Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland

Wieso lässt die Stadt auf ihren Gebäudefassaden für Flugreisen werben?

Michael Schmid, Gemeinderat AL, Wahlkreis 1 und 2
Michael Schmid, Gemeinderat AL, Wahlkreis 1 und 2 Bild: Aus dem Gemeinderat
Es ist grundsätzlich fraglich, warum die Stadt die Gerüste ihrer Baustellen mit grossformatigen Werbeflächen versehen muss.

Sie wird gross, die städtische Wohnsiedlung über dem Tramdepot Hard am Escher-Wyss-Platz. Der imposante Rohbau steht inzwischen, die beiden über 60 Meter hohen Hochhäuser können von weitem gesehen werden. Auch nicht zu übersehen, insbesondere vom Wipkingerpark auf der anderen Seite der Limmat, ist das grossformatige Werbeplakat auf dem Baugerüst, welches von den Verkehrsbetrieben vermarktet wird. Darauf wurden beispielsweise während der Klimademo am 15. September Flugreisen angepriesen; um Weihnachten nutzt ein Online-Fast-Fashion-Anbieter die Fläche für die Verkündung seiner Botschaft.

Der Einzelnen kann ich dabei keinen Vorwurf machen, wenn sie der Werbung Folge leistet. Eine Flugreise zu unternehmen, ist in unserer Gesellschaft inzwischen so normal, dass der Verzicht darauf als Akt der Rebellion angesehen wird. Umso mehr erstaunt es, dass eine solche überhaupt beworben werden muss. Dies ist nötig, weil sie in Konkurrenz zu vielen anderen Möglichkeiten steht, die dahinterstehenden Bedürfnisse wie etwa Entspannung, Ruhe, Abenteuer oder Spass zu befriedigen. Die Anbieter geben deshalb jährlich Millionen Franken aus, um uns das Bild im Kopf zu setzen, oder aufzufrischen, dass genau eine Flugreise die beste Lösung sei. Solche Werbung ist der erfolgreiche Versuch des Kapitals, uns in seinem Sinne zu Konsument·innen zu erziehen.

Es ist grundsätzlich fraglich, warum die Stadt die Gerüste ihrer Baustellen mit grossformatigen Werbeflächen versehen muss, um die vorherrschende, konsumorientierte Marktwirtschaft zu stützen. Auf das wenige Geld, dass sie einbringen, ist sie jedenfalls nicht angewiesen. Werden diese Flächen dann genutzt, um den Konsum anzuheizen – gerade jenen nach besonders klimaschädlichen Angeboten –, so handelt sie gegen den Artikel 152 der Gemeindeordnung, welcher vorschreibt, dass die Stadt eine Reduktion der indirekten Treibhausgasemissionen pro Einwohner·in von dreissig Prozent gegenüber den Emissionen von 1990 anstrebt. Da die Stadt bei den indirekten Emissionen, also jenen, die nicht in der Stadt selbst entstehen, einen noch geringeren Handlungsspielraum hat als bei den direkten Emissionen, wird sie einen beträchtlichen Aufwand leisten müssen, mittels Anreizen und Aufklärung die Bevölkerung zu klimaverträglichen Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse zu befüllen, zu animieren. Auf den eigenen Fassaden für Flugreisen oder für Fast Fashion zu werben, wirkt solchen Bemühungen entgegen.

Der Weg zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Stadt ist noch ein weiter; gewisse Massnahmen brauchen Jahrzehnte, bis sie umgesetzt sind. Andere liessen sich sofort anhand nehmen – wäre denn das Bewusstsein wenigstens in den städtischen Dienstabteilungen sowie bei ihren Vorgesetzten im Stadtrat schon vorhanden.

In der Rubrik «Aus dem Gemeinderat» schreiben Volksvertreterinnen und -vertreter regelmässig einen Beitrag. Alle im Stadtparlament vertretenen Parteien bekommen hierzu regelmässig Gelegenheit. Die Schreibenden ­äussern im Beitrag ihre persönliche Meinung.

Michael Schmid