Tobias Hoffmann
Prag nennt sich stolz «Stadt der tausend Türme». Zürich ist mit der alten Kaiserresidenz natürlich nicht zu vergleichen, aber ohne Türme ist auch Zürich nicht denkbar: Die eng beieinander stehenden Kirchtürme der Altstadt tragen wesentlich zu ihrem Reiz bei. Niemand hat es je gewagt, Hand an sie zu legen, doch in den 1930er-Jahren ging es vielen Türmchen, Kuppeln und sonstigen Gebäudeaufbauten an den Kragen, ebenso dem üppigen plastischen Fassadenschmuck von Bauten des Historismus. Eine Purifizierungswelle erfasste Zürich, denn dem neuen Zeitgeist machte das Ornamentale rasende Bauchschmerzen. So musste zum Beispiel der hübsche Turmaufbau auf der ehemaligen Fraumünsterpost – heute ist ein «Lidl» darin – am Stadthausquai dran glauben. Seine Entfernung habe die Stadtsilhouette beruhigt, schrieb das Fachblatt «Das Werk» 1934. Um den Preis, dass heute eine klobige Trutzburg neben dem filigran dekorierten Metropol-Haus steht.
Ist es nun einfach der Zeitgeist in den Jahren des Neuen Bauens, der solche Verunstaltungen mit sich brachte? Oder ist es die sprichwörtliche Zürcher Nüchternheit und Zurückhaltung? Oder sogar der weiterhin über den Limmatwassern schwebende zwinglianische Geist? Wie auch immer, Zürich ist sicher nicht für seine besonders verspielte Architektur bekannt. Manches ist von einer fast schon deprimierenden Monotonie, und wirklich Exaltiertes kann man sich in dieser Stadt eigentlich gar nicht vorstellen. Was nicht nur ein Nachteil sein muss.
Asphalt statt Vielfalt
Aber lassen wir für dieses Mal die Architektur und wenden wir den Blick nicht nach oben, sondern nach unten, auf den Boden. Schliesslich steht der Sommer vor der Tür, die Zeit des Flanierens und Einkaufsbummelns ist gekommen, man sitzt in Strassencafés und sürfelt Cappuccino. Und worauf bummeln wir in einer der teuersten Städte der Welt? Asphalt und immer wieder Asphalt. Das ist doch logisch, mag man ausrufen: asphaltierte Strassen und Trottoirs, so ist es halt im urbanen Raum. Aber muss das so sein? Wir alle kennen von Reisen im Ausland Strassen und Plätze, die dank der Verwendung verschiedener Materialien lebendig, manchmal sogar ornamental gestaltete Oberflächen aufweisen. Ein relativ bescheidenes, aber aussagekräftiges Beispiel aus der Hamburger Speicherstadt ist unten zu sehen.