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Züriberg
22.04.2024
24.04.2024 17:51 Uhr

«Der Mittelstand wird vertrieben»

Balz Bürgisser bei der ehemaligen Wendeschlaufe des 31er-Trolleybusses. Dank seiner Initiative wurde daraus ein Quartierpark.
Balz Bürgisser bei der ehemaligen Wendeschlaufe des 31er-Trolleybusses. Dank seiner Initiative wurde daraus ein Quartierpark. Bild: Lorenz Steinmann
Balz Bürgisser freut sich sehr darüber, dass die Stadt unter Federführung von Stadtrat und Parteikollege Daniel Leupi das Areal Harsplen gekauft hat. Im Interview zieht Bürgisser Bilanz über die 16 Jahre an der Spitze des Witiker Quartiervereins.

Lorenz Steinmann

Balz Bürgisser, Gemeinderat (Grüne) und ehemaliger Prorektor und Mathematiklehrer am Realgymnasium Rämibühl, hat sein Amt als Quartiervereinspräsident von Witikon quittiert. Hier gibt er Auskunft über seine Zeit an der Spitze des höchstgelegenen Quartiervereins von Zürich.

Herr Bürgisser, Sie hören nach 16 Jahren als Quartiervereinspräsident auf. Warum?

Ich war 19 Jahre im Vorstand des Quartiervereins Witikon, davon 16 Jahre als Präsident. Jetzt ist es Zeit für eine Erneuerung.

Unter Ihrer Ägide hat sich einiges zum Besseren verändert in Witikon. Etwa die Verlängerung der Witiker Buslinie zum Hauptbahnhof (und weiter), der neue Quartierpark Berghalde, die Sanierung der Meyerhofscheune und in ihr die Einrichtung eines Ortsmuseums usw. Was kommt noch dazu?

Ja, in 16 Jahren engagiertem Wirken habe ich einiges realisieren können. Zum Aufgezählten dazu kommt beispielsweise der Brunnen mit Trinkwasser bei der Feuerstelle am Waldrand des Oetlibergs, zahlreiche zusätzliche Ruhebänke im Siedlungsgebiet und im Witiker Wald, der Neujahrsapéro, der seit 2017 vom Quartierverein und vom Gesundheitszentrum für das Alter gemeinsam durchgeführt wird usw. Bei all diesen Projekten war ich die treibende Kraft. Ich möchte aber betonen, dass die Projekte nur dank der Unterstützung der Vorstandsmitglieder und der Sekretärin des Quartiervereins realisiert werden konnten.

Dann sind Sie zufrieden mit dem in 16 Jahren erreichten?

Ja und nein. Ich habe zwar viel erreicht, es gibt aber Witiker Anliegen, die ich nicht durchsetzen konnte. Beispielsweise den Erhalt des Witiker-Huus oder die Erschlies­sung der Eierbrecht durch den öffentlichen Verkehr mittels einer Kleinbuslinie. Vielleicht hat mein Nachfolger da mehr Erfolg, ich wünsche ihm das von Herzen.

Wie sehr belastet Sie und den Verein die Veruntreuungen, die im April 2023 zum Vorschein kamen?

Ich selbst und der Vorstand fielen aus allen Wolken. Der Finanzchef, der als sehr kompetent und integer galt, veruntreute über 100 000 Franken Das war ein Schock für mich. Die Angelegenheit belastete mich zeitlich und psychisch stark. Es gelang mir, den Verein aus diesem finanziellen Desaster herauszuführen. An der Versammlung vom 25. März 2024 haben die Mitglieder einen Schlussstrich unter dieses düstere Kapitel gezogen und mit der Zustimmung zu Statutenänderungen dafür gesorgt, dass so etwas in Zukunft nie mehr passiert.

Zum Thema Harsplen: Wie fest hat der Quartierverein Einfluss gehabt, dass diese Rendite-Überbauung nicht kommt?

Der Quartierverein und Witiker Politikerinnen und Politiker haben sich dafür ­eingesetzt, dass die Swisscanto in der Überbauung Harsplen einen Anteil an preisgünstigen Wohnungen realisiert und dass die Anzahl Autoparkplätze der Überbauung auf ein Minimum beschränkt wird. Mit der von der Swisscanto beantragten Umzonung zur Erschlies­sung des Areals hatten die Politikerinnen und Politiker einen Hebel, um Druck auf die Swisscanto auszuüben. Dies führte schliesslich dazu, dass die Swisscanto das Areal der Stadt Zürich verkaufte.

War es ein Vorteil, dass Sie wie der verantwortliche Finanzvorsteher Daniel Leupi auch bei den Grünen sind?

Daniel Leupi und ich nehmen regelmässig an den Fraktionssitzungen der Grünen teil. Innerhalb der Fraktion findet ein reger Gedankenaustausch statt – zu verschiedenen Themen. Natürlich wurde auch die Überbauung Harsplen in der Fraktion mehrmals besprochen. Ich legte meine Sorge um die Entwicklung des Quartiers dar. In Witikon wurden und werden in grossem Stil preisgünstige Wohnungen abgerissen und neue teure Wohnungen gebaut. Dies führt zur Vertreibung des Mittelstandes aus Witikon, die gute soziale Durchmischung wird gefährdet. Ich freue mich sehr darüber, dass die Stadt unter Federführung von Daniel Leupi das Areal Harsplen gekauft hat. Jetzt werden da zu 100 Prozent gemeinnützige Wohnungen entstehen.

Sie bleiben ja Gemeinderat der Grünen für den Wahlkreis 7+8. Was steht politisch an für Witikon?

Ich werde mich weiterhin für die Dreifachsporthalle in Witikon einsetzen – und für eine Kleinbuslinie zur Erschliessung der Eierbrecht. Ein entsprechendes Postulat hatte ich im Gemeinderat eingereicht, es wurde einstimmig an den Stadtrat überwiesen. Zudem soll Witikon einen Pumptrack erhalten, als sportlichen Begegnungsort für die gesamte Bevölkerung. Diese Idee ist durch private Initiative entstanden. Ich unterstütze sie politisch, indem ich einen entsprechenden Vorstoss im Gemeinderat eingereicht habe. Beim Dauerthema Wohnen werde ich dafür besorgt sein, dass die Stadt die Quartiere Fluntern, Hirslanden, Hottingen, Riesbach und Witikon nicht vergisst.

Was machen Sie mit der neu gewonnen Freizeit?

Ich verwende die Zeit, um ein Leben mit mehr Musse zu führen. Ich werde vermehrt familiäre Beziehungen und Freundschaften pflegen. Solange ich im Zürcher Gemeinderat bin und solange ich meine Firma Mathecoaching weiterführe, wird mir bestimmt nicht langweilig.

Nicht alle haben Freude am Landkauf durch die Stadt

«Dass nun die Stadt kurz nach dem linksgrünen Powerplay im Gemeinderat das unbebaute Areal Harsplen in Witikon für unglaubliche 211 Millionen Franken Steuergelder  von der Swisscanto Anlagestiftung der Zürcher Kantonalbank kauft, lässt nur einen Schluss zu: Nur wer den links-grünen Parteien genehm ist, soll in Zürich noch bauen dürfen», findet Kantonsrat und ehemals Gemeinderat Claudio Zihlmann (FDP 7+8). Und: Mit dem Kauf des Gebiets schaffe die Stadt keine einzige neue Wohnung, welche nicht sowieso gebaut worden wäre. Sie baue genau die gleichen Wohnungen – deren Erstellung nun aber von der Öffentlichkeit bezahlt werde. 

Lorenz Steinmann/Zürich24