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05.03.2024
05.03.2024 09:07 Uhr

«Es gibt vieles, was mich stolz macht»

«Ich gehe mit einem reinen Gewissen», sagt Trainer Petr Hrachovec (51). Der Handballverein GC Amicitia Zürich trainiert und spielt in der Saalsporthalle in Zürich.
«Ich gehe mit einem reinen Gewissen», sagt Trainer Petr Hrachovec (51). Der Handballverein GC Amicitia Zürich trainiert und spielt in der Saalsporthalle in Zürich. Bild: Pascal Turin
Petr Hrachovec hat GC Amicitia Zürich zu einem Spitzenteam geformt. Ende Saison hört der Handball-Trainer trotz Erfolg bei den Hoppers auf. Im Interview spricht er über die Gründe und den schönsten Sieg.

Pascal Turin

Petr Hrachovec, das wollen wahrscheinlich viele Fans von Ihnen wissen: Warum haben Sie Ihren Vertrag bei GC Amicitia Zürich nicht verlängert?

Ich habe mich mehrheitlich aus persönlichen Gründen dazu entschieden aufzuhören. Es war keine Entscheidung gegen GC, sondern für mich selbst. Ich bin jetzt dreieinhalb Jahre hier. Wir haben sehr viel geleistet und uns aus dem Tabellenkeller hochgearbeitet. Nun braucht es noch den letzten Schritt, um langfristig zu den Spitzenteams zu gehören. Ich gehe mit einem reinen Gewissen.

Wohin zieht es Sie nach dieser Saison – etwa zu Pfadi Winterthur oder den Kadetten Schaffhausen?

Nein, nein, aber ich werde vermutlich Trainer bleiben, definitiv unterschrieben ist jedoch noch nichts. Im Handball kann sich schnell alles ändern, das habe ich schon oft erlebt.

Blicken wir zurück: GC war ein Abstiegskandidat, als Sie das Team übernommen haben.

Ja, das war eine sehr schwierige Lage, als ich gekommen bin. Hinzu kam die Corona-Zeit. Es drohte sogar der Abstieg. Seither sind wir stetig nach oben geklettert.

Was braucht es, um definitiv ein Spitzenteam zu werden?

Sportlich braucht es eigentlich nicht viel, aber es fehlt noch an Details. Eine bessere Infrastruktur, mehr Budget. Bei uns sind zum Beispiel nicht alle Spieler Vollprofis. Mehr als die Hälfte arbeitet oder studiert nebenbei. Das erschwert auch den Trainingsprozess. Wir können uns nicht mit Teams wie Schaffhausen vergleichen. Das sind unterschiedliche Welten. Es braucht aber auch Zeit. Wenn der Verein so weiter macht, bleibt er konkurrenzfähig.

Aber Sie waren ja der Grund, weshalb GC jetzt wieder erfolgreich ist.

Das würde ich nicht so sagen. Es müssen viele Zahnrädchen ineinandergreifen. Ich hatte extreme Ansprüche an die Mannschaft und das Umfeld. Alle haben sehr gut mitgezogen, auch der Vorstand. Hinter den Ergebnissen steht viel Arbeit des ganzen Vereins.

Sie haben die Kadetten Schaffhausen trainiert und waren bei Pfadi Winterthur Assistenztrainer. Beides Topteams. War GC Amicitia nicht ein Abstieg für Sie?

GC ist eine sehr gute Marke im Handball. Mich hat es darum gereizt, daraus wieder ein erfolgreiches Team zu formen. Vorher habe ich bei Top-Mannschaften gearbeitet und darum die gleiche Einstellung, die ich von den Profis immer verlange, auch hier von allen Spielern verlangt. Natürlich muss man gewisse Kompromisse machen. Aber gerade beim Training konnten wir viel herausholen. Ich wollte eine andere Mentalität entwickeln. Dort liegt der Hauptgrund für unseren Erfolg.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Ach (denkt nach) ... Da gibt es ganz Verschiedenes. Was mich stolz macht, ist, dass die Einstellung der Mannschaft in den dreieinhalb Jahren immer top war. Ausserdem haben wir uns auch jedes Jahr in der Tabelle entwickelt. Der Höhepunkt war aber klar der Cup-Sieg 2021/22 gegen Pfadi Winterthur. Das ist natürlich etwas Einmaliges. Auch für mich in meiner Karriere war das eines der besten Erlebnisse.

Und welches Ziel haben Sie sich für diese Saison noch gesetzt – den Meistertitel?

Wir müssen realistisch bleiben. Wir haben jetzt unser Ziel, die Top 4, erreicht. Der nächste Schritt wäre das Überstehen des Playoff-Viertelfinals. Das wird eine harte Nuss. Wenn wir das schaffen, ist aus meiner Sicht viel möglich.

In der Schweiz haben Fussball und Eis­hockey klar die Nase vorn. Was fasziniert Sie persönlich am Handball?

Ich bin schon seit meiner Kindheit fasziniert von Handball. Mein Bruder hat gespielt, mein Onkel auch. In Tschechien hat neben Eishockey auch Handball Tradition. Der Sport ist einfach meine Leidenschaft. Wer mal ein Spiel von GC sieht, der kommt ganz sicher auf seine Kosten. Es ist schade, dass wir in der Saalsporthalle nur einen Schnitt von zirka 400 Zuschauerinnen und Zuschauern pro Spiel haben. Aber in Zürich ist die Konkurrenz durch andere Sportarten wie Fussball halt zu gross.

Welche Teams sollte man unbedingt mal live gesehen haben?

In der Schweiz würde ich natürlich GC und Schaffhausen empfehlen. Und international Barcelona und Magdeburg.

Im Januar verlor die Schweizer Nati an der EM gegen Deutschland vor über 50 000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Was braucht es, damit die Schweiz zu ­einer Handball-Topnation wird?

Das ist eine schwierige Frage. Deutschland hat ein viel grösseres Reservoir an Nachwuchsspielern. Es braucht bei uns eine bessere Nachwuchsförderung. Wir müssen einfach Kinder und Jugendliche für den Sport begeistern.

Vermutlich hilft es auch nicht, dass viele Spieler nebenbei noch arbeiten müssen.

Das ist aus meiner Sicht nicht das Hautproblem. Ich bin der Meinung, dass man ein Studium oder eine Ausbildung gut mit Handball verbinden kann.

Zur Person

Der Tscheche Petr Hrachovec (51) ist noch bis Ende Saison Cheftrainer bei GC Amicitia Zürich. Er spielte in seinem Heimatland für den HC Zubří, danach in Deutschland unter anderem für die Rhein-Neckar Löwen und in der Schweiz für die Kadetten Schaffhausen. 

Als Trainer holte er mit den Kadetten vier Meistertitel. Im Januar 2021 stiess Hrachovec zu den Hoppers. Er übernahm das Team auf dem zweitletzten Platz der Quickline Handball League (höchste Liga). Der bisherige Höhepunkt seiner Karriere bei GC Amicitia Zürich war der Cup-Sieg 2021/22.

Pascal Turin/Zürich24