Urs Räbsamen (66) und seinem Sohn Jonas (36) sieht man die Freude von weitem an. Sie freuen sich beim Ortstermin in Affoltern über einen Meilenstein, wie Firmengründer und Investor Urs Räbsamen sagt. Noch vor zwei Jahren dachten die beiden, die Zukunft des Restaurants Frieden an der Wehntalerstrasse wäre besiegelt – Abbruch und Platz für die Schienen des Trams Affoltern.
Doch dann suchte Urs Räbsamen das Gespräch mit Stadtrat Daniel Leupi (Grüne, 58), dem städtischen Finanzchef und politischen Verantwortlichen aller städtischen Liegenschaften. Denn Räbsamen liebt laut eigenen Angaben alte Häuser und hat sich in Zürich, aber auch in der Ostschweiz einen Namen gemacht mit dem Erhalt und der Sanierung von wertvollen Zeitzeugen. Oft entstehen daraus ausgezeichnet florierende Restaurants, so etwa das «Nordbrüggli» in Wipkingen oder das Restaurant Krone in Altstetten.
Leupi freut sich auch
Nun soll der «Frieden» an der Wehntalerstrasse 444 hinzukommen. Denn die Gespräche mit Leupi waren erfolgreich. Leupi, der heute auch vor Ort ist, sagt dazu: «Es freut mich sehr, dass Urs Räbsamen den ‹Frieden› mit einer ansehnlichen Investition übernimmt und nun bereits über die Zwischennutzung bestimmen kann.»
Die Verschiebung des «Friedens» sei eines der bisher aufwendigsten Projekte für Liegenschaften Stadt Zürich gewesen. «Die gefundene Lösung ist ein Glücksfall für das Quartier. Sie zeigt auf, dass vieles möglich ist, wenn die Stadt und Private gut zusammenarbeiten», ist Leupi überzeugt. Nachdem der Abschied des bisherigen Wirtepaars im Juli und die damit verbundene Restaurantschliessung mit einigem medialem Getöse verbunden war, hofft man nun auf positivere Botschaften. Eine davon ist jene, dass schon im Oktober eine Zwischennutzung starten wird. «Der Wirt des Restaurants Ecke West an der Weststrasse wird hier ein Pop-up-Restaurant eröffnen», verrät Jonas Räbsamen. Es sei ein «ganz normales Restaurant», das gut ins Quartier passe.
Also kein «Hipster-Experiment» und keine Szenebeiz für wenige, ist man versucht zu sagen. Man hofft, damit fast nahtlos als beliebter Quartiertreffpunkt anknüpfen zu können.
Glück fürs Quartier
Dass nun ein privater Investor gut 3,5 Millionen Franken in die Hände nimmt und quasi die Stadt rettet, ist selten. Denn die Stadt hätte sich das Wagnis aus finanziellen Gründen nicht geleistet, sagt Stadtrat Leupi. Man habe nicht weit entfernt mit dem grossen Zehntenhaus schon ein anderes lokales Projekt zu stemmen.
Mit der Übernahme im Baurecht und der raschen Zwischennutzung wird einem grosses Anliegen des Quartiers entsprochen, wie Pia Meier vom Quartierverein auf Anfrage sagt. Man habe Bedenken gehabt, was nun mit der beliebten Beiz passiere, so Meier. Ebenso froh sei man, dass es nun vorwärtsgehe mit der schon länger diskutierten Verschiebung des Hauses gut 20 Meter nach Norden.
Grund hierfür: Das geplante Tram Affoltern braucht Platz und die Stadt hat entschieden, den Strassenraum deswegen nicht zu verkleinern. Deshalb die Verschiebung, die laut Rebsamens allein 2,5 Millionen Franken kosten wird, berappt von der künftigen Besitzerin, der Familie Räbsamen.
Es braucht ein Ja an der Urne
Doch die spektakuläre Hausverschiebung hängt davon ab, ob und wann das Tram Affoltern kommt. Erst wenn die Stimmbevölkerung dem Objektkredits des Projekts «Tram Zürich–Affoltern» inklusive des Kaufvertrags für das Haus mit dem «Frieden» zugestimmt hat, kann losgelegt werden. Oder auch (noch) nicht. Denn Ja sagen müssen auch noch die Instanzen des Kantons Zürich. Zudem braucht es eine rechtskräftige Plangenehmigungsverfügung des Projekts «Tram Zürich–Affoltern» durch das Bundesamt für Verkehr. Das alles ist laut den Planenden frühestens Mitte 2026 der Fall, also in zwei Jahren.
Zeitverzögerungen sind möglich
Wenn es anders läuft, hat jedoch der Verkehrsclub der Schweiz – kurz VCS – Erfolg mit seinem derzeit laufenden Rekurs gegen die Pläne des Trams Affoltern. Zudem könnte im Kantonsrat eine kantonale Abstimmung gefordert werden, wie dies beim Rosengartentunnel inklusive Tramverbindung im Jahr 2020 der Fall war.
Die Verantwortlichen mit den Verkehrsbetrieben und Stadtrat Michael Baumer (FDP) sind jedoch überzeugt, dass sich jener Denkzettel an der Urne nicht wiederholen wird. Hier geht es immerhin um eine ÖV-Vorlage ohne milliardenteuren Autotunnel.
Doch zurück zum «Frieden». Am Montag präsentierte sich die Lokalität leer und ein wenig trist. Doch das geschulte Auge von Urs Räbsamen sah sofort das schöne, über hundertjährige Holztäfer an den Wänden. «Viel braucht es nicht, bis das Restaurant wieder einladend aussieht, zumindest als Restaurant-Zwischennutzung», so sein Urteil.
Seit Dienstag stehen übrigens die Baugespanne, in diesen Tagen wird das Baugesuch ausgeschrieben. Mit der benachbarten Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich habe man sich einigen können, so Daniel Leupi. So sehen die Verantwortlichen dem Baubewilligungsverfahren gelassen entgegen. Damit ist alles bereit für einen «neuen Frieden».