Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland
Züriberg
04.05.2024
03.05.2024 12:12 Uhr

Im Einsatz für Schwächere

Das Zürichberg-Quartier, auf das sie von ihrem Balkon aus einen herrlichen Ausblick hat, bedeutet Stéphanie von Walterskirchen viel. Sie setzt sich gerne dafür ein.
Das Zürichberg-Quartier, auf das sie von ihrem Balkon aus einen herrlichen Ausblick hat, bedeutet Stéphanie von Walterskirchen viel. Sie setzt sich gerne dafür ein. Bild: Karin Steiner
Sie kämpft für die Dolderbahn und gegen die Graffitiplage an Häusern: Die EVP-Politikerin Stéphanie von Walterskirchen ist am Zürichberg bekannt für ihr grosses Engagement für das Quartier. Ihr Wunsch wäre ein Sitz im Gemeinderat.

Karin Steiner

Von ihrem Haus am Zürichberg aus geniesst man einen herrlichen Blick über den Zürichsee. «Seit zehn Jahren wohnen wir hier», erzählt Stéphanie von Walterskirchen. «Zufällig haben wir an einem Anlass herausgefunden, dass die SP-Politi­kerin Jacqueline Badran in diesem Haus aufgewachsen ist. Sie kam einmal zu Besuch und freute sich sehr, ihre alte Heimat wiederzusehen.»

Auch wenn Stéphanie von Walterskirchen (noch) nicht so bekannt ist wie Bad­ran, so kennt man im Quartier doch ihren Namen dank ihres unermüdlichen Engagements für diverse Projekte. Zum Beispiel kämpfte sie mit Erfolg gegen eine verkürzte Mittagszeit an den Schulen, als der Mittagstisch eingeführt wurde. «Ich finde, die Eltern sollen selber entscheiden können, ob ihr Kind über Mittag nach Hause kommt oder nicht. Ich habe es sehr genossen, meine Kinder über Mittag zu sehen», sagt die Mutter zweier 18 und 10 Jahre alter Töchter und eines 4-jährigen Sohnes.

Kinderspital und Dolderbahn

Auch hat sie sich intensiv gegen einen Abriss und für eine Umnutzung des alten Kinderspitals eingesetzt. Und in jüngster Zeit war ihr der Erhalt der historischen Wagen der Dolderbahn ein besonderes Anliegen. Auch hier wurde ihr Engagement belohnt: «Ich freue mich sehr, dass einer der Wagen nun ins Verkehrshaus Luzern einziehen und einer beim ‹Dolder› zu sehen sein wird.»

Gerechtigkeit für Prostituierte

«Wenn ich etwas sehe, das mich bewegt, dann suche ich zuerst Verbündete, sammle Unterschriften und trete dann demokratisch mit einer Petition an die Politik heran. Dabei sind mir auch ökologische Ansätze wichtig.» Aktuell geht es ihr unter anderem um «Graffitiattacken» an den Hauswänden, die sie sehr stören.

Intensiv setzt sie sich mit der Situation von Prostituierten auseinander und hat einen Vorstoss an Stadträtin Karin Rykart verfasst. «Viele der Prostituierten sind traumatisiert. Sie würden gerne aussteigen, aber sie sind abhängig. Davon pro­fitieren Zuhälter und Freier. Es braucht Leute, denen sie sich anvertrauen können und die ihnen beim Ausstieg helfen. Frauen in der Prostitution sollen endlich Gerechtigkeit erfahren.»

Schon eine einzige Vergewaltigung könne lebenslangen Schaden anrichten. «Ich habe selber mit 14 Jahren sexuelle Gewalt erlebt, ich weiss, wovon ich rede. Ich habe überlebt und habe heute eine glückliche Familie. Aber das gelingt vielen nicht.»

Einstieg in die Politik

Weil sie sich mehr politisch engagieren möchte, ist Stéphanie von Walterskirchen vor zwei Jahren in die EVP eingetreten. «Das Programm dieser Mini-Partei gefällt mir. Ich bin gläubig, und ich möchte mich für Arme und Schwächere engagieren.» Schon bei den letzten Gemeinderatswahlen hat sie sich auf die Liste setzen lassen. Es hat nicht geklappt, aber sie hofft, einmal den Sprung zu schaffen. Dafür ist sie in die Kreisschulbehörde Waidberg gewählt worden und ist der Schule Riedtli zugeteilt. «Es ist interessant, nicht als Eltern, sondern von aussen einen ganz anderen Einblick in die Schule zu bekommen.»

Eine alte Adelsfamilie

Stéphanie von Walterskirchen wurde 1980 als zweite von drei Töchtern in Bern geboren. Die Familie von Walterskirchen zu Wolfsthal ist ein altes österreichisches Adelsgeschlecht, das einst zwei Schlösser besass, die heute noch existieren, aber nicht mehr in Familienbesitz sind. Dennoch wuchs Stéphanies Vater in Armut in einem Waisenhaus auf, denn sein Vater starb, als er noch ein Baby war. Durch Verwandtschaft in Bern liess er sich dort nieder, studierte, wurde Burger von Bern und arbeitete sich hoch zum Bundesbeamten und Diplomaten. «Deshalb lebten wir von 1984 bis 1988 in Moskau. An diese Zeit habe ich eine gute Erinnerung.» Dennoch sei ihre Jugend schwierig gewesen. «Ich war ein eher unscheinbares Kind. Die ältere Schwester beanspruchte viel Aufmerksamkeit von den Eltern. Nach dem sexuellen Übergriff machte ich eine schwere Zeit durch, zog früh von zu Hause aus und machte später eine Ausbildung zur medizinischen Masseurin. Auf dem Beruf habe ich danach jedoch nie gearbeitet, ich bin lieber um die Welt gereist.»

Als junge Frau lernte sie ihren heutigen Mann Enrico kennen, der in der Werbebranche tätig war. Nach der Geburt der ersten Tochter trennten sich die beiden jedoch wieder. «Wir brauchten eine Auszeit. Die Mutterschaft und das Leben als Alleinerziehende waren wertvoll für mich, ich musste auf eigenen Beinen stehen.» Später kam das Paar wieder zusammen, und heute lebt die fünfköpfige Familie gemeinsam am Zürichberg. «Die Mutterrolle macht mich sehr glücklich», sagt Stéphanie von Walterskirchen. Und setzt sich an den Schreibtisch, um auch ihre politische Arbeit voranzutreiben.

Karin Steiner/Zürich24