Lorenz Steinmann
In Zürich gibt es keine Amtszeitbeschränkung im Stadtrat, im Gegensatz zu anderen Städten wie etwa Chur (12 Jahre). Drei Amtszeiten sind aber in Zürich mehr oder weniger die Regel. Die Sozialdemokratin Emilie Lieberherr war 24 Jahre im Amt (1970 bis 1994), Sigi Widmer (LdU) gar 28 Jahre (1954 bis 1982, davon 16 Jahre im Stadtpräsidium) und Emil Klöti 35 (!) Jahre (1907 bis 1942, davon 14 Jahre als Stapi).
Rekordhalter? Edgar Woog von der Partei der Arbeit
Am anderen Ende der Fahnenstange: Hugo Farner (FDP) musste seinen Platz schon nach vier Jahren (1982–1986) wieder räumen, ebenso wie Edgar Woog (PdA), der gar nur von 1946 bis 1949 im Amt war. Jüngeren Datums ist Stadtrat Hans Wehrli, der von 1992 bis 1998 Schulvorsteher war und durch flapsige Aussagen bald fast alle Lehrer gegen sich hatte.
Mauch ohne nennenswerte Konkurrenz
Doch nun genug der Rückblicke. Was zählt, sind die nächsten Wahlen im Frühling 2026: Dann gibt es Gesamterneuerungswahlen für den neunköpfigen Stadtrat. Den ersten Schritt hat kürzlich die FDP getan. Sie hat eine Findungskommission Stadtratswahlen ins Leben gerufen unter dem Vorsitz von alt Stadträtin Kathrin Martelli. Martelli war von 1994 bis 2010 in der Exekutive, versuchte 2009 erfolglos, Stadtpräsidentin zu werden. Stattdessen machte Corine Mauch (SP) das Rennen. Mauch sitzt seither und seit 14 Jahren fest im Sattel. Nennenswerte Konkurrenz gab es nie, Filippo Leutenegger (FDP) scheiterte 2014 und 2018 klar. 2022 erfolgte Mauchs Wiederwahl mangels Gegenkandidatur sogar in einer Art stiller Wahl. Wenn man die Tradition Zürichs bei den Stadtpräsidien anschaut, könnte Mauch also in zwei Jahren durchaus nochmals eine Amtsperiode anhängen. Sie wäre dann 70-jährig und damit jünger als heute schon Leutenegger mit 71 Jahren ist.
Und damit zu unserer hochsommerlichen subjektiven Einschätzung:
André Odermatt (64, SP): Der studierte Geograf ist seit 14 Jahre Hochbauvorsteher. Wegen seiner Verdichtungsprojekte kommt er nicht überall gut an, kritisiert wird Odermatt auch, weil die Wohnungsnot so gross ist. Ob er sich das nochmals antun will? Voraussage: Odermatt tritt nicht mehr an.
Simone Brander (46, SP): Die Umweltnaturwissenschafterin ist seit 2022 im Amt und hat mit dem Tiefbaudepartement ihr Wunschressort bekommen. Oft muss sie Projekte umsetzen, die ihre Vorgänger nicht immer sehr zugunsten des Klimas aufgegleist haben. Voraussage: Brander will noch einiges umsetzen.
Daniel Leupi (58, Grüne): Der ehemalige Slow-up-Geschäftsführer sitzt seit 14 Jahren im Stadtrat, zuerst als Chef des Sicherheitsdepartements, seit 2010 als weitherum geachteter Finanzvorsteher. Durch seine erfolglose Ständeratskandidatur 2023 hat er angedeutet, dass er höhere Ziele hat. Etwa Stadtpräsident? Voraussage: Leupi wills wissen.
Raphael Golta (48, SP): Der ehemalige Journalist und Softwareentwickler ist seit zehn Jahren Sozialvorsteher. Öfters überraschte er in jüngerer Zeit mit sozialen Ideen zugunsten von Randgruppen. Einem Wechsel ins Stadtpräsidium scheint Golta nicht abgeneigt, auch wenn ihm die Volksnähe (noch) abgeht. Voraussage: Golta strebt das Stadtpräsidum an.
Corine Mauch (64, SP): Unsere Stadtpräsidentin brilliert nicht als Macherin. Aber warum soll sie nicht verwalten, was so gut läuft? Ihre Zögerlichkeit ist Stärke und Schwäche zugleich. Hängt sie noch eine Legislatur an? Voraussage: Mauch lässt Golta den Vortritt.
Michael Baumer (49, FDP): Der ETH-Ingenieur ist seit 2018 oberster Strömler und Trämler und ist fürs Trinkwasser zuständig. Wenn es nicht zu wenig Trampiloten hat, hört man kaum Negatives über ihn. Voraussage: Baumer hätte nichts gegen eine weitere Legislatur.
Karin Rykart (53, Grüne): Die Soziologin leitet das Sicherheitsdepartement seit 2018. Das Departement zu führen, ist traditionell undankbar. Das 2100-köpfige Polizeicorps hört lieber auf den zackigen Kommandanten als auf die Stadträtin. Voraussage: Rykart lässt sich nicht unterkriegen.
Filippo Leutenegger (71, FDP): Der sicher bekannteste Stadtrat ist seit zehn Jahren in der Zürcher Exekutive. Zuerst Tiefbau-Chef, wurde er 2018 entgegen dem eigenen Wunsch mit der Leitung des Schul- und Sportdepartements betraut. Leutenegger ist ausserdem Präsident der FDP Kanton Zürich. Voraussage: Leutenegger hat genug von der Exekutivpolitik und tritt 2026 nicht mehr an.
Andreas Hauri (57, GLP): Der ehemalige Marketingleiter ist seit 2018 Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements. Alter und Klimaschutz sind seine Kernthemen. Kritisiert wird Hauri, weil er beim Bereitstellen von Alterswohnungen zu wenig vorwärtsmacht. Voraussage: Hauri legt die Zügel noch nicht aus der Hand.