Roger Suter
Schweizer Meister wird man nicht von heute auf morgen. Doch mit gut zweieinhalb Jahren Vorbereitungszeit schaffte es Andrin Mayer doch bemerkenswert schnell. Das ist auch ein Merkmal der Sportart, die er für sich entdeckt hat, bei der man mit entsprechendem Einsatz ziemlich bald gut Resultate erzielen kann: Street Workout oder auch Calisthenics (siehe Box). Ganz grob könnte man es Kraftübungen ohne Kraftraum und Fitnesscenter nennen. Es geht darum, kraftraubende Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (und manchmal mehr) zu vollführen – so schnell, aber auch so perfekt wie möglich.
Während seiner Lehre als Optiker in Oerlikon hat Andrin Mayer diesen Sport für sich entdeckt; seit Sommer 2022 trainiert er im Verein Street Skills Glattbrugg. «Es hat mir von Anfang an mega gefallen», so der heute 20-Jährige, «der Spirit, die Kollegen. Man ist zusammen draussen an der frischen Luft, und es gibt nur wenige Regeln zu beachten.»
Qualifikation mittels Video
Passend dazu waren die Ausscheidungen für die Schweizer Meisterschaft ziemlich unkompliziert: Verlangt wurde ein Video der vorgegebenen Übungen als Beweis. Aufgrund dessen wurden die Finalisten vom Verband Swiss Street Workout and Calishtenics (SSWC) zu den Finals eingeladen und in die drei Gewichtsklassen (bis 68 Kilo, bis 78 Kilo und darüber) eingeteilt. In den Viertelfinals traten jeweils acht Finalisten gegeneinander an; zudem gab es eine Frauengruppe mit vier Finalistinnen. Im waadtländischen Etoy wurden dann am 18. Mai Viertelfinals, Halbfinals und Finals in zwei Disziplinen ausgetragen: «Sets & Reps», also Serien von Übungen und Wiederholungen, sowie «Freestyle», wo sich mit Federico Perri ebenfalls jemand von Street Skills Glattbrugg für die Endrunde qualifiziert hat.
Detailprogramm nicht bekannt
Das genaue Programm – die verlangten Übungen, Wiederholungen und Abfolgen – wurde dabei erst rund eine Stunde vor dem Finalwettkampf bekannt gegeben. Die Sportler müssen sich also auf alles vorbereiten. Bei Andrin Mayer hiess das verlangte Set im Finale:
- 5 Muscle Ups (Klimmzug mit anschliessendem Hochstemmen an der Stange)
- 30 Dips mit 5 Kilo Zusatzgewichten (an einem barrenähnlichen Gerät auf den Armen aufstützen, diese biegen und sich wieder hochdrücken)
- 20 Pull-ups mit 5 Kilo Extra (Klimmzüge)
- 30 Push-ups (Liegestützen)
- 20 Squats mit 24 Kilo Zusatzgewicht (tiefe Kniebeugen)
- zum Schluss nochmals 2 Muscle-Ups
Kurze Pausen sind dabei erlaubt; wichtig ist die perfekte und schnelle Ausführung. Um den direkten Vergleich zu erleichtern, finden die Durchläufe jeweils als «Battles» zweier Kontrahenten statt, welche die Übungen parallel absolvieren. Sie werden jeweils angefeuert von den mitgereisten Vereinskollegen, die auch beim Umhängen der bis zu 50 Kilo schweren Zusatzgewichte zur Hand gehen.
Angefangen auf dem Spielplatz
Wie der Trend ist auch der Verein relativ jung: Gegründet wurde er 2018 – hauptsächlich, damit man eine Turnhalle fürs Wintertraining benutzen konnte. «Es ist dann schon angenehmer drinnen», gibt Präsident Marc Aimone, 26-jährig und ebenfalls in Glattbrugg aufgewachsen, zu. Dabei ist man zuvor ganz bescheiden gestartet: Zu viert traf man sich jeweils beim Klettergerüst des Schulhauses Mettlen. Inzwischen sind es fast 40 aktive Mitglieder im Alter von 15 bis 35; sie stammen vor allem aus Opfikon, einige auch aus Wallisellen und Zürich, wo es weitere Vereine gibt. Zwischendurch spielt man auch mal Paddle oder Spikeball, fährt Velo oder veranstaltet ein gemeinsames Essen – wie in anderen Vereinen auch.
In der Turnhalle Mettlen, in wel-cher der Verein gemäss Präsident Marc Aimone dann relativ rasch einen Platz erhielt, ist man inzwischen eingerichtet: Neben den vorhanden Geräten wie Reck und Sprossenwand hat der Verein einige kleine eigene Geräte und Gewichte platzieren können.
Das mit der Schweizer Meisterschaft habe sich so ergeben, findet Andrin Mayer. Seit vergangenem Sommer hat er gezielt trainiert – zweimal pro Woche mit dem Verein und ebenso oft Krafttraining. «Das ist sicher intensiv», schätzt Präsident Marc Aimone ein, der Street-Workout-Coach sowie diplomierter Fitnessinstruktor ist. «Aber mit entsprechendem Einsatz kann man auch etwas erreichen.»
Für Andrin ist es ein idealer Ausgleich zur Arbeit. Er büffelt im Moment für die Berufsmatura, damit er sein Wirtschaftsstudium starten kann ... Im Frühling steht dann die Rekrutenschule in Kloten an («damit ich hier hin und wieder mittrainieren kann») – denn an der nächsten Schweizer Meisterschaft will Andrin seinen Titel verteidigen.
Beobachten kann man Street Skills Glattbrugg im Sommer jeweils montags und donnerstags im Glattpark, wo die Stadt Opfikon 2021 mit finanzieller Hilfe der ZKB entsprechende leuchtend gelbe Geräte samt «Bedienungsanleitung» aufgestellt hat. Mitmachen ist jederzeit möglich.