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Sport
28.03.2024
29.03.2024 12:53 Uhr

Er musste seinen Traum aufgeben

Nathanael Streule holt derzeit an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene im Stadtzürcher Quartier Riesbach die Matur nach.
Nathanael Streule holt derzeit an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene im Stadtzürcher Quartier Riesbach die Matur nach. Bild: Pascal Turin
Der Entscheid fiel ihm nicht leicht: Nathanael Streule, Goalie beim EHC Wallisellen, leidet nach einem Aneurysma an dauernden Kopfschmerzen. Für seine Gesundheit hängt der 21-Jährige darum jetzt den Helm an den Nagel.

Pascal Turin

Ein Puck war der Anfang vom Ende seiner Eishockeykarriere: Vor vier Jahren traf den damaligen ZSC-Nachwuchsgoalie Nathanael Streule an einem Turnier in Prag ein Puck am Kopf. Erste Diagnose: Gehirnerschütterung. Alles halb so schlimm, dachte sich der Walliseller im ersten Moment, denn zum Glück war sein Kopf ja durch den Goaliehelm gut geschützt gewesen – und Hirnerschütterungen sind im Eishockey leider traurige Realität. So musste zum Beispiel der ehemalige SCB-Star und frühere Kloten-Spieler Eric Blum seine Karriere nach einer schweren Gehirnerschütterung beenden.

Schnell stellte sich bei Nathanael Streule heraus, dass es sich bei den Symptomen nicht um eine Hirnerschütterung handelte. Eine Magnetresonanztomografie, kurz MRI, brachte es ans Licht: Streule hatte ein Aneurysma im Gehirn. Ein Aneurysma ist eine Gefässerweiterung. Platzt ein solches Hirn-Aneurysma, kann es lebensgefährlich werden. Der damals 17-Jährige musste darum rasch operiert werden. Die Ärzte gehen davon aus, dass das Aneurysma durch den Aufprall des Pucks auf den Kopf entstanden ist.

Streule leidet seit der Verletzung an ständigen Kopfschmerzen. «Man gewöhnt sich daran», erzählt Streule, der die Fachmittelschule absolviert hat und aktuell an der Kantonalen Maturitätsschule für Erwachsene im Stadtzürcher Quartier Riesbach die Matur nachholt. «Wenn es gar nicht mehr geht, dann ziehe ich mich in ein dunkles Zimmer zurück und lege mich aufs Bett.»

Langsam zurückgetastet

Mit seinem Lieblingssport aufhören wollte der heute 21-Jährige trotzdem nicht. Immerhin kommt er aus einer Eishockeyfamilie. Sogar das Schweizer Fernsehen hatte 2016 in der Kindersendung «myZambo» über sie berichtet. Streule hat drei Brüder und eine Schwester, die alle Eishockey spielen oder gespielt haben. Am erfolgreichsten ist Maximilian Streule, der aktuell in der höchsten Liga als Verteidiger für den HC Fribourg-Got­téron in den Playoffs aufläuft.

Seine Geschwister setzten ihn aber nie unter Druck. «Sie rieten mir eher dazu, auf meine Gesundheit zu achten», erinnert sich Nathanael Streule. Doch der 180 Zentimeter grosse Torhüter kämpfte sich zurück, auch wenn der Weg steinig war. «Als ich zum ersten Mal nach dem Unfall wieder die Goalieausrüstung anzog, kriegte ich Panik», sagt der Walliseller. Er habe Angst davor gehabt, erneut von einem Puck getroffen zu werden – eine schlechte Ausgangslage für einen Goalie. Doch die ZSC-Organisation unterstützte ihn sehr und schickte Streule zum Sportpsychologen. Dieser riet ihm nach einigen Gesprächen auch, einen langfristigen Plan B ins Auge zu fassen. «Damals habe ich das natürlich nicht so gut aufgenommen», erinnert sich Streule.

Langsam tastete er sich zurück und wechselte auf die Saison 2022/23 vom Nachwuchsteam U20-Elit der ZSC Lions zum EHC Wallisellen. «Die Trainer und die Mitspieler hatten alle viel Verständnis für meine Situation», so Streule. Wenn seine Kopfschmerzen zu stark wurden und das Trainieren unmöglich machten, durfte er nach Hause. Beim EHC Wallisellen fand er zwar die Freude am Sport wieder, wurde aber auch immer wieder von leichten Hirnerschütterungen zurückgeworfen. In ihm reifte mit der Zeit darum der Entschied, mit dem Sport ganz aufzuhören. «Es war nicht leicht, gleichzeitig war der Entschluss auch eine Befreiung», sagt der Maturand.

Mit dem EHC Wallisellen schaffte er es diese Saison bis in den Playoff-Halbfinal. Dort war der EHC Illnau-Effretikon aber eine zu grosse Hürde. Streule blickt positiv auf die vergangenen zwei Jahre zurück: «Wir hatten in der Garderobe eine sehr gute Stimmung und ich konnte viel von den älteren Spielern lernen.»

Nächstes Ziel: Australien

Gerade bereitet sich Nathanael Streule auf seine Maturitätsprüfungen vor. Nach dem Gespräch will er noch mit Freunden lernen. Er möchte Meeresbiologe werden. Diesen Plan B hat er in der Zeit nach seiner Verletzung gefasst. «Mich faszinieren Korallen, weil sie so wichtig für die biologische Vielfalt sind», sagt Streule. Fürs Studium hat er sich schon sein Traumziel ausgesucht: Australien – «weil das Wetter schöner ist als an der Nordsee».

Pascal Turin/Zürich24