Pascal Turin
1910 standen weite Teile von Zürich unter Wasser: Damals traten Sihl und Limmat über die Ufer und richteten in der Stadt grossen Schaden an. Seit dem Jahrhundert-Hochwasser wurde so viel gebaut, dass eine solche Überschwemmung für das Sihltal, die Stadt und das Limmattal heute eine Katastrophe wäre. Bei den starken Unwettern von 2005 wurde Zürich zum Glück knapp verschont.
Ein Bauwerk, welches hilft, die Stadt vor Überschwemmungen zu schützen, ist das Platzspitzwehr. Es befindet sich dort, wo Limmat und Sihl zusammenfliessen. Gleich in der Nähe ist das Jugendkulturhaus Dynamo. Doch das Platzspitzwehr ist am Ende seiner Lebensdauer angelangt – ausserdem nimmt laut Kanton mit jedem weiteren Betriebsjahr die Zuverlässigkeit des Wehrs ab. Das Platzspitzwehr wird darum ersetzt. Am Freitag war offizieller Baustart, die Arbeiten sollen bis Mitte 2028 dauern.
Mattensteg wird verschoben
Das Wehr stammt aus dem Jahr 1951 und dient neben der Stromproduktion im Kraftwerk Letten zur Regulierung des Zürichseepegels. Es ist damit ein wichtiges Puzzlestück beim Hochwasserschutz. Das heisst: Wasser aus dem Zürichsee kann dank des Wehrs wenn nötig zurückgehalten werden, wenn der Wasserpegel in der Sihl zu schnell steigt. Denn die Sihl ist ein Wildfluss und fliesst bei Unwetter deutlich stürmischer als die Limmat. «Die Sihl kann sehr viel Wasser bringen», sagte Christoph Zemp, Chef des kantonalen Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft, an einer Medienkonferenz. Das neue Wehr werde sich dem alten «optisch und akustisch sehr ähneln». Die Technik dahinter ist jedoch eine andere (siehe Video). Dadurch soll die Steuerung bei Hochwasser flexibler werden.
Ausserdem muss der Mattensteg, eine Fussgänger- und Velofahrerbrücke, die vom Sihlquai auf den Platzspitz führt, ebenfalls saniert werden. Er wird abgebaut, erneuert und dann 80 Meter flussaufwärts wieder aufgebaut. Die Stahlbrücke wurde gemäss Andreas Thoma vom städtischen Tiefbauamt ursprünglich für die Schweizerische Landesausstellung 1883 gebaut und ist denkmalgeschützt.
Dort wo aktuell der Mattensteg steht, wird eine neue und breitere Brücke für Fussgängerinnen und Velofahrer erstellt. Sie dient während der Bauphase als Zufahrt zur Baustelle. Das hat den Vorteil, dass die Baumaschinen nicht durch den Park fahren müssen, was die Wurzeln des alten Baumbestands schützt. Die neue Platzspitzbrücke soll «schlicht» wirken und nachts beleuchtet sein.
«Es gibt für Velofahrende und Fussgänger eigentlich keine Einschränkungen während der Bauzeit», sagte Thoma. Damit diese ohne Umweg vom Sihlquai zum Jugendkulturhaus Dynamo kommen, wird eine temporäre Hilfsbrücke gebaut.
Kostenpunkt: 38,7 Millionen
Doch Kanton und Stadt haben nicht nur an die Menschen gedacht. Auch die Natur soll vom Projekt profitieren. So ist ein neuer Fischaufstieg im Damm zwischen Limmat und Lettenkanal geplant, damit die Fische in den Zürichsee zurückschwimmen können.
Die Kosten für das gesamte Projekt belaufen sich auf 38,7 Millionen Franken. Die Stadt übernimmt knapp 6,4 Millionen Franken der Kanton 32,3 Millionen. Allerdings wird sich auch der Bund an den Kosten beteiligen.
Auch das neue Wehr soll wieder 70 bis 80 Jahre halten.
Neukom und Brander griffen zur Spraydose
Um den Baubeginn medienwirksam zu inszenieren, vollendeten Regierungsrat Martin Neukom (Grüne) und Stadträtin Simone Brander (SP) ein Kunstwerk des Graffiti-Künstlers Adrian Scherrer. Beide schienen sichtlich Spass zu haben, auch wenn sie bei den ersten Versuchen mit der Spraydose noch etwas zögerlich vorgingen. Das Bild ziert nun eine Bauwand.