Jeannette Gerber
In Afrika wäre er ein Griot: Ein Griot ist ein Geschichtenerzähler in Westafrika, der von Generation zu Generation das kulturelle und das soziale Leben, Traditionen und Gebräuche in einem Dorf oder einer Gemeinde am Leben erhält. Diese Funktion hat in Albisrieden Hans Amstad (78), pensionierter Primarlehrer, im Ortsmuseum übernommen. Hans Amstad lebt seit seiner Geburt im Quartier und führt als Präsident des Vereins Ortsmuseum Albisrieden unter anderem die regelmässig stattfindenden Rundgänge durchs Museum durch.
Das Ortsmuseum im «Obren Haller», ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1580 (während 400 Jahren von der Familie Haller bewohnt), beheimatet viele spannende Geschichten, die nur ein begnadeter Geschichtenerzähler wie Hans Amstad lebendig schildern kann. Um dieses auch Museumsmuffeln schmackhaft zu machen, hat diese Zeitung Amstad nach seinen liebsten Ausstellungsstücken gefragt. Deren habe er viele, meinte er, und als Erstes zeigt er auf den Feuerwehrwagen direkt beim Eingang. Wen wundert’s? Ist doch fast Traum eines jeden Buben, einmal Feuerwehrmann zu werden.
Lieblingsstück: Spritzenwagen
Es handelt sich hier um den Spritzenwagen der Feuerwehr Albisrieden aus dem Jahr 1900, der noch von Pferden gezogen wurde und im Spritzenhäuschen an der Triemlistrasse zu Hause war. «Damals ging alles noch gemächlicher zu und her, auch das Feuerlöschen», sagt Amstad. «Auf beiden Seiten des Wagens sind Balken angebracht, die jeweils von drei Männern rauf- und runterbewegt wurden, um Wasser aus dem nahen Bach zu pumpen», erklärt er. «Bei einer Feuersbrunst staute man den Dorfbach mit Brettern. Wenn jedoch kein Bach in der Nähe war, musste das Wasser, um den Tank zu füllen, in Kübeln von Hand und zu Fuss von einer anderen Quelle herbeigetragen werden», führte er weiter aus. Es ist kaum vorstellbar, dass eine grössere Feuersbrunst so effizient gelöscht werden konnte. «Oft musste man einfach hilflos das Erlöschen des Feuers von selbst abwarten.»
Amstad erinnert sich, dass er als Kind am 28. Oktober 1953 beim Brand des historischen Riegelbauhauses Kehlhof an der Albisriederstrasse dabei gewesen sei. «Der Kehlhof diente früher als Zehntenabgabestelle der Landbesitzer, das heisst, die Gemeindemitglieder mussten den Zehntel ihres Einkommens als Steuern berappen», erzählt Amstad. «Die damaligen Mieter hatten im Gebäude ein Schiff renoviert und die mit Leinöl getränkten Lumpen unbeachtet liegen gelassen. Diese hatten sich daraufhin selbst entzündet und die Katastrophe ausgelöst», so der Ur-Albisrieder. Er zeigt dabei auf die Fotografie des ausgebrannten Hauses, das fast nur noch ein Skelett war. Diese Aufnahme ist eine der vielen historischen Fotografien, die zurzeit im Ortsmuseum im Rahmen der Ausstellung «Fotos aus alten Zeiten» gezeigt werden.