Lorenz Steinmann
Pascale Walker, wir brachten im Februar ein Porträt über Sie. Damals sagten Sie, dass Paris das grosse Ziel sei. Jetzt hat es geklappt, wie steinig war der Weg?
Der Weg hat sich deutlich steiniger erwiesen, als es noch im Februar ausgesehen hatte ... Ich war auf einem sehr guten Weg, in guter Form und topfit. Doch kurz nachdem der Artikel erschienen war, habe ich immer mehr Schmerzen in meinem Brustkorb verspürt. Ein MRI hat dann leider die Vermutung einer Rippenverletzung bestätigt. Ich hatte ein Knochenödem in zwei Rippenbögen, was eine achtwöchige Ruderpause mit sich brachte. So verpasste ich den ganzen Selektionsprozess, ein Weltcuprennen und die Europameisterschaften.
Wie konnten Sie sich trotzdem wieder in Form bringen?
Ich war gezwungen, meine Trainings aufrecht ohne Belastung der Arme und des Oberkörpers auf dem Indoorbike zu absolvieren. Viele Stunden habe verbrachte ich darauf, und immer im Kopf war die Frage, ob es noch reichen würde, ob ich wieder in den Doppelvierer würde zurückkehren können. Durch meine guten Leistungen zuvor hatte ich mir eine Chance verdient und durfte nach erneuten internen Ausscheidungen das zweite Weltcuprennen mit der gleichen Mannschaft fahren wie an der WM letzten Jahres, wo wir die Qualifikation holten. Die Trainer wollten sich aber auch nach diesem Wettkampf noch nicht festlegen und so war das dritte und letzte Weltcuprennen entscheidend für mich. Mit dem 2. Rang setzten wir ein Ausrufezeichen und ich qualifizierte mich für den Doppelvierer. Meine Erleichterung war riesig und ich kann es noch nicht ganz glauben, dass ich an die Olympischen Spiele fahren werde.
Eine schöne Geschichte, wie man sich zurückkämpfen kann. Sind Sie schon in Frankreich. Dort, wo die Wettkämpfe stattfinden?
Für das abschliessende 11‑tägige Trainingslager waren wir in Brive-la-Gaillarde, das liegt eher im Süden von Frankreich. Dort arbeiteten wir an den letzten Details. Am vergangenen Sonntag fuhren wir nach Paris, wo wir eine Nacht im Olympischen Dorf übernachteten. Dann ging es weiter zur Wettkampfstrecke. Leider ist sie etwas zu weit ausserhalb und wir können für den Wettkampf nicht im Olympic Village übernachten. Ich bin gespannt, die Strecke ist bekannt für Wind und wir Ruderer mögen den Wind nicht so ...
Was läuft bis zum ersten Ernstkampf?
Am vergangenem Samstag fingen wir langsam mit dem «Tapern» an. Dies ist die schöne Phase für uns, denn der Trainingsumfang wird langsam weniger, aus drei Einheiten von bis zu sechs Stunden am Tag werden noch zwei oder sogar nur noch eine Einheit. Dies ist die Zeit, in der wir uns erholen, um dann im richtigen Moment Topleistung abrufen zu können. Sobald wir an der Strecke in Paris sind, müssen wir uns an die Wasser- und Windbedingungen gewöhnen. Auch denke ich, dass die Ankunft in Paris sehr speziell sein wird. Uns wurde bereits gesagt, dass es ganz anders ist als alle anderen Wettkämpfe, welche wir bisher gefahren sind.
Als wie hoch schätzen Sie Ihre Medaillenchancen ein?
Zuerst ist es immer wichtig, die Vorrunden zu überstehen und in den Final zu kommen. Dort sind bei uns sechs Boote. Wenn wir da sind, ist alles offen. Denn das Feld ist sehr eng. In Luzern am Weltcup waren Platz eins bis fünf innerhalb von nur 1,5 Sekunden. Und die Olympischen Spiele sind immer besonders und ich bin überzeugt, dass auch wir mitmischen können.
Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal im Blumenladen der Eltern in Wiedikon ausgeholfen?
Uh, dieses Jahr ist es definitiv lange her ... Sicherlich habe ich vor Weihnachten noch relativ viel gearbeitet, doch danach würden meine Eltern wohl sagen gar nicht. Doch während meiner Verletzungsphase bin ich manchmal, um etwas anderes zu denken, beim Blumenausliefern mitgefahren und habe das Navi gespielt, denn sonst konnte ich mit meinen Rippen wirklich nicht viel machen.
Und was sind Ihre ersten (Kindheits-)Erinnerungen an Olympia?
Ich würde sagen die Kinderolympiade, welche in der Siedlung organisiert wurde, in der ich gross geworden bin. Danach habe ich einfach unglaublich viele verschiedene Sportarten gemacht und gar nie so ganz daran gedacht, dass man auch das Ziel haben könnte, an den Olympischen Spielen zu starten. Bis ich 2009 mit 14 Jahren zum Rudern kam und die ersten Erfahrungen sammeln konnte ...
Pascale Walker, alles Gute und toi, toi, toi! Wollen Sie unseren Leserinnen und Lesern noch etwas mitteilen hinsichtlich Olympia?
Vielen lieben Dank. Für mich ist es ein unglaubliches Abenteuer und ich werde versuchen, jede Sekunde davon zu geniessen. Mein Tipp: Schaut euch die Spiele an, auch das Rudern, es ist spannender, als ihr denkt. Ich und das ganze Team freuen uns über jedes Mitfiebern und Daumendrücken.