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Zürich West
17.02.2024

Kein Baum, nirgends

Überall das gleiche Bild: In Zürichs Rotlichtviertel sind Strassenbäume sehr selten. Hier der Blick in die Zwinglistrasse Richtung Zeughaus.
Überall das gleiche Bild: In Zürichs Rotlichtviertel sind Strassenbäume sehr selten. Hier der Blick in die Zwinglistrasse Richtung Zeughaus. Bild: Tobias Hoffmann
Die Kreise 4 und 5 sind je nachdem bekannt oder berüchtigt für ihren hohen Anteil an links-grünen Wählerinnen und Wählern. Dass die Stadt sie überall mit viel Strassengrün verhätscheln würde, lässt sich allerdings kaum behaupten.

Tobias Hoffmann

Ein Schelm ist, wer zuerst ans Rotlichtviertel denkt. Was ganz sicher auffällt: Die Strassenzüge dies- und jenseits der Langstrasse machen punkto Strassenraumgestaltung nicht viel her. In jenem Bereich im Kreis 4, der durch die Militär-/Schöneggstrasse im Norden, die Feldstrasse im Westen, die Hohlstrasse im Süden und die Kanonengasse im Osten begrenzt wird, wirkt der öffentliche Raum lieblos. Nicht gerade verwahrlost, aber vernachlässigt.

Dieser Eindruck akzentuiert sich, wenn man hier morgens durch die Strassen schlendert, die dann noch ziemlich ausgestorben sind. Da und dort mag eine Frau auf den ersten oder den letzten Kunden warten, eine Anwohnerin hier, ein Anwohner dort geht seinen Besorgungen nach. Auch hier wird das eine oder andere Haus renoviert. Auch hier gibt es keineswegs nur Nachtclubs und dunkle Bars und Sexshops, sondern ganz normale Geschäfte – zumindest oberflächlich betrachtet. Aber man mag kreuz und quer alle Strassen und Gassen ablaufen, so lange man will: Kein einziger Baum grüsst einen des Wegs. Wie mag es hier im Sommer sein? Der Schelm in einem fragt sich also: Sind denn die Leute aus dem Milieu der Stadt keine Hitzeminderung wert? Oder ganz anders gefragt: Hier lebt ein Teil der treusten links-grünen Wählerschaft. Warum kümmert sich die politisch links-grün dominierte Stadt nicht um sie?

Immer der knappe Platz

Zürich24 behielt diese Fragen für sich und wollte von der Stadt ganz generell die Gründe für die Baumlosigkeit erfahren. Eine erste Anfrage bei Grün Stadt Zürich (GSZ) führte nicht weiter, da man dort nur für die Pflege und den Ersatz von Strassenbäumen zuständig ist. Und da es ja hier nichts zu pflegen und zu ersetzen gibt … Immerhin kann Tanja Huber von GSZ auf einige Baumpflanzungen in unmittelbarer Nähe hinweisen: zwölf Bäume in der Molkenstrasse und sechs Bäume in der Hohlstrasse im Sinne des Alleenkonzepts, ausserdem zwei Bäume auf dem Helvetiaplatz. Und sogar die Langstrasse erhielt im Abschnitt Stauffacher- bis Hohlstrasse sechs neue Bäume. Untätig ist die Stadt also keineswegs.

Helen Berg vom Tiefbauamt erläutert genauer, wo die Schwierigkeiten liegen: in den knappen Platzverhältnissen natürlich. Wie so oft in Zürich. Zu den vielfältigen Ansprüchen, die an den Strassenraum gestellt werden, zählt Berg Fahrbahnen für den öffentlichen Verkehr, Autos und Velos, Gebäudezufahrten sowie Leitungen für Strom, Wasser und weitere Versorgungsinfrastruktur. Das versteht sich alles von selbst. Allerdings fällt der öffentliche Verkehr bei allen hier betroffenen Strassen weg. Doch sind diese sämtlich ziemlich schmal. Im 19. Jahrhundert hatte man hier in Aussersihl die Arbeiterschaft angesiedelt. Boulevards zum Flanieren standen ihr nicht zu.

Ab 2026 tut sich was

Das Versetzen der Baulinien ist heute keine Option mehr, anders als in den 1950er- und 1960er-Jahren, als man am liebsten überall vierspurige Strassen durch die Häuserschluchten geführt hätte. Heute steht die Steigerung der Aufenthaltsqualität im Vordergrund – und die bereits genannte Hitzeminderung.

So sagt denn Helen Berg auch, bei allen kommenden Strassenbauprojekten und Umgestaltungen werde geprüft, welche Massnahmen zugunsten von Bäumen und eines guten Stadtklimas ergriffen werden können. Für die Planung von Bauprojekten mit Änderungen an der Oberfläche brauche es viel Zeit. «Zudem durchlaufen sie», ergänzt Berg, «die vorgeschriebenen Verfahren nach Strassengesetz mit der Möglichkeit für Einsprachen.»

Zum Schluss aber gibt es Aussicht auf ein bisschen Grün wie die Hoffnung. Helen Berg kündigt an, für die Brauer-, die Tell- und die Dienerstrasse seien 2026 und 2027 Strassenbauprojekte geplant, bei denen die Stadt auch Baumpflanzungen vorsehe. Was bedeutet: Die oben abge­bildeten Strassen bleiben vorderhand so, wie sie sind: grau. Rotlicht hin oder her.

  • Blick in die Magnusstrasse Richtung Brauerstrasse. Bild: Tobias Hoffmann
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  • Blick in die Sihlhallenstrasse Richtung Langstrasse. Bild: Tobias Hoffmann
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  • Blick in die Rolandstrasse Richtung Langstrasse. Bild: Tobias Hoffmann
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Tobias Hoffmann