Die Bio-Begeisterung der Schweiz: Eine knackige Angelegenheit: In der Schweiz ist die Liebe zu Bio-Produkten mehr als nur eine Modeerscheinung. Laut Bio Suisse gaben Schweizerinnen und Schweizer 2022 pro Kopf 439 Franken für Biolebensmittel aus; 11,2 % war der Anteil daran am Gesamtmarkt*. Die Gründe sind nachvollziehbar. Während traditionelle Landwirtschaftsmethoden oft mit Umweltproblemen wie Bodenerosion, Wasserbelastung und Biodiversitätsverlust in Verbindung gebracht werden, zeigt die biologische Landwirtschaft einen anderen Weg: Sie verzichtet auf synthetische Düngemittel und Pestizide, was zu einer geringeren Wasserverschmutzung und einem besseren Bodenmanagement führt. Dies ist nicht nur gut für die Erde, sondern auch für diejenigen, die darauf wandeln und sie bewirtschaften.
Solidarische Landwirtschaft: Ein lokales Phänomen mit globaler Wirkung
Produktion nach biologischen Richtlinien ist meistens nur einer der Grundbausteine einer Solawi. Pura Verdura, eine Zürcher Solawi mit Äckern im Gartenareal Lengg und Wynegg, arbeitet seit der Gründung 2019 nach ökologischen Richtlinien. Bei Pura Verdura, das ist der ausschlaggebende Punkt wie auch bei vielen anderen Solawis, wird zusätzlich die gesamte Landwirtschaft von den Mitgliedern mit einem jährlichen Fixbetrag finanziert. Das Motto: Das Lebensmittel verliert seinen Preis und gewinnt damit an Wert. Eine Karotte soll nicht mehr nur als Wirtschaftsgut behandelt werden, sondern soll in ihrer essentiellen Bedeutung als Lebensmittel herausgestellt werden. Noe Schlatter, fest angestellt im Gartenteam bei Pura Verdura, berichtet von den Vorteilen: «Vor allem die Mitarbeit der Genossenschaftsmitglieder auf dem Acker hat für mich sehr viele wertvolle Aspekte: Einen neuen, persönlichen Bezug zu den Lebensmitteln, zur Landwirtschaft und zur Biodiversität in der eigenen Stadt.»
Diese Praxis stärkt das Bewusstsein für saisonale und regionale Produkte und sensibilisiert die Menschen für die Auswirkungen ihres Konsums auf die globale Umwelt. Die solidarische Landwirtschaft demonstriert somit eindrucksvoll, wie lokale Initiativen einen positiven Einfluss auf weltweite Herausforderungen wie Klimawandel und Biodiversitätsverlust haben können.
Wissenschaft im Dienste der Nachhaltigkeit
Johanna Jacobi, Professorin für Agrarökologie an der ETH Zürich, betont, wie wichtig es ist, solche alternativen Anbaumethoden zu fördern, die sowohl ökologisch verantwortungsbewusst als auch sozial gerecht sind. «Alternative Formen der Lebensmittelproduktion, wie die solidarische Landwirtschaft, geben einen direkten Impuls dafür, die Lebensmittelproduktion zu demokratisieren. Die mitschwingende Utopie dabei ist immer, die Machtkonzentration im derzeitigen Ernährungssystem mit solchen Modellen zu ersetzen. Andere, vom Preis unabhängige Faktoren wie gute Arbeitsbedingungen, Gesundheit der Pflanzen, sowie Geschmack der Lebensmittel werden dabei außerdem stärker in den Fokus genommen.» Eine Bestätigung von Noe: «Wir können bei Pura Verdura sehr vieles Neues ausprobieren: neue Tomatensorten, schonende Bodenbearbeitungstechniken, Untersaaten…Auch das macht die Arbeit spannend!»
Gemeinsam Grün
Bei Pura Verdura nimmt man sich der Herausforderung Biodiversitätskrise ebenfalls an, indem ein Aufwertungskonzept im Auftrag von Grün Stadt Zürich umgesetzt wird. Darin enthalten sind zum Beispiel Blühstreifen, die Wildbienen und anderen Insekten einen Rückzugsort bieten, der sonst in der Stadt nicht mehr anzufinden ist. Als Rückzugsort empfinden das wohl auch nicht nur die Insekten – auch die Mitglieder von Pura Verdura geniessen es, einen direkteren Bezug zur Gemüseproduktion zu bekommen und Zeit auf dem Acker zu verbringen. «Beim Ernten stieg uns der Duft der frisch geernteten Karotten und Pastinaken in die Nase, welche wir am selben Abend gleich als Ofengemüse gegessen haben. Wir sind dankbar, jede Woche frisches Bio-Gemüse vom Acker nebenan verarbeiten und essen zu dürfen.»
Hoffnung kann auch lecker sein
In Zürich und darüber hinaus zeigt sich, dass die solidarische Landwirtschaft nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch des Gewissens ist. Sie ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass Fortschritt und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können – und das manchmal auf einem Teller voller frisch geernteter Bio-Karotten.