«Damit entwickelt sich unser Bildungssystem in eine gefährliche Richtung», titelte der ‹Tages-Anzeiger› diesen Monat und zitierte bürgerliche Bildungsexperten. Diese bemängeln, dass im neuen Lehrplan für Gymnasien Themenfelder wie «planetare und soziale Belastungsgrenzen» oder «intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit» Einzug halten. «Ideologische Indoktrination» nennen die Bürgerlichen das. Das ist Unsinn.
Das Konzept der «planetaren und sozialen Belastungsgrenzen» ist wissenschaftsbasiert, entwickelt vom Forscher Johan Rockström, der sich mit den Stabilitätseigenschaften ökologischer Systeme befasst. Die Wissenschaftsfeindlichkeit der bürgerlichen Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker geht in der Kritik zum neuen Lehrplan aber noch weiter. Auch «intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit» setzen sie kaltschnäuzig einer Ideologie gleich. Eine äusserst seltsame Sichtweise, denn auch dieses Themenfeld basiert auf einem global verankerten Konzept.
Es ist mehr als dreissig Jahre her, als 1987 im Brundtland-Bericht das Leitbild zur nachhaltigen Entwicklung erstmals vorgestellt wurde. Eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen und stellt eine gute Lebensqualität sicher – überall auf der Welt, sowohl heute als auch in Zukunft. Intragenerationell und intergenerationell eben! Keine Ideologie also, die da in den Lehrplan soll, sondern ein Werkzeug, auf das sich zum Beispiel auch Ämter und Unternehmen stützen, wenn sie ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungen ausweisen.
Wer kann etwas dagegen haben, dass die Schule junge Menschen befähigt, Zusammenhänge zu verstehen und sich als eigenständige Person in der Welt zurechtzufinden? Wer kann etwas dagegen haben, dass die Schule junge Menschen befähigt, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv an gesellschaftlichen Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen für eine ökologische, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung zu beteili-gen?
Wer kann etwas dagegen haben, dass die Schule junge Menschen befähigt, sich kritisch und kreativ mit unterschiedlichen Wertvorstellungen, dynamischen Entwicklungen, Widersprüchen und Ungewissheiten unserer globalisierten Welt auseinanderzusetzen? Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) auf allen Schulstufen ist essenziell – eine Auffrischung, um was es da eigentlich geht, täte auch vielen Erwachsenen gut, damit nicht Unwissenheit dazu führt, BNE als Ideologie zu verunglimpfen.