Karin Steiner
«Es hat mich sehr beschäftigt, dass ein Drittel aller Lebensmittel im Abfall landet, während ein grosser Teil der Menschheit hungern muss», sagt Matthieu Ochsner, Mitbegründer des Start-ups GoNiña. «Dieser fatale Umgang mit Lebensmitteln trägt massgeblich zur Klimakrise bei.»
Matthieu Ochsner hat Wirtschaft studiert und viele Jahre in beratender Funktion auf einer Bank gearbeitet. Danach wechselte er zum Start-up Smallpdf, welches eine Software entwickelt hatte, mit deren Hilfe Dokumente in PDF-Files umgewandelt werden können. «Aber etwas fehlte in meinem Leben», so Matthieu Ochsner. «Da die Klimakrise für mich ein Hauptproblem unserer Zeit darstellt, kam ich auf die Idee, eine Plattform zu entwickeln, mit deren Hilfe Foodwaste verringert werden kann.» Im Elektroingenieur Ferdinand von Hagen fand er einen interessierten Partner. Dieser hatte bereits ein erfolgreiches Start-up für Nachhilfeunterricht gegründet und war ebenfalls auf der Suche nach einer neuen Herausforderung.
Keine befriedigenden Lösungen
Viele Zürcher KMU-Betriebe wie Take-aways, Pizzerien, Kantinen und Fast-Food-Restaurants haben Probleme damit, die tägliche Kundennachfrage einzuschätzen. Die Folge davon sind grosse Mengen überschüssiger Lebensmittel, was nicht nur die finanziellen Mittel der Betriebe, sondern auch die Umwelt belastet und rund zehn Prozent der globalen Treibhausemissionen verursacht.
Bevor Matthieu Ochsner und Ferdinand von Hagen ihr Start-up GoNiña gründeten, machten sie eine Umfrage bei über 150 Restaurants, Cafés, Kantinen und Restaurationsbetrieben und stellten fest, dass ein grosses Bedürfnis für funktionierende Lösungen besteht. Der Wille, Foodwaste zu verringern, ist bei allen da.
«Für grosse Betriebe wie Supermärkte gibt es bereits Lösungen, die ihnen helfen, die Mengen zu berechnen. Für kleine Betriebe gibt es nichts, das befriedigend funktioniert. Viele KMU kaufen nach Intuition ein, planen falsch und produzieren ihr Angebot im Voraus, ohne zu wissen, wie der Absatz sein wird. Die Folge davon ist, dass sie einmal zu viel, ein andermal zu wenig im Angebot haben.»
Viele Faktoren spielen eine Rolle
Gemeinsam mit Ferdinand entwickelte Matthieu eine Lösung, dank der mithilfe künstlicher Intelligenz die Kundennachfrage vorausgesagt werden kann. Dabei wird aufgrund der Daten des Kassensystems die Menge der verkauften Waren ermittelt. «Es gibt viele Variabeln, welche die Kundennachfrage beeinflussen», erklärt Matthieu Ochsner. Ein entscheidender Faktor ist das Wetter. Zum Bespiel ist Sushi bei hoher Hitze weniger gefragt, Glace dafür umso mehr. Weitere Variabeln sind Schulferien oder grössere Anlässe wie Fussballspiele oder Events, die in der Nähe stattfinden. Auch Betriebsferien der umliegenden Konkurrenz können sich auswirken oder der 25. jeden Monats, wenn die Leute ihren Zahltag bekommen haben.
«Seit Covid hat sich das Konsumentenverhalten zusätzlich verändert, denn bei schlechtem Wetter arbeiten viele Arbeitnehmende lieber von zu Hause aus und holen sich ihr Mittagessen nicht in der Kantine oder beim Take-away.» Mithilfe künstlicher Intelligenz werden all diese Variabeln individuell berücksichtigt und es wird die mutmassliche Tagesmenge für die Betriebe berechnet. «Unsere Zielkunden sind nicht die Restaurants, die das Essen individuell zubereiten, sondern Betriebe, die im Voraus produzieren. Unsere Kunden konnten ihr Foodwaste durch unser Programm um bis zu 82 Prozent verringern.»
Den Überschuss weitergeben
Damit die Ware, die nach Ladenschluss dennoch übrig bleibt, nicht weggeworfen wird, hat GoNiña eine zusätzliche Plattform entwickelt, über welche die Lebensmittel zu vergünstigten Preisen an die Konsumentinnen und Konsumenten verkauft werden. «Mit Too Good To Go gibt es bereits ein ähnliches, international aktives Unternehmen», sagt Matthieu Ochsner. «Dabei kann man nach Ladenschluss für einen fixen Betrag Wundertüten kaufen. Man weiss jedoch nicht, was sich in den Tüten befindet. Wir glauben, dass die Konsumentinnen und Konsumenten lieber wissen möchten, was sie kaufen.»
Auf der GoNiña-App bekommt man eine Übersicht über die angeschlossenen Betriebe und kann sich seine Tüte am gewünschten Ort reservieren. Auch kann man sich benachrichtigen lassen, wenn der Lieblingsort Essen verfügbar hat und wann es abgeholt werden kann. «Zero Waste – Maximum Taste» lautet die Devise von GoNiña. «Viele Kundinnen und Kunden holen das Essen bewusst aus ökologischen und nicht aus finanziellen Gründen an diesen Orten ab.»
Matthieu Ochsner und Ferdinand von Hagen haben ihr Start-up GoNiña im August 2023 gegründet, im Februar dieses Jahres sind sie online gegangen. Inzwischen arbeiten auch zwei Praktikantinnen im Team mit. Die Prognosen für die Restaurationsbetriebe sind die ersten drei Monate gratis, danach kosten sie je nach Grösse des Betriebs zwischen 20 und 200 Franken pro Monat. Von den verkauften überschüssigen Waren bekommt GoNiña 25 Prozent bis zu einem Maximalbetrag von 2.50 Franken. Der Name «GoNiña» ist von «La Niña» abgeleitet, einem Wetterphänomen, das einen kühlenden Effekt auf unser Klima hat.