevor sie zu ihrem Auftritt ins Hallenstadion weitergefahren sind», erinnert sich Kofmehl.

Heute, resümiert er, habe er mit seinem musikpädagogischen Engagement über 60 000 Kinder begeistern können. Mittlerweile sei der Singing Christmas Tree schon so beliebt, dass die Organisatoren an einem zweiten Baum in Waldkirch arbeiteten. Für Kofmehl ist es jedoch wichtig, dass der Singing Christmas Tree nicht in erster Linie als Attraktion verstanden wird – obwohl er eine ist –, sondern eine Angelegenheit der Schulen und der Kinder bleibt. Nur so ist er bereit, den Anlass weiterzugeben.

Und wie läuft es im Jubiläumsjahr? «Unglaublich», findet Kofmehl. Normalerweise sei der Platz vor allem am Montag und Dienstag eher unbelebt. Doch dieses Jahr sei er auch dann voll. Eine der Herausforderungen am Anfang sei das Bewerben des Anlasses gewesen. Doch Werbung brauche es heute kaum mehr, denn jedes Kind bringe mindestens vier bis sechs Personen mit. «Und wenn man etwas mit Kindern macht, ist es einfach, die Leute zu begeistern.»

Nächste Auftritte: 

Singing Christmas Tree und Wiehnachtsmärt: bis 23. Dezember auf dem Werdmühleplatz. Die Chorauftritte finden mehrmals täglich in den Abendstunden statt, am Wochenende auch nachmittags. Am offenen Singen können alle teilnehmen. www.singingchristmastree.ch

Nicolas Heneghan