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Stadt Zürich
04.08.2024
04.08.2024 20:59 Uhr

Stadtrat: Wer steigt aufs Wahlkarussell?

Sie führen die Stadt Zürich (v. l.): André Odermatt, Thomas Bolleter (Stadtschreiber), Simone Brander, Daniel Leupi, Raphael Golta, Corine Mauch, Michael Baumer, Karin Rykart, Andrea Töndury (Rechtskonsulent), Filippo Leutenegger und Andreas Hauri.
Sie führen die Stadt Zürich (v. l.): André Odermatt, Thomas Bolleter (Stadtschreiber), Simone Brander, Daniel Leupi, Raphael Golta, Corine Mauch, Michael Baumer, Karin Rykart, Andrea Töndury (Rechtskonsulent), Filippo Leutenegger und Andreas Hauri. Bild: zvg./Stadt Zürich
Die nächsten Stadtratswahlen sind zwar erst im Frühling 2026. Doch schon jetzt laufen die Fäden hinter den Kulissen heiss. So sucht die FDP mit einer Findungskommission geeignete Personen für den Stadtrat und das Stadtpräsidiumsamt. Wer geht vorher, was macht die SP? Eine Einschätzung.

Lorenz Steinmann

In Zürich gibt es keine Amtszeitbeschränkung im Stadtrat, im Gegensatz zu anderen Städten wie etwa Chur (12 Jahre). Drei Amtszeiten sind aber in Zürich mehr oder weniger die Regel. Die Sozialdemokratin Emilie Lieberherr war 24 Jahre im Amt (1970 bis 1994), Sigi Widmer (LdU) gar 28 Jahre (1954 bis 1982, davon 16 Jahre im Stadtpräsidium) und Emil Klöti 35 (!) Jahre (1907 bis 1942, davon 14 Jahre als Stapi).

Rekordhalter? Edgar Woog von der Partei der Arbeit

Am anderen Ende der Fahnenstange: Hugo Farner (FDP) musste seinen Platz schon nach vier Jahren (1982–1986) wieder räumen, ebenso wie Edgar Woog (PdA), der gar nur von 1946 bis 1949 im Amt war. Jüngeren Datums ist Stadtrat Hans Wehrli, der von 1992 bis 1998 Schulvorsteher war und durch flapsige Aussagen bald fast alle Lehrer gegen sich hatte.

Mauch ohne nennenswerte Konkurrenz

Doch nun genug der Rückblicke. Was zählt, sind die nächsten Wahlen im Frühling 2026: Dann gibt es Gesamterneuerungswahlen für den neunköpfigen Stadtrat. Den ersten Schritt hat kürzlich die FDP getan. Sie hat eine Findungskommission Stadtratswahlen ins Leben gerufen unter dem Vorsitz von alt Stadträtin Kathrin Martelli. Martelli war von 1994 bis 2010 in der Exekutive, versuchte 2009 erfolglos, Stadtpräsidentin zu werden. Stattdessen machte Corine Mauch (SP) das Rennen. Mauch sitzt seither und seit 14 Jahren fest im Sattel. Nennenswerte Konkurrenz gab es nie, Filippo Leutenegger (FDP) scheiterte 2014 und 2018 klar. 2022 erfolgte Mauchs Wiederwahl mangels Gegenkandidatur sogar in einer Art stiller Wahl. Wenn man die Tradition Zürichs bei den Stadtpräsidien anschaut, könnte Mauch also in zwei Jahren durchaus nochmals eine Amtsperiode anhängen. Sie wäre dann 70-jährig und damit jünger als heute schon Leutenegger mit 71 Jahren ist.

Und damit zu unserer hochsommer­lichen subjektiven Einschätzung:

André Odermatt (64, SP): Der studierte Geograf ist seit 14 Jahre Hochbauvorsteher. Wegen seiner Verdichtungsprojekte kommt er nicht überall gut an, kritisiert wird Odermatt auch, weil die Wohnungsnot so gross ist. Ob er sich das nochmals antun will? Voraussage: Odermatt tritt nicht mehr an.

Simone Brander (46, SP): Die Umweltnaturwissenschafterin ist seit 2022 im Amt und hat mit dem Tiefbaudepartement ihr Wunschressort bekommen. Oft muss sie Projekte umsetzen, die ihre Vorgänger nicht immer sehr zugunsten des Klimas aufgegleist haben. Voraussage: Brander will noch einiges umsetzen.

