Lorenz Steinmann
Kurz nach Weihnachten war die Entsorgungsstation im Hagenholz in den Schlagzeilen. «Kilometerlang» hätten sich die Autos gestaut. Alle wollten ihr Sperrgut neben der Kehrichtverbrennungsanlage entsorgen, zumal Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) die ersten 400 Kilo Abfall pro Haushalt gratis annimmt, vorausgesetzt, man findet die Coupons dazu noch.
Doch ist das Wegschmeissen noch zeitgemäss? Macht es Sinn, dass halb Zürich im Auto an die Stadtgrenze kurvt, um den Sperrmüll loszuwerden? Um den Zeitgeist kommt auch ERZ nicht herum. Was in anderen Recyclingzentren rund um Zürich schon üblich ist, kommt nun auch in Zürich, wie ERZ auf Anfrage bestätigt: «Ab dem 2. August 2024 wird es Tauschmöglichkeiten sowie weitere Angebote zur Abfallvermeidung und -verminderung geben.»
Einziger Schönheitsfehler: Weil das Hagenholz-Areal für den Ausbau der Fernwärme benötigt wird, baut die Stadt seit Anfang dieser Woche an einem temporären Recyclinghof ganz am Ende von Affoltern. Ab dem 2. August wird also der provisorische Recyclinghof im Areal Looächer primärer Entsorgungsort für Herrn und Frau Zürcher sein. Gemäss ERZ habe man die Baubewilligung im Oktober 2023 erhalten.
Angst vor Stau und Wartezeiten
Doch nicht alle haben Freude an dieser Standortversetzung. Vom Quartierverein Affoltern heisst es auf Anfrage, allgemein werde mehr Verkehr und Stau im Quartier erwartet. «Es gibt Leute, die bekommen Panik wegen dieser Aussichten, vor allem jene, die nach Weihnachten Tele Züri mit den langen Autoschlangen ins Hagenholz gesehen haben», sagt Präsidentin Pia Meier. Christoph Mahlstein, Mediensprecher von ERZ, versucht, Entwarnung zu geben. «Der neue Recyclinghof wird Platz für 50 Personenwagen sowie 10 Lastwagen bzw. Wagen mit Anhänger bereithalten. Dadurch soll Stau bei den Zufahrten vermieden werden». Zudem würden ERZ-Muldenfahrzeuge zur Quartierentlastung über die Nordumfahrung geführt. Und: «Wegweiser bei der Ausfahrt des Recyclinghofs sowie an der Ecke Zehntenhaus-/Mühlackerstrasse sollen dazu beitragen, den Schleichverkehr über die Mühlackerstrasse einzuschränken und den Verkehrsfluss auf die Wehntalerstrasse zu lenken.»
Tauschtische kommen an
Zudem hofft ERZ, dass dank dem Ausbau der mobilen Recyclinghöfe die Zürcherinnen und Zürcher die Entsorgung quasi vor der eigenen Haustüre vermehrt nutzen. Christoph Mahlstein von ERZ sagt, die seit 2022 laufenden Tests mit mobilen Recyclinghöfen würden «äusserst positiv verlaufen». Im vergangenen Jahr habe man durchschnittlich rund 330 Nutzerinnen und Nutzer pro Sammeltag verzeichnen können. ERZ setzt damit einen Wunsch des Gemeinderats um, neben den durchs Cargo-Tram abgedeckten Quartieren auch tramlose Gebiete wie
Affoltern, Witikon und Leimbach abzudecken. Die Kehrseite der Medaille: Die über 90-jährigen Cargo-Trams (für Sperrgut) und E-Trams (für Elektrogeräte) werden nur noch bis Ende 2026 in Betrieb sein (wir berichteten). Eine Lösung mit neueren Trammodellen kommt für die Stadt aus Kostengründen nicht infrage.
Den Abschied von den Entsorgungstrams versüsst ERZ damit, dass die 2022 eingeführten Tauschtische bei den Cargo- beziehungsweise E-Trams und in den mobilen Recyclinghöfen weitergeführt werden. Auch damit ist ERZ zufrieden: «Durchschnittlich verzeichnen wir 120 Gegenstände pro Sammeltag, welche den Besitzer oder die Besitzerin wechseln.» Die Tauschtische würden zudem die Bevölkerung anregen, sich Gedanken zur Weitergabe von intakten Gegenständen und der Kreislaufwirtschaft zu machen.
Geduld bis 2027
Noch bis voraussichtlich Anfang 2027 muss man sich freilich gedulden, bis ein ähnlich ausgerüsteter Recyclinghof wie im Hagenholz zur Verfügung steht. Dann erst soll eine topmoderne Anlage neben der Swiss Life Arena aufgehen. Laut einem Stadtratspapier soll das Recyclingzentrum auf dem so genannten Juch-Areal etwa 25 Millionen Franken kosten.
Besonders ist, dass es sich um ein städtisches Pilotprojekt in der Wiederverwendung von Bauteilen handelt. Das Recyclingthema soll also nicht nur die Bevölkerung leben, sondern auch die Verwaltung.