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Stadt Zürich
19.07.2024
23.07.2024 10:12 Uhr

Als der Schwarze Tod in Zürich wütete

Rund zwei Dutzend Mal grassierte in der Stadt Zürich die Pest. Das Bild zeigt die Beisetzung von drei Pesttoten, die im Februar 1582 unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Kirchhof des Grossmünsters in Zürich zu Grabe getragen wurden. Aufgrund der zahlreichen Todesopfer, welche der Schwarze Tod forderte, mussten auch in Zürich Massengräber ausgehoben werden, um die Seuchentoten zu bestatten.
Rund zwei Dutzend Mal grassierte in der Stadt Zürich die Pest. Das Bild zeigt die Beisetzung von drei Pesttoten, die im Februar 1582 unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Kirchhof des Grossmünsters in Zürich zu Grabe getragen wurden. Aufgrund der zahlreichen Todesopfer, welche der Schwarze Tod forderte, mussten auch in Zürich Massengräber ausgehoben werden, um die Seuchentoten zu bestatten. Bild: Zentralbibliothek Zürich
ZEITREISE – Im Mittelalter grassierten in der Schweiz zahlreiche Seuchen – allen voran die Pest. Auch die Stadt Zürich wurde vom Schwarzen Tod nicht verschont. Abertausende wurden von der Seuche dahingerafft. Unter den Toten befanden sich auch zahlreiche prominente Zürcher.

Dominique Rais

Der Körper mit schwarzen Flecken übersäht, eitrige Beulen und Blasen an Hals, Achseln und Leisten: Die Pest hat vom Spätmittelalter, Mitte des 14. Jahr­hunderts, bis in die frühe Neuzeit, Mitte des 17. Jahrhunderts, in der Stadt Zürich sowie auf dem Land über eine Viertel­million Menschen dahingerafft. Doch die Dunkelziffer der Zürcher Pesttoten in dem besagten Zeitraum dürfte weit höher sein, wie aus der Auflistung «Ansteckende Krankheiten in Zürich», die in der Ausgabe der «Zürcher Statistischen Nachrichten» von 1937 erschienen ist, hervorgeht.

Eine der ersten historisch belegten Pestwellen traf die Stadt Zürich 1349 – vor 675 Jahren. Die genaue Zahl der Todes­opfer ist nicht bekannt. Allerdings soll der Schwarze Tod damals schweizweit über 180 000 Menschenleben gekostet haben. Im 15. und 16. Jahrhundert häuften sich die Pestausbrüche – dabei blieb auch Zürich nicht verschont. Gemäss Aufzeichnungen starben 1434 – vor 590 Jahren –, als die Pestilenz abermals die Limmatstadt heimsuchte, in der Stadt 3000 und auf dem Land weitere 25 000 Menschen.

In den Fängen der Seuche

Wer sich erst einmal mit der Pest infiziert hatte, für den gab es damals kaum Chancen, die Seuche zu überleben. «Sie ist in der Tat ein über alle Massengiftiges, hitziges, ansteckendes und tödliches Fieber. Ja, das giftigste von allen Fiebern, davon die Menschen plötzlich überfallen werden und in wenigen Stunden oder Tagen mit oder ohne Flecken, Blattern, Beulen oder schwarzem Brand-­Trüsen meistenteils dahinsterben», beschreibt der Zürcher Mediziner und Anatom Johann von Muralt (1645–1733) in seiner 1721 veröffentlichten Schrift «Kurtze und grundliche Be­schreibung der ansteckenden Seuche der Pest» den Schwarzen Tod.

In seiner Funktion als Stadtarzt war er ab 1688 unter anderem mit der Seuchen­bekämpfung in der Limmatstadt betraut. Aufgrund der Vielzahl der Pestopfer wurden in der Stadt Massen­gräber ausgehoben, um die Toten rasch beisetzen zu können.

  • Als Zürich 1519 – vor 505 Jahren – die Pest in Zürich grassierte, war auch der spätere Reformator Huldrych Zwingli (1484–1531) vor der Seuche nicht gefeit. Einem Wunder gleich schaffte es Zwingli dem Schwarzen Tod zu trotzen. Bild: gemeinfrei
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  • Der Zürcher Buchdrucker Christoph Froschauer (1490–1564) war einer der ersten, der am 1. April 1564 an der abermals in Zürich grassierenden Seuche starb. Bild: gemeinfrei
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  • Der Reformator und Zwingli-Nachfolger Heinrich Bullinger (1504–1575) verlor einen grossen Teil seiner Familie durch die Pest. Er selbst infizierte sich ebenfalls mit der Krankheit, überlebte jedoch. Bild: gemeinfrei
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  • Der Zürcher Arzt und Gelehrte Konrad Gessner (1516–1565) , der noch kurz zuvor den Zwingli-Nachfolger Bullinger behandelt hatte, starb am 13. Dezember 1565 an den Folgen der Pest. Bild: gemeinfrei
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  • Rund zwei Dutzend Mal grassierte in der Stadt Zürich die Pest. Das Bild zeigt die Beisetzung von drei Pesttoten, die im Februar 1582 unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Kirchhof des Grossmünsters in Zürich zu Grabe getragen wurden. Aufgrund der zahlreichen Todesopfer, welche der Schwarze Tod forderte, mussten auch in Zürich Massengräber ausgehoben werden, um die Seuchentoten zu bestatten. Bild: Zentralbibliothek Zürich
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Während der über drei Jahrhunderte, in denen die Pest immer wieder in Zürich wütete, erkrankten auch zahlreiche prominente Zürcher an ihr. Unter ihnen war der spätere Reformator Huldrych Zwingli (1484–1531).

Als Zürich vor nunmehr 505 Jahren – im Sommer 1519 – abermals von einer Pestepidemie überrollt wurde, war Zwingli noch katholischer Priester, als auch er sich mit der Pest infizierte. Von Fieber und Schmerzen geplagt und dem Tode nah, hatte Zwingli wochenlang in Lebens­gefahr geschwebt.

Prominente Zürcher Pest-Opfer

In Zeiten, in denen die Pest als Strafe Gottes verstanden wurde, kam es auch für Zwingli einem Wunder gleich, dass er die Krankheit, welcher in der Stadt 2500 und auf dem Land über 20'000 Menschen erlagen, überlebt hatte. Dem Schwarzen Tod nur ganz knapp entronnen, verfasste Zwingli mit «Hilff, Herr Gott, hilff» ein Gebetslied, das als Zeugnis seines Kampfes gegen die Pest gilt.

Weitaus weniger Glück hatte Zwinglis Glaubensgefährte, der bekannte Zürcher Buch­drucker Christoph Froschauer (1490–1564). Er, der Zwinglis Reformations­gedanken als Flugschriften unters Volk brachte, war einer der ersten, der an der 1564 abermals in Zürich grassierenden Seuche starb.

Auch Zwingli-­Nachfolger Heinrich Bullinger (1504–1575) erkrankte; während er überlebte, fielen seine Frau und mehrere seiner Kinder jedoch dem Schwarzen Tod zum Opfer. Und auch der Zürcher Arzt und Gelehrte Konrad Gessner (1516–1565), der noch kurz zuvor Bullinger behandelt hatte, starb an den Folgen der Pest. Sie sind nur einige der 3700 Opfer, dieZürich infolge der Pestwelle von 1564 zu beklagen hatte. Und sie sollten nicht die letzten bleiben.

Ein Drittel der Bevölkerung starb

Mit dem «grossen Sterben» von 1611 wütete schliesslich die bisher ver­heerendste Pest­epidemie in der Schweiz. Gemäss Angaben des Zürcher Statistikers Johann Heinrich Waser (1742–1780) soll sich die Zahl der Pesttoten in der Stadt Zürich sowie auf dem Land auf insgesamt 51 200 belaufen haben.

Allein in der Stadt fielen 4864 Ein­wohner – davon neun Mitglieder des Kleinen Rats sowie 31 Mitglieder des Grossen Rats – dem Schwarzen Tod zum Opfer. Damit wurde die Stadt binnen drei Monaten um gut einen Drittel ihrer Bevölkerung beraubt.

Der letzte Ausbruch der Pest in der Stadt Zürich, ebenso wie auch in der Schweiz, ist auf das Jahr 1668 datiert. Doch andere Seuchen sollten folgten. So etwa grassierten in Zürich auch in den folgenden Jahrhunderten zahlreiche Epidemien und Krankheiten: von den Pocken über Typhus bis hin zu Cholera.

Erst im Sommer 1894 – vor nunmehr 130 Jahren – gelang es dem Schweizer Arzt und Bakteriologen Alexandre Yersin (1863–1943) schliesslich, den Pest-Erreger, der durch infizierte Flöhe von Ratten und Mäusen auf den Menschen übertragen wurde, zu ent­deckten und so den Grundstein für die spätere Bekämpfung der Infektions­krankheit zu legen.

Zeitreise: eine historische Serie

Die historische Serie «Zeitreise» taucht ein in Zürichs Vergangenheit und greift die Geschichten von Menschen und geschichtsträchtigen Ereignissen längst vergangener Tage auf.

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Dominique Rais