Karin Steiner
Mit dem Bau der linksufrigen SBB-Seebahnlinie in den 1920er-Jahren und damit verbunden dem Rietbergtunnel hat sich das Quartier rund um die Grütlistrasse in der Enge massiv verändert. Zahlreiche Häuser fielen dem Projekt zum Opfer, und auch der ehemalige Friedhof Enge, den man zwar bereits 1878 schloss, als man den Friedhof im Giesshübel eröffnete, wurde 1923 gänzlich geräumt.
Gleich neben dem ehemaligen Friedhof, an der Grütlistrasse Ecke Bluntschlisteig, steht jedoch eine Liegenschaft, die den Tunnelbau unbeschadet überstanden hat. Sie wurde um 1860 erbaut, 1920 von Raoul Pesavento erworben und ist seit dessen Tod im Besitz der Familie Pesavento. Heute gehört sie zusammen mit der Liegenschaft Bluntschlisteig 1 Leonardo E. Pesavento. Und so soll es auch weiter bleiben, wie der Besitzer bestimmt erklärt.
Clichés von nationaler Bedeutung
Die Geschichte reicht ins 19. Jahrhundert zurück, als Leonardo E. Pesaventos Urgrossvater mit 14 Jahren aus Asiago in Oberitalien nach Strassburg auswanderte. Er war Analphabet und Mineur von Beruf. Später kam er nach Zürich und fand bei Escher Wyss eine Anstellung als Gussputzer. Sein Sohn Raoul arbeitete in der Modellgiesserei. Er lernte Kupferclichés kennen, Druckformen für das Hochdruckverfahren, bildete sich in diesem Handwerk aus und war schliesslich einer der Ersten, der diese Clichés produzierten, wie Leonardo E. Pesavento erzählt. 1912 gründete er gemeinsam mit Otto Hager an der Grütlistrasse 36 eine Kollektivgesellschaft unter dem Namen «Hager & Pesavento, Clichéfabrikation». Bereits 1918 starb Otto Hager und die Firma wechselte den Namen auf «Kunst- und Cliché-Anstalt Raoul Pesavento» und später, nachdem die Söhne Robert und Otmar in die Firma eingetreten waren und Raoul 1939 gestorben war, wurde sie zu «R. Pesavento Söhne, Cliché-Anstalt Zürich 2».