Pascal Turin
Es gibt ein paar Dinge im Leben, die auf der Hand liegen. Dazu gehört, dass es einfacher ist, ins Gymnasium zu kommen, wenn man dabei von den Eltern unterstützt wird. Es braucht auch nicht viel Fantasie, um zu glauben, dass Kinder mit Migrationshintergrund eher in die Sek B eingeteilt werden als Kinder, deren Eltern beide aus der Schweiz stammen – selbst dann, wenn sie in der Schule gleich gut sind.
Die Antwort auf die Frage, für welchen Bildungsweg sich Kinder und Jugendliche entscheiden, hängt darum nicht zuletzt davon ab, in welchem Umfeld sie aufgewachsen sind. Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – kurz OECD – zeigt auf, dass die Schweiz eines der Länder ist, in denen der soziale Hintergrund den Schulerfolg besonders stark voraussagt.
Potenziale bestmöglich entfalten
Doch all diese Erkenntnisse stehen eigentlich im Widerspruch zum Lehrplan 21. Dieser fasst zusammen, was Deutschschweizer Schülerinnen und Schüler vom Kindergarten bis zur Sekundarschule lernen sollen. «Alle Kinder sollen ihr Potenzial bestmöglich entfalten können», steht im Lehrplan 21 geschrieben. Für Bildungsforscherin Carola Mantel ist klar: «Wir wissen alle: Das gelingt nur begrenzt.»
Mantel ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zug und war früher selbst einmal Primarlehrerin. An der PH Zug leitet sie ein Forschungsinstitut und beschäftigt sich mit den Bildungschancen von Menschen mit Migrationshintergrund. An einer internen Veranstaltung der Kreisschulbehörde Limmattal im Eventlokal Alte Kaserne Zürich sprach sie kürzlich über das Thema «Chancengerechtere Schulen – Was können wir tun?». Die Wissenschafterin konnte zwar keine einfache Lösung aus dem Hut zaubern – was die Komplexität des Themas natürlich noch etwas schwerer auf den Zuhörerinnen und Zuhörern lasten liess.
Doch Mantel versuchte, nicht den Teufel an die Wand zu malen. Sie erzählte aus ihren Projekten und zeigte anhand von guten Praxisbeispielen auf, wo Bildungsfachleute selbst ansetzen können (siehe Kasten). Der Bund, aber auch der Kanton und die Stadt Zürich tun bereits einiges, um die Bildungschancen für die Kinder und Jugendlichen in der Schweiz gerechter zu verteilen. Zum Beispiel, indem der Regierungsrat die frühkindliche Bildung stärken will. Eltern, die ihre Kinder in Kindertagesstätten oder Tagesfamilien betreuen lassen, sollen zum Beispiel finanziell entlastet werden. «Leistungsdifferenzen bei der Einschulung vergrössern sich im Verlauf der Primarschulzeit zuungunsten sozial benachteiligter Kinder», sagt Mantel. Mit anderen Worten: «Die Schere geht im Laufe der Schulzeit weiter auf.»
Lehrpersonen können etwas tun
Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben den bereits erwähnten ungleichen Bildungsbedingungen kommt auch die Bildungslaufbahn der Eltern hinzu. Wer selbst nicht im Gymnasium war, rät seinem Kind vielleicht eher zu einer Lehre. Wiederum wollen andere Eltern ihre Kinder unbedingt ins Gymi bringen, auch wenn der Nachwuchs in einer Lehre besser aufgehoben wäre.
Ausserdem spielen auch die Lehrpersonen eine wichtige Rolle, indem sie die Potenziale ihrer Schülerinnen und Schüler gezielt fördern und sich ihrer zum Teil unbewussten Vorurteile gegenüber Kindern mit Migrationshintergrund bewusst werden. Letzteres dürfte für die Lehrpersonen sicher nicht ganz einfach zu verdauen gewesen sein. Beim Thema Diskriminierung haben wir alle blinde Flecken.
Schulkreispräsidentin Katrin Wüthrich (SP) gab zum Abschluss darum eine positive Botschaft mit: «Wir können alle etwas für eine chancengerechtere Schule tun.»