Daniel Leupi (58, Grüne): Der ehemalige Slow-up-Geschäftsführer sitzt seit 14 Jahren im Stadtrat, zuerst als Chef des Sicherheitsdepartements, seit 2010 als weitherum geachteter Finanzvorsteher. Durch seine erfolglose Ständeratskandidatur 2023 hat er angedeutet, dass er höhere Ziele hat. Etwa Stadtpräsident? Voraussage: Leupi wills wissen.

Raphael Golta (48, SP): Der ehemalige Journalist und Softwareentwickler ist seit zehn Jahren Sozialvorsteher. Öfters überraschte er in jüngerer Zeit mit sozialen Ideen zugunsten von Randgruppen. Einem Wechsel ins Stadtpräsidium scheint Golta nicht abgeneigt, auch wenn ihm die Volksnähe (noch) abgeht. Voraussage: Golta strebt das Stadtpräsidum an.

Corine Mauch (64, SP): Unsere Stadtpräsidentin brilliert nicht als Macherin. Aber warum soll sie nicht verwalten, was so gut läuft? Ihre Zögerlichkeit ist Stärke und Schwäche zugleich. Hängt sie noch eine Legislatur an? Voraussage: Mauch lässt Golta den Vortritt.

Michael Baumer (49, FDP): Der ETH-Ingenieur ist seit 2018 oberster Strömler und Trämler und ist fürs Trinkwasser ­zuständig. Wenn es nicht zu wenig Trampiloten hat, hört man kaum Negatives über ihn. Voraussage: Baumer hätte nichts gegen eine weitere Legislatur.

Karin Rykart (53, Grüne): Die Sozio­login leitet das Sicherheitsdepartement seit 2018. Das Departement zu führen, ist traditionell undankbar. Das 2100-köpfige Polizeicorps hört lieber auf den zackigen Kommandanten als auf die Stadträtin. ­Voraussage: Rykart lässt sich nicht unterkriegen.

Filippo Leutenegger (71, FDP): Der sicher bekannteste Stadtrat ist seit zehn Jahren in der Zürcher Exekutive. Zuerst Tiefbau-Chef, wurde er 2018 entgegen dem eigenen Wunsch mit der Leitung des Schul- und Sportdepartements betraut. Leutenegger ist ausserdem Präsident der FDP Kanton Zürich. Voraussage: Leutenegger hat genug von der Exekutivpolitik und tritt 2026 nicht mehr an.

Andreas Hauri (57, GLP): Der ehemalige Marketingleiter ist seit 2018 Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements. Alter und Klimaschutz sind seine Kernthemen. Kritisiert wird Hauri, weil er beim Bereitstellen von Alterswohnungen zu wenig vorwärtsmacht. Voraussage: Hauri legt die Zügel noch nicht aus der Hand.

Die Krux mit vorzeitigen Rücktritten und Ersatzwahlen

Martin Vollenwyder (FDP) tat es wie andere auch. Ausserterminlich zurücktreten und so eine Ersatzwahl nötig machen. Oft hoffen die Parteistrategen, so den Stadtratssitz für die gleiche Partei wieder zu besetzen. Doch gerade die FDP hatte Pech: 2013 machte Richard Wolff (AL) das Rennen, Marco Camin verlor einen von damals zwei FDP-Stadtratssitzen an Linksaussen. (ls.)

  • André Odermatt (64, SP). Voraussage: Er tritt nicht mehr an. Bild: Pascal Turin
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  • Simone Brander (46, SP). Voraussage: Sie will noch einiges umsetzen. Bild: Lorenz Steinmann
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  • Daniel Leupi (58, Grüne): Er hat höhere Ziele. Etwa Stadtpräsident? Voraussage: Leupi wills wissen. Bild: Pascal Turun
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  • Raphael Golta (48, SP). Voraussage: Der ehemalige Journalist strebt das Stadtpräsidium an. Bild: zvg./Stadt Zürich
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  • Corine Mauch (64, SP). Hängt sie noch eine Legislatur an? Voraussage: Mauch lässt Golta den Vortritt. Bild: zvg./Stadt Zürich
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  • Michael Baumer (49, FDP). Der ETH-Ingenieur hätte nichts gegen eine weitere Legislatur. Bild: ls.
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  • Karin Rykart (53, Grüne): Die Sozio­login lässt sich nicht unterkriegen. Bild: Pascal Turin
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  • Filippo Leutenegger (71, FDP, links auf dem Bild). Weil er sich auf das Präsidentenamt bei der FDP Kanton Zürich konzentrieren will, tritt er 2024 nicht mehr an. Voraussage: Leutenegger hat genug von der Exekutivpolitik. Bild: ls.
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  • Andreas Hauri (57, GLP). Voraussage: Er legt die Zügel noch nicht aus der Hand. Bild: zvg/Stadt Zürich
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FDP und SP suchen Stadtratskandidatinnen und -kandidaten, die SVP tritt sicher auch an

Die FDP hat mit ihrer Findungskommission den Anfang gemacht. Bei der SP laufen die Fäden vorerst hinter den Kulissen heiss. Normalerweise führt zum Exekutivamt die mehr oder weniger lange «Ochsentour» der Legislative, also Gemeinde- oder allenfalls Kantonsrat. Immer gut ist eine Führungsqualifikation, etwa als Fraktions- oder Kommissionspräsident. Quereinsteiger wie bezeichnenderweise Filippo Leutenegger vor zehn Jahren (vom Nationalrat direkt zum Stadtrat) sind eher selten und parteiintern nicht unbedingt gerne gesehen.

Bei den Freisinnigen heisst es, eine Nachfolge für Filippo Leutenegger zu erküren. Weil Michael Baumer (bisher) gesetzt ist, sollte das künftige FDP-Stadtratsmitglied strategisch gesehen weiblich sein. Ob sich Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel nach 2022 nochmals eine Kandidatur überlegt, ist eher unwahrscheinlich. Eben hat sie ihr Amt als Friedensrichterin der Kreise 1+2 angetreten. Yasmine Bourgeois, Gemeinderätin 7+8, sowie im FDP-Fraktionsvorstand, wäre eine mögliche Kandidatin, auch wenn sie für Zürich allenfalls (zu) stramm bürgerlich politisiert. In Frage käme auch Martina Zürcher aus Höngg. Die Vize-Fraktionspräsidentin ist unter anderem Verkehrsexpertin und fährt selber Velo. In Zürich gibt das garantiert einige Mehr-Stimmen an der Urne.  

SP braucht wohl zwei frische Kräfte

Bei der SP gilt das ungeschrieben Gesetz, dass die interne Ausmarchung schwieriger ist als nachher die Volkswahl in den Stadtrat. Als Nachfolger von André Odermatt im Hochbaudepartement prädestiniert ist Marco Denoth. Der diplomierte Architekt und Bauleiter hätte das berufliche Rüstzeug, um beim Stadtzürcher Hochbau zu reüssieren. Er sitzt seit 2012 im Gemeinderat. Als Kleinunternehmer viel KMU-Wissen würde Andrew Katumba in den Stadtrat bringen. Der Kantonsrat (seit 2014) gilt aus Brückenbauer und ist weit ins bürgerliche Lager hinein geachtet. 

Falls Noch-Stadtpräsidentin Corine Mauch ihrem Stadtratskollegen Raphael Golta (siehe Haupttext) Platz machen würde, müsste zwingend eine SP-Frau aufgestellt werden für die Gesamterneuerungswahlen 2026. Warum nicht frischen Wind und ein wenig mehr Sportsgeist? Lisa Diggelmann (29) leitet aktuell die Sektion Sport bei der Stadt Aarau, ist Co-Fraktionspräsidentin und sitzt immerhin schon seit 2021 im Gemeinderat. Barbara Wiesmann wäre ebenfalls eine valable Nachfolgerin. Sie ist seit zehn Jahren Gemeinderätin, Vizefraktionspräsidentin und 43 Jahre alt.   

SVP steht in der Wählerpflicht

Ja und die SVP? Man muss weit zurückblättern, bis man mit Kurt Egloff einen SVP-Stadtrat findet. Seit 1990 versucht es die SVP vergebens, wieder in die Exekutive zurückzukehren. Anzutreten ist aber Pflicht, das ist man dem Parteivolk schuldig. 

Keinen Blumentopf gewinnen kann man im links-grün dominierten Zürich mit einem Hardliner. Somit wären Stephan Urech und Martin Götzl mögliche Erfolgsgaranten. Urech ist Sekundarlehrer und sitzt seit zehn Jahren im Gemeinderat. Götzl ist ebenfalls seit zehn Jahren im Gemeinderat, der 52-jährige Hundeliebhaber ist Berufsschullehrer. Ebenfalls Chancen hätte wohl der frischgewählte Co-Stadtparteipräsident Ueli Bamert. Der Kantonsrat (seit 2018) ist Mobilitätsexperte und arbeitet in Führungsposition bei Avenergy Suisse, der ehemaligen Erdölvereinigung der Schweiz.  

Weil die Wahlen erst im Frühjahr 2026 stattfinden, bleibt nun noch einige Zeit, die Profile der geeigneten Personen zu schärfen und die Kandidatinnen und Kandidaten auch öffentlich bekannt zu machen. (ls.)

Lorenz Steinmann/Zürich24