In den 1960er-Jahren, als man in Zürich noch vorwiegend die gutbürgerliche Küche pflegte und Zürcher Geschnetzeltes sowie Leberli mit Rösti ass, wurden im Restaurant Clipper bei der Sihlpost schon exotische Gerichte mit extravaganten Namen wie Mah Mee, Nasi Goreng, Palm Beach, Ibn Saud, Tung Po und Jambalaya serviert. «Unser Vater, Sepp Kopp, war ein Pionier der asiatischen Küche in Zürich», erzählen die Schwestern Maya Pünchera-Kopp und Isabelle Künzle-Kopp. Er arbeitete in jungen Jahren in verschiedenen Ländern und auf Kreuzfahrtschiffen. «Da Kochen seine grosse Leidenschaft war, sammelte er überall Rezepte und Gewürze und tüftelte an eigenen Rezepturen herum. Sein Ziel war es, die asiatische Küche dem europäischen Geschmack zugänglich zu machen», so Maya Pünchera-Kopp.
Von der Kneipe zum In-Lokal
In den 1960er-Jahren arbeitete Sepp Kopp als Küchenchef im Restaurant Topair, dem damals einzigen Restaurant im Flughafenareal. «So lernte er unsere Mutter Margrit kennen, die als Sekretärin im Flughafen arbeitete und jeweils das Essen für ihr Team abholte.»
Nach der Hochzeit wollte sich das Paar selbstständig machen und übernahm 1963 das Restaurant Clipper hinter der Sihlpost, das von der Eigentümerin Brauerei Hürlimann verpachtet wurde und zuvor nicht sehr gut lief. «Wir sind mit dem Restaurant gross geworden, denn wir wohnten gleich dahinter», erzählen die Schwestern. «Unsere Mutter war für alles Administrative zuständig, während unser Vater die Speisekarte mit seinen asiatischen Gerichten revolutionierte und sich bald weit über Zürichs Grenzen hinaus einen Namen schuf, denn er war schweizweit der Erste, der die asiatische Küche anbot.»
Das Rezept lebt weiter
Der Erfolg sei gigantisch gewesen. Während im Untergeschoss in der «Brötlistube» einfache Küche für den schnellen Imbiss angeboten wurde, war das Restaurant im Obergeschoss mit 130 Plätzen oft in zwei Schichten ausgebucht. «Manche Gäste kamen wöchentlich, um das bald legendäre Mah Mee zu geniessen.» Es wurde mit einer speziellen, bis heute geheimen Gewürzmischung von Sepp Kopp zubereitet. Die verschiedenen Komponenten bezog er aus aller Welt.
Nach 25 Jahren übergab Sepp Kopp das Restaurant seinen beiden Neffen, die es in seinem Sinn bis 2003 weiterführten. Heute ist das «Clipper» ein Fast-Food-Restaurant. 2003 wurde das Gebäude saniert und in den oberen Geschossen teilweise als Schule umgenutzt. Die Raumausstattung und das Wandbild von Alois Carigiet blieben dabei jedoch bis heute erhalten.
Doch die «Clipper Mah Mee»-Gewürzmischung lebt weiter. Zum einen verbreiteten ehemalige «Clipper»-Köche die Gerichte mit der Originalgewürzmischung von Sepp Kopp auf der ganzen Welt. In vielen Restaurants – nicht nur in der Schweiz – wird damit gekocht. Zum anderen halten Maya Pünchera-Kopp und Isabelle Künzle-Kopp das Andenken an ihren Vater aufrecht, indem sie die «Clipper Mah Mee»-Gewürzmischung nach altem Familienrezept selber zubereiten und über verschiedene Anbieter oder ihre Website www.mahmee.ch vertreiben.
Kochbuch mit Originalrezepten
Auch haben sie auf Anregung des Starkochs Jacky Donatz, der selber in jungen Jahren ein Stammgast im «Clipper» war, ein Kochbuch mit Originalrezepten und Speisekarten von damals herausgegeben. Die auf Schreibmaschine geschriebenen Rezepte sind original abgedruckt, und wer die Speise- und Getränkekarte betrachtet, gerät ab den Preisen ins Staunen. Da kostete eine Pizza Napoletana in der «Brötlistube» 1.90 Franken, eine Portion Kartoffelsalat 50 Rappen, ein Stück Zuger Kirschtorte 1.30 Franken und ein Starkbier 90 Rappen. Da können selbst die Fast-Food-Preise von heute nicht mithalten. «Es ist schön, dass alte Familientraditionen auch in dieser kurzlebigen Zeit weitergeführt werden», sind die Schwestern überzeugt